Nach Tod von Jina Mahsa Amini: Über 40 Verletzte bei Protesten in Iran

Nach dem Tod von Jina Mahsa Amini in iranischem Polizeigewahrsam dauern die Proteste im Land weiter an. Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen wurden allein in Sine und Seqiz mindestens 47 Demonstrierende verletzt, 13 weitere wurden festgenommen.

Nach dem Tod von Jina Mahsa Amini in iranischem Polizeigewahrsam dauern die Proteste im Land weiter an. Die kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw berichtete unter Berufung auf ihr Aktivistennetzwerk, mindestens 47 Personen seien seit Samstag bei Demonstrationen in Rojhilat (Ostkurdistan) verletzt worden, einige davon schwer. Auch wurden mehrere Demonstrierende festgenommen. Das Kurdistan Human Rights Network meldete ebenfalls dutzende Verletzte sowie Festnahmen.

In Seqiz (Saqqez), der Geburtsstadt von Amini, wurden bei Protesten nach der Beerdigung der 22-Jährigen am Samstag mindestens 33 Menschen verletzt, heißt es. Die iranische Polizei hatte neben Tränengaspatronen und Gummigeschossen auch Schrotmunition, die normalerweise bei der Jagd eingesetzt wird, auf die Menschen abgefeuert. Weitere Polizeitrupps prügelten mit Knüppeln auf die Protestierenden ein.

Fünf Demonstrierenden wurde mit Schrotflinten gezielt ins Gesicht geschossen, alle erlitten laut Hengaw gefährliche Augenverletzungen. Aufgrund der Schwere der Verletzungen wurden sie in ein besser ausgestattetes Krankenhaus in Täbris (Ost-Aserbaidschan) verlegt. In drei Fällen sind die Namen der Opfer bekannt: Parsa Sehat (23), Nechirvan Maroufi (18) und Kian Derakhshan. Mindestens einem der Männer musste ein Auge entfernt werden.


In Sine (Sanandadsch), der Hauptstadt der Provinz Kurdistan, zählte Hengaw am Sonnabend fünf Verletzte. Eine 14-jährige Jugendliche sei bis zur Bewusstlosigkeit mit Schlagstöcken verprügelt worden, drei weitere Demonstrierende erlitten ebenfalls Verletzungen durch Schrotmunition. Bei Protesten am Sonntag setzten Sicherheitskräfte offenbar auch ihre Dienstwaffen gegen Protestierende ein. Bisher ist die Rede von neun Verletzte, darunter zwei Frauen.

Hengaw befürchtet jedoch, dass die tatsächliche Zahl der Verletzten viel höher ist als bislang bestätigt. Die Organisation spricht außerdem von mindestens 13 Festnahmen in Seqiz und Sine, darunter mehrere Jugendliche. Allerdings dürfte auch hier die Dunkelziffer weitaus höher liegen. Dutzende Aktivist:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen hätten zudem Drohanrufe von Sicherheitskräften bekommen, dass sie verhaftet würden, falls sie sich an den Protesten beteiligen oder Beiträge in digitalen Netzwerken zum Tod von Jina Mahsa Amini veröffentlichen.

Von Sittenpolizei festgenommen und gestorben

Jina Mahsa Amini war am Dienstag während eines Familienbesuchs in der iranischen Hauptstadt Teheran von der sogenannten Sitten- und Religionspolizei festgenommen und auf eine Polizeiwache gebracht worden, weil sie ihren Hidschab nicht so trug wie vorgeschrieben. Auf dem Revier sollten „Aufklärungs- und Schulungsmaßnahmen“ zu den Kleidervorschriften erfolgen. Nach Polizeiangaben sei sie dort wegen Herzversagens zunächst in Ohnmacht und danach ins Koma gefallen. Am Freitag wurde ihr Tod bestätigt.

Keine Vorerkrankungen

Die Darstellung der Todesumstände von Angehörigen unterscheidet sich wesentlich von der offiziellen Version. Demnach ist die junge Frau im Beisein des Bruders festgenommen worden, weil ihr Kopftuch nicht richtig saß und ein paar Haarsträhnen zu sehen gewesen seien. Nach der Festnahme habe sie mehrmals massive Schläge gegen den Kopf bekommen, was zu einer Hirnblutung, dem Koma und zu ihrem Hirntod geführt habe. Laut dem Bruder sei die 22-Jährige keine zwei Stunden nach ihrer Ankunft auf dem Revier bewusstlos in ein Krankenhaus gebracht worden. Aminis Eltern wiesen auch Angaben von Behörden und Regimevertretern zurück, wonach die Frau Herzprobleme oder Epilepsie gehabt habe. „Die ‚schlimmste‘ Erkrankung, mit der sie in ihrem Leben konfrontiert wurde, war eine Erkältung“, sagte Aminis Vater der Zeitung Ham-Mihan.