ÖHD-Bericht: Rechte von 1,78 Millionen Wähler:innen verletzt

Einem aktuellen Bericht der Juristenvereinigung ÖHD zufolge verletzt die Usurpation von Gemeinden durch den türkischen Staat die Rechte von 1.777.120 Wähler:innen. Auch erhöhte Misswirtschaft und Repressionen wurden dokumentiert.

Proteste gegen Zwangsverwaltung

Die Juristenvereinigung ÖHD hat einen umfassenden Bericht über neun Gemeinden veröffentlicht, in denen die türkische Regierung die demokratisch gewählten Bürgermeister:innen abgesetzt und durch Zwangsverwalter ausgetauscht hat. Diese Praxis verletze das Wahlrecht von insgesamt 1.777.120 Wähler:innen, womit die AKP-geführte Regierung eindeutig gegen den Willen der Bevölkerung verstoße. Die ÖHD stuft dieses Vorgehen als unrechtmäßig ein und fordert ein sofortiges Ende dessen.

Neun Gemeinden nacheinander unter Zwangsverwaltung

Dem Bericht zufolge begann dieser Prozess mit der Ernennung eines Zwangsverwalters für die Gemeinde Colemêrg (tr. Hakkari) durch das Innenministerium am 3. Juni 2024. Darauf folgten die Gemeinden Esenyurt, Mêrdîn (tr. Mardin), Êlih (tr. Batman), Xelfetî (tr. Halfeti), Dersim (tr. Tunceli), Pulur (Ovacik), Miks (Bahçesaray) und Akdeniz. [Anm. Red.: Am 29. Januar teilte das türkische Innenministerium mit, auch die Stadt Sêrt (tr. Siirt) unter Zwangsverwaltung gestellt zu haben.]
Es wurde auch festgestellt, dass die Schuldenlasten der betroffenen Gemeinden unter der Usurpation enorm angestiegen seien. Demnach betrug der Gesamtbetrag der Schulden, die aus der vorherigen Periode übrig geblieben waren, 8 Milliarden 700 Millionen TL. Der Gesamtbetrag, den die Zwangsverwaltungen nun hinterlassen, belaufe sich auf 24 Milliarden 727 Millionen TL.

Klage auf Aussetzung der Vollstreckung eingereicht

Die ÖHD teilte in ihrem Bericht mit, dass die Rechtsausschüsse der CHP und der DEM-Partei eine Klage eingereicht haben, in der die Aussetzung der Vollstreckung im Rahmen der rechtlichen Verfahren bezüglich der Ernennung der Treuhänder gefordert werde.

Rechtsverstöße im Anschluss an die Usurpationen

In den betroffenen Gemeinden seien laut dem Bericht außerdem mehrfach Verbote für Demonstrationen und Veranstaltungen verhängt worden. Zusätzlich seien Proteste immer wieder gewaltsam angegriffen worden. Die Polizei sei mit Pfefferspray, Gummigeschossen und Wasserwerfern gegen die Demonstrierenden vorgegangen und habe ihnen häufig Handschellen auf dem Rücken angelegt.

Festnahmen und Verhaftungen

Der Bericht enthält Daten über die zahlreichen Festnahmen und Verhaftungen im Zusammenhang mit den Zwangsverwaltungen und den Protesten:

- Êlih (Batman): 219 Festnahmen, 37 Verhaftungen
- Xelfetî (Halfeti): 27 Festnahmen, 12 Verhaftungen
- Mêrdîn (Mardin): 41 Festnahmen, 9 Verhaftungen
- Dêrsim (Tunceli): 29 Inhaftierungen, 11 Verhaftungen
- Colemêrg (Hakkari): 26 Verhaftungen
- Stadtverwaltung Akdeniz: 16 Festnahmen, darunter 5 Ko-Bürgermeister:innen
- Istanbul: 25 Festnahmen, 17 Festnahmen im Zusammenhang mit Protesten gegen die Usurpation