Amed: Zwangsverwalter entlässt 84 Mitarbeiter

Der zum Zwangsverwalter für das Rathaus von Amed ernannte Treuhänder hat 84 städtische Mitarbeiter trotz Corona-Kündigungsschutz entlassen. Die Betroffenen glauben, dass sie durch AKP-Anhänger ersetzt werden sollen.

Seit Oberbürgermeister Dr. Adnan Selçuk Mızraklı auf Betreiben des türkischen Innenministeriums im August 2019 des Amtes enthoben und in der Folge verhaftet wurde, haben in Amed (tr. Diyarbakir) etliche städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren. Zu Neujahr sind nun weitere 84 Angestellte im öffentlichen Dienst trotz Corona-Kündigungsschutz entlassen worden.

Der Zwangsverwalter Münir Karaloğlu begründet die Entlassungen damit, dass die befristeten Arbeitsverträge ausgelaufen seien. Doch die im Rahmen der Corona-Pandemie erlassenen Gesetze sehen vor, Arbeitsverträge automatisch zu verlängern. Die entlassenen Beschäftigten befürchten indes, dass sie durch AKP-Anhänger ersetzt werden sollen. „Wir haben Hinweise, dass sich Karaloğlu bereitwillig hat bestechen lassen, um uns zu entlassen und durch regierungstreue Leute zu ersetzen“, sagt einer der Betroffenen, der seinen Namen hier nicht lesen will. Er ist einer der 84 entlassenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die von Mızraklı angestellt worden waren. Mit Blick darauf kämen die Massenentlassungen einer Säuberungswelle im Rathaus gleich.

Zwar haben die entlassenen Ex-Angestellten der Stadtverwaltung angekündigt, rechtlich gegen ihre Entlassung vorzugehen. Und auch die Chancen stehen gut, dass sie Erfolg bei einer Klage gegen ihre Kündigung haben. Ob sie danach wieder angestellt werden, ist allerdings fraglich. Durch die Ernennung von Zwangsverwaltern wurden tausende Beschäftigte der ehemals HDP-geführten Stadtverwaltungen und ihre Familien in Hunger und Not gestürzt. Sie werden systematisch entlassen und durch AKP-Anhänger ersetzt. In Wan (Van) gewannen im Mai 250 Beschäftigte der Stadtverwaltung eine Klage gegen ihre Entlassung durch den Zwangsverwalter. Auf direkte Anordnung des Innenministers Süleyman Soylu wurden sie dennoch nicht wieder angestellt. Dieses Vorgehen stellt ein erneutes Beispiel der Bedeutungslosigkeit der Judikative in der Türkei dar, während die Exekutive mit immer neuen Vollmachten ausgestattet wird und nach Gutdünken agiert.

Zwangsverwalter in 48 Rathäusern ernannt

Von den 65 Kommunalverwaltungen, in denen die HDP bei den Kommunalwahlen am 31. März 2019 gewonnen hatte, sind aktuell nur noch sechs übrig. In 48 Kommunen, vier von ihnen Großstädte, wurden Zwangsverwalter eingesetzt. Auch Dutzende Stadtratsmitglieder und Provinzratsmitglieder wurden des Amtes enthoben. Von 37 verhafteten Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sind 17 immer noch im Gefängnis.