Norman Paech zu Massakern von Cizîr: Das sind Kriegsverbrechen

Der Professor für internationales Recht und Verfassungsrecht Norman Paech stellte fest: „Das was in Cizre, Sur und Nusaybin passiert ist, sind Kriegsverbrechen und nach internationalem Recht auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

Die Demokratische Partei der Völker (HDP) hat einen 135-seitigen Bericht über die Massaker (14. Dezember 2015 – 2. März 2016) des türkischen Staates in Cizîr (Cizre) in der nordkurdischen Provinz Şirnex (Şırnak) vorbereitet. Der Bericht mit dem Namen „Eine Anatomie des Grauens “ wurde am 5. März in Genf im Zentrum des Schweizer Presseclubs, in dem hunderte Journalist*innen und Presseinstitutionen Mitglied sind, der Öffentlichkeit vorgestellt.

Norman Paech: Das was dort geschehen ist, sind Kriegsverbrechen

Auf der Pressekonferenz haben der HDP-Abgeordnete von Şirnex, Faysal Sarıyıldız als direkter Zeuge des Massakers von Cizîr und der Professor für internationales Recht und Verfassung Norman Paech teilgenommen. Nachdem Sarıyıldız den Bericht vorgestellt hatte, erhielt Prof. Norman Paech das Wort und charakterisierte die Massaker, die der türkische Staat während des Selbstverwaltungswiderstands in Cizîr, Silopi, Nisêbin (Nusaybin) und Sûr verübt hat, als Kriegsverbrechen gegen internationales Recht.

Norman Paech erklärte: „Wenn der türkische Staat die Menschen in den Gebieten, die er angegriffen hat als PKK-Kämpfer darstellt, dann entspricht dies nicht der Realität. Denn die Leute, auf die dort in diesen Gebieten gezielt wurde, waren nur Zivilisten. Angriffe auf die Zivilbevölkerung und ihre Vertreibung erfüllen ganz klar den Tatbestand eines Kriegsverbrechens, wie auch den eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit.“

Wenn es der UN-Sicherheitsrat will, dann werden sie verurteilt

Paech stellte heraus, dass die Türkei, da sie viele internationale Abkommen nicht unterschrieben habe, nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, die sie in dieser Region begangen hat, verurteilt werden kann. „Aber auf die Anforderung des UN-Sicherheitsrats kann die Türkei dennoch vor dem Internationalen Strafgerichtshof verurteilt werden. Der Weg, die Türkei vor den internationalen Gerichtshöfen zu verurteilen, ist nicht vollständig verschlossen. Die Realisierung davon hängt aber sehr von juristischen, wie auch von politischen Gründen ab. Die internationalen Kräfte und die Haltung der UN spielen in diesem Punkt die entscheidende Rolle und werden diese auch weiterhin spielen.“

Die Rechtfertigung der Türkei ist nichtig

„So sehr der türkische Staat auch das was in der Region passiert als Sicherheitsoperationen und nicht als Krieg darstellt, sowohl die Berichte der Vereinten Nationen und der anderen Institutionen, als auch die Praxen, die der türkische Staat in dieser Phase an den Tag gelegt hat, machen vollkommen deutlich, dass dort ein Krieg stattgefunden hat“, sagte Paech und fuhr fort, „Mit dem damals angewandten Vernichtungsplan wurden Städte dem Erdboden gleich gemacht. Der türkische Staat begnügte sich nicht nur mit Massakern, er zwang die Bevölkerung der Region zur Massenmigration. Das ist zum Beispiel in Sûr passiert. In einer Phase, in der kein Krieg stattfindet, die Menschen aus ihrem Heim zu vertreiben und in den geräumten Gebieten die demographische Zusammensetzung zu ändern, ist vor dem Völkerrecht ganz klar ein Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

Gräueltaten …

Paech wies darauf hin, dass internationale Rechtsexpert*innen das, was in Sûr, Cizîr und Nisêbin passiert ist klar als Kriegsverbrechen ansehen: „Die Zerstückelung von Körpern Verstorbener durch Soldaten stellt eine öffentliche Herabsetzung der Menschenwürde dar. Wir sprechen hier nicht nur von einem Toten, sondern gleichzeitig auch von Gräueltaten. So sehr sich der türkische Staat in dieser Hinsicht auch verteidigen mag, für das was er getan hat gibt es nur eine Einordnung, als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wie ich es erklärt habe, muss der UN-Sicherheitsrat beim Strafgerichtshof einen Prozess gegen die Türkei erwirken.“

Sarıyıldız: „Im Mittleren Osten wächst ein Hitler heran, stoppt ihn!“

Nach den Worten von Paech beantwortete der HDP-Abgeordnete Faysal Sarıyıldız Fragen: „In der Stadt Cizre, in der ich geboren wurde und aufgewachsen bin, ist ganz offen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen worden. Dieses wurde vor den Augen der Weltöffentlichkeit verübt und die internationalen Organisationen wissen davon. Wir richten von hier aus erneut den Aufruf an die UN. Tut, was Euch Euer Gründungsziel gebietet und beschäftigt Euch mit dem, was in Cizre passiert ist und verurteilt die Verantwortlichen.“

Zuletzt merkte er an: „In der Türkei und im Mittleren Osten wächst gerade ein Diktator mit blutigen Händen vom Kaliber eines Hitlers oder Mussolinis heran … Wenn man diesen Diktator nicht stoppt, wird er noch eine größere Bedrohung für uns alle darstellen. Die UN und die internationalen Kräfte dürfen ihre Augen nicht abwenden, wir werden es niemals zulassen, dass diese Massaker verdeckt und vertuscht werden.“