Generalversammlung der freiheitlichen Jurist:innen
Die Vereinigung freiheitlicher Jurist:innen (ÖHD) hat in Amed (tr. Diyarbakır) ihre alljährlich stattfindende ordentliche Generalversammlung abgehalten – diesmal unter dem Motto „Mit einer freiheitlichen und demokratischen Rechtsprechung zum würdevollen Frieden“. Im Zentrum der Debatten standen die Rolle Abdullah Öcalans für eine demokratische Friedenslösung sowie die Forderung nach der Umsetzung des „Rechts auf Hoffnung“, wie es vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beschlossen wurde.
Die Konferenz versammelte Vertreter:innen der Kanzlei Asrın, Präsident:innen von Anwaltskammern verschiedener Provinzen, Mitglieder der ÖHD sowie politische und zivilgesellschaftliche Organisationen. Transparente mit Parolen wie „Recht auf Hoffnung jetzt umsetzen“, „Wir werden Recht und Politik demokratisieren“ oder „Frauenrecht ist Freiheitsrecht“ prägten das Bild der Versammlung.
Unter den Gästen waren auch die kurdischen Friedensmütter © MA
Kritik am Justizsystem
In ihrer Eröffnungsrede erklärte die Ko-Vorsitzende der ÖHD Ekin Yeter, dass das türkische Justizsystem unter der derzeitigen Regierung zunehmend als Werkzeug der Repression funktioniere. Das bestehende Rechtssystem sei „unterdrückerisch, diskriminierend und chauvinistisch“ und diene in erster Linie dem Machterhalt eines autoritären Regimes.
Yeter hob insbesondere das gegen Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali verhängte Isolationsregime hervor, das sie als offenen Bruch internationalen Rechts bezeichnete. Die wenigen genehmigten Besuche reichten nicht aus, um von einem Ende der Isolation zu sprechen. Vielmehr müsse Öcalan unter Bedingungen leben und arbeiten können, in denen er eine aktive Rolle in einem Friedensprozess spielen könne. Das vom EGMR bereits vor über zehn Jahren bestätigte „Recht auf Hoffnung“ für Lebenslängliche müsse dringend umgesetzt werden.
Ekin Yeter © MA
Solidarität aus der Gesellschaft
Die Generalversammlung erhielt zahlreiche Solidaritätsbotschaften – unter anderem von der inhaftierten ehemaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ, dem bekannten Menschenrechtsanwalt Selçuk Kozağaçlı, dem TIP-Abgeordneten Can Atalay sowie von mehreren anderen politischen Gefangenen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft. Während der Verlesung der Grußworte rief das Publikum mehrfach die Parole „Bijî Berxwedana Zindanan“ („Es lebe der Widerstand in den Gefängnissen“).
Mehrere Gastredner:innen betonten in ihren Beiträgen, dass Abdullah Öcalans „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ ernst genommen und seine physische Freiheit als Voraussetzung für eine glaubhafte Lösung der kurdischen Frage verstanden werden müsse.
Govend zum Abschluss © MA
Erneute Wahl der Doppelspitze
Mit „Bijî Berxwedana ÖHD“-Rufen wurden die bisherigen Ko-Vorsitzenden Ekin Yeter und Serhat Çakmak in ihren Ämtern bestätigt. In seiner Abschlussrede erklärte Çakmak: „Die heutige Versammlung ist das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit von tausenden Kolleg:innen. Der durch die kapitalistische Moderne geschaffene Unterdrückungsmechanismus wurde durch den kurdischen Freiheitskampf ins Wanken gebracht. Insbesondere nach Abdullah Öcalans Erklärung vom 27. Februar ist klar: Ein Jahrhundert alter Unterdrückungslogik wurde erschüttert. Jetzt liegt es an uns, an der Errichtung einer demokratischen Moderne mitzuwirken.“
Die Versammlung endete mit Govend-Tänzen sowie den Rufen „Bijî Berxwedana ÖHD“ und „Jin, Jiyan, Azadî“ – „Frau, Leben, Freiheit“.