Mit einem massiven Aufgebot an Einheiten von Polizei, Militär und Revolutionsgarden hat Irans Machtapparat die ostkurdische Stadt Seqiz abgeriegelt, um Proteste und Gedenkfeiern für Jina Mahsa Amini, die am 16. September 2022 an den Folgen eines staatlichen Femizids in Teheran gestorben ist, zu verhindern. Den ersten Todestag der 22-Jährigen wollten Menschen in ihrer Heimatstadt mit einer Trauerfeier an ihrem Grab auf dem Aichi-Friedhof würdigen, doch praktisch die gesamte Stadt befindet sich im Belagerungszustand.
In nahezu allen Straßen von Seqiz patrouillieren schwerbewaffnete Männer in Kampfmontur, an Kreuzungen, in Gebäuden und auf Dächern haben sich Scharfschützen positioniert. Außerdem kreisen Kampfhubschrauber im Tiefflug über der Stadt. Sogar ein Staudamm wurde geöffnet und Wege, die zum Friedhof führen, unter Wasser gesetzt. Unbestätigten Informationen zufolge soll ein Mann, der sich in der Nähe der Ruhestätte aufhielt, von einem Sniper angeschossen worden sein. Er befinde sich mit einer Kopfverletzung in einem Krankenhaus, sein Zustand sei kritisch.
Früher am Tag war der Vater von Jina Mahsa Amini vor der Familienwohnung in Seqiz von iranischen Sicherheitskräften festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht worden. Zuvor war das Haus von den islamischen Revolutionsgarden umstellt und die Familie unter Hausarrest gestellt worden. Als Amjad Amini das Haus trotzdem verließ, wurde er sofort abgeführt. Inzwischen sei er aber wieder auf freiem Fuß, berichtete das in Paris ansässige Kurdistan Human Rights Network auf X (ehemals Twitter).
Auch in anderen kurdischen Städten wurde die Militärpräsenz ein Jahr nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini stark erhöht. Parteien und politische Bewegungen aus Rojhilat, darunter PJAK und KODAR, hatten zum ersten Jahrestag der „Jin Jiyan Azadî“-Revolution zu einem Generalstreik aufgerufen. In mindestens achtzehn Städten, darunter Seqiz, Sine, Bokan und Merîwan, beteiligten sich Menschen an dem Protest und ließen ihre Geschäfte aus Solidarität mit Jina Mahsa Amini geschlossen.
Monatelange Proteste nach Aminis Tod
Jina Mahsa Amini war am 16. September 2022 nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei in Irans Hauptstadt Teheran gestorben. Sie war festgenommen worden, weil sie gegen die Kleidungsvorschriften des Regimes verstoßen haben soll. Nach Angaben ihrer Familie starb sie an Hirnblutungen und einem Schädelbruch infolge von Misshandlungen auf einer Wache der sogenannten Moralpolizei.
An Aminis Tod entzündete sich die „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution, die von Ostkurdistan ausgehend und unter der Führung von Frauen alle Teile Irans erfasste. Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen wurden dabei mehr als 500 Demonstrierende von iranischen Regimekräften getötet, sieben Männer wurden im Zusammenhang mit den Protesten hingerichtet.