Über vier Jahre Haft für Erfüllung des hippokratischen Eids
Der Vorsitzende der Ärztekammer von Şirnex, Dr. Serdar Küni, ist wegen der Behandlung von Verletzten zu vier Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden.
Der Vorsitzende der Ärztekammer von Şirnex, Dr. Serdar Küni, ist wegen der Behandlung von Verletzten zu vier Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden.
Als der türkische Staat ab dem Jahr 2015 kurdische Städte, unter ihnen Cizîr (türk. Cizre), belagerte und sturmreif schoss, litt die Bevölkerung nicht nur unter den Angriffen des Militärs, sondern auch unter der fehlenden medizinischen Versorgung. Einer der mutigen Ärzte, die trotzdem die Menschen weiter versorgten, war Dr. Serdar Küni. Er war am 24. April 2017 deswegen unter dem Vorwurf der „Behandlung von Personen, die beschuldigt sind, einer Terrororganisation anzugehören“, und wegen der angeblichen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation zu vier Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil wurde in der Berufung aufgehoben und das Verfahren zur Neuverhandlung an das Gericht in Şirnex (Şırnak) zurückverwiesen.
Vorwurf geändert und erneut verurteilt
Das Gericht verhängte nun erneut die Haftstrafe von vier Jahren und zwei Monaten, diesmal aufgrund des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“. Küni beschreibt das Vorgehen als einen Angriff auf die universellen Werte der Medizin. „Wir sagen, wir sind Ärzte. Einer der Grundsätze für einen guten Arzt ist es, jeden unabhängig seiner Religion, seiner Herkunft, seiner politischen Ansicht, seiner gesellschaftlichen Position oder sonst irgendeines Unterschieds zu behandeln. Wir haben ein Gewissen.“ Er weist darauf hin, dass nach der Annullierung des Urteils einfach der Straftatbestand geändert und das gleiche Urteil erneut gefällt wurde.
„Ich werde auf der Grundlage dieser Werte weiterarbeiten“
„Wir betrachten das als einen Angriff auf das Wesen und die Werte der Medizin”, erklärt Küni. „Jeder Arzt, der ein Gewissen und Werte hat, würde es genauso machen. Jeder Arzt ist verpflichtet, einen Kranken ungeachtet seiner Person zu behandeln. Dies ist eine Strafe gegen das Wesen der Medizin. Ich werde meine Arbeit jedoch entsprechend dieser Werte fortsetzen.“ Küni wird Widerspruch gegen das Urteil einlegen und die Entscheidung erneut vor das Berufungsgericht bringen.
Aussagen eines geheimen Zeugens und unter Folter erpresst
Die Menschenrechtsstiftung TIHV berichtet über die Anklage: „Die einzigen Beweise in der Akte waren ein anonymer Zeuge namens ‚Vatan‘ (Vaterland) und die Aussagen einiger Personen, die sich in dieser Zeit angeblich in Cizre aufgehalten hatten. Mit Ausnahme von ‚Vatan‘ gaben jedoch alle anderen Zeugen an, dass sie ihre Aussagen unter Folter gemacht hätten und gezwungen worden seien, sie zu unterschreiben. Sie zogen alle ihre Aussagen zurück und sagten, dass sie Dr. Küni nicht kannten. Der anonyme Zeuge ‚Vatan‘ sagte in seiner Aussage, dass ‚die bei Zwischenfällen verletzten Demonstranten in dem Gesundheitszentrum behandelt wurden, in dem Küni arbeitete‘. Die einzige Anklage, die gegen Küni erhoben wird, bezieht sich also auf seine ärztliche Tätigkeit. Das entsprechende Gesundheitszentrum, in dem er arbeitete, war jedoch zum angegebenen Datum geschlossen.“