HDP stellt in Genf Cizîr-Bericht vor

In Genf wurde am Montag der HDP-Bericht zu den genozidalen Angriffen des türkischen Staates im Jahr 2015 gegen die Bevölkerung von Cizîr vorgestellt.

Auf einer Pressekonferenz im Schweizer Presseclub in Genf wurde am Montag ein Bericht der HDP (Demokratische Partei der Völker) über die türkische Belagerung der nordkurdischen Stadt Cizîr (Cizre) vorgestellt. Der 135 Seiten umfassende Bericht mit dem Titel „Eine Anatomie des Grauens“ basiert auf Untersuchungen von nationalen und internationalen Institutionen und wurde von dem HDP-Abgeordneten und Zeugen des Massakers von Cizîr, Faysal Sarıyıldız, vorgestellt. An der Pressekonferenz nahm auch der Hamburger Völkerrechtsexperte Prof. Norman Paech teil.

Einleitend hat der HDP-Abgeordnete Faysal Sarıyıldız die Ereignisse während der türkischen Belagerung von Cizîr als direkte Kriegsverbrechen beschrieben und den anwesenden Pressevertreter*innen entsprechende Belege vorgelegt. Sariyildiz betonte, dass sowohl die Vereinten Nationen als auch die internationalen Mächte auf ihrem Schweigen in Bezug auf die genozidalen Angriffe auf Cizîr beharren würden und dies nicht hinnehmbar sei.

Was war geschehen?

Am 14. Dezember 2015 begann die Belagerung der nordkurdischen Stadt Cizîr (Cizre). 79 Tage lang bombardierte die türkische Armee die damals etwa 115.000 Bewohner umfassende Kreisstadt in der Provinz Şirnex (Şırnak) sowohl aus der Luft als auch vom Boden aus. Die türkische Polizei und das Militär nahmen ganze Viertel unter Feuer, zerstörten die Telefon, Strom- und Wasserversorgung und kesselten Tausende Menschen ein. Bewohner*innen, die in den Kellern ihrer Wohnhäuser Schutz vor den genozidalen Angriffen der türkischen Armee suchten, wurden auf grausame Art ermordet. In den 79 Tagen, die die verhängte Ausgangssperre andauerte, sind mindestens 280 Menschen von türkischen Sicherheitskräften getötet worden.

Schandfleck in der Geschichte der Menschheit

 Sarıyıldız deutet darauf hin, dass die Zahl der Todesopfer weit über dieser Zahl liegt: „Der türkische Staat hat mit dem Massaker von Cizîr einen Schandfleck in der Geschichte der Menschheit hinterlassen. Während der Blockade waren effektive und transparente Untersuchungen an den Leichnamen nicht möglich, was zur Folge hat, dass einige Personen nicht identifiziert werden konnten. Wir können eine genaue Zahl über die Todesopfer nicht benennen, gehen aber davon aus, dass während den verhängten Ausgangssperren in Cizîr zur Zeit der Belagerung mindestens 280 Menschen ums Leben gekommen sind. In 262 Fällen konnten die Identitäten der Opfer festgestellt werden, weitere 18 Menschen sind noch immer auf dem Friedhof der Namenslosen begraben.“

Türkischer Staat hat Zivilist*innen gezielt angegriffen

Sarıyıldız erinnert daran, dass am 20. Januar 2016 Mitglieder einer Delegation, die Verletzte aus dem belagerten Viertel Cudî evakuieren wollten, gezielt von türkischen Sicherheitskräften unter Beschuss gesetzt wurden: „Bei dem Vorfall sind zwei Personen ums Leben gekommen. 12 weitere, unter ihnen Refik Tekin, Korrespondent des [mittlerweile per Dekret verbotenen] Fernsehsenders IMC TV, wurden verletzt. In Anbetracht der Tatsache, dass am helllichten Tag mitten im Zentrum der Stadt Zivilist*innen zur Zielscheibe erklärt werden, können wir die Rücksichtslosigkeit der staatlichen Kräfte erkennen. Augenzeugenberichte über willkürliches Feuerlegen durch Sicherheitskräfte am besagten Tag bekräftigen unsere Auffassung, dass ein großes Massaker geplant gewesen sein könnte“, so Sarıyıldız.

Bis zum 41. Tag der Blockade von Cizîr seien täglich drei bis vier Menschen getötet worden, berichtet Sarıyıldız weiter. Ab dem 23. Januar 2016 haben größere Angriffe von Seiten der türkischen Staatskräfte stattgefunden, die als Massaker bezeichnet werden könnten. „Die Keller der Wohngebäude, in denen Verletzte und viele weitere Zivilist*innen Schutz vor den Angriffen gesucht haben, und die den Sicherheitskräften bekannt waren, wurden mit schweren Waffen, insbesondere Panzer-und Mörsergranaten unter Beschuss gesetzt. Wegen dieser brutalen Vorgehensweise gegen die Verletzten, die sich zu ihrem eigenen Schutz in den Untergeschossen der Gebäude verschanzten, werden die Keller „Keller des Grauens" genannt. Die Leichen von insgesamt 177 Menschen, darunter 25 Kindern, wurden aus den Trümmern in den Vierteln Cudî und Sur geborgen. Allein in drei Kellern, die der breiteren Öffentlichkeit bekannt sind, kamen jeweils 31, 62 und 50 Menschen ums Leben“, so Sarıyıldız.

Der vollständige Cizîr-Bericht der HDP ist engslichsprachig über folgenden Link abrufbar:

The Anatomy of Brutality: Comprehensive and updated Report on Turkey's Blockade on Cizre District

Die türkische Fassung steht unter diesem Link zur Verfügung:

Bir Vahşetin Anatomisi: Genişletilmiş ve güncellenmiş Cizre Ablukası Raporu