Angehörige von Ermordeten im Sitzstreik vor Gericht

Vor fast drei Jahren wurden Emine Şenyaşars Ehemann und zwei ihrer Söhne in Pirsûs von Personenschützern eines AKP-Politikers ermordet. Die Täter sind frei. Die Angehörigen protestieren mit einem Sitzstreik vor dem Gericht gegen die Straflosigkeit.

Seit drei Tagen protestieren die 70-jährige Emine Şenyaşar und ihr Sohn Ferit Şenyaşar mit einem Sitzstreik vor dem Gericht in Urfa (ku. Riha). Morgen soll die Verhandlung wegen der Ermordung ihres Ehemanns und zwei ihrer Söhne durch Personenschützer des AKP-Politikers Ibrahim Halil Yıldız beginnen.

Untersuchungsbericht dokumentiert Verbrechen

Das Verbrechen in der nordkurdischen Stadt Pirsûs (tr. Suruç) im Vorfeld der wiederholten Wahlen hatte die Menschen in Kurdistan erschüttert. Zu dem, was 14. Juni 2018 geschah, heißt es in einem Untersuchungsbericht der Demokratischen Partei der Völker (HDP): „Der AKP-Kandidat Yıldız hat mit seinen Verwandten den Laden der Familie Şenyaşar aufgesucht. Die verbale Auseinandersetzung mündete in eine Schießerei. Die Brüder Adil, Celal und Ferit Şenyaşar wurden von dem AKP-Kandidaten Yıldız und seinen Begleitern unter Anwendung von Pistolen und Langfeuerwaffen attackiert.

Morde im Krankenhaus

Die durch den Angriff verletzten beiden Söhne von Hacı Esvet Şenyaşar, Adil und Celal Şenyaşar, wurden in die Notaufnahme des staatlichen Krankenhauses von Suruç eingeliefert. Ein anderer Sohn wurde in das staatliche Krankenhaus Balıklıgöl im Zentrum der Provinzhauptstadt Riha gebracht. Hacı Esvet Şenyaşar selbst hat sich zu Fuß in das Krankenhaus von Suruç begeben.

Auf Betreiben des AKP-Kandidaten zerstörten Verwandte von İbrahim Halil Yıldız zunächst die Überwachungskameras im Krankenhaus und töteten anschließend einen der Söhne von Hacı Esvet Şenyaşar in der Notaufnahme des Krankenhauses. Ein weiterer Sohn wurde vor dem staatlichen Krankenhaus von Suruç ermordet. Durch Schläge mit einer Sauerstoffflasche auf den Kopf wurde Hacı Esvet Şenyaşar schwer verletzt und ins Krankenhaus in Dîlok (Antep) eingeliefert. Am 15. Juni verstarb Hacı Esvet Şenyaşar, während seine Söhne in Pirsûs beigesetzt wurden.“

Familie: „Wir fordern Gerechtigkeit“

Auf dem Twitteraccount der Familie heißt es: „Wir sind bereit, späte Gerechtigkeit zu akzeptieren. Die Menschen, die im Krankenhaus Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, laufen frei herum. Wir fordern Gerechtigkeit für unsere Familie und Gerechtigkeit für alle.“

Meral Daniş-Beştaş: „Die ganz Welt muss den Schrei von Emine Şenyaşar hören“

Die HDP-Abgeordnete Meral Daniş-Beştaş erklärte zu dem Verfahren: „Überall auf der Welt wäre dieses Verbrechen ein Vorgang gewesen, der eine Regierung zum Sturz gebracht hätte. Warum? Weil die Leibwächter des AKP-Abgeordnete Halil Yildiz und seine Verwandten den Laden der Familie Şenyaşar angegriffen haben und drei Mitglieder der Familie Şenyaşar getötet wurden. Laut dem Bericht der Gerichtsmedizin ‒ es wurden ein Vater und zwei Söhne ermordet – wurden sie aus nächster Nähe getötet. An ihren Körpern wurden 23 Einschüsse, Schnitt- und Stichverletzungen gefunden. Der Vater, Esvet Senyaşar, wurde im Krankenhaus mit mehr als 30 Verletzungen durch scharfe Gegenstände getötet. Aber die Krankenhausberichte werden immer noch zurückgehalten oder wurden vernichtet. Die Mörder sollen entlastet werden. Es ist eine lange Zeit vergangen, aber die Täter sind frei. Der Schrei von Emine Şenyaşar nach Gerechtigkeit muss von der ganzen Türkei und der Welt gehört werden.“

Zum bevorstehenden Verfahren sagte Danış-Beştaş: „In Meletî (Malatya) ist ein Mitglied der Opferfamilie Şenyaşar inhaftiert. Aber die Täter laufen entspannt und frei herum. Wir werden den Prozess von Anfang an begleiten und genau beobachten. Wir wiederholen unsere Forderung an alle demokratischen Kräfte und Rechtsinstitutionen, sich mit diesem Fall zu beschäftigen, damit die Wahrheit enthüllt werden kann.“