Nach dem Corona-Aufstand im M-Typ-Gefängnis in der nordkurdischen Stadt Êlih (türk. Batman) am späten Samstagabend sind etwa 650 Häftlinge noch in der Nacht in Strafvollzugsanstalten in den benachbarten Provinzen verlegt worden. Das teilte die örtliche Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD mit.
Der Aufstand war vor dem Hintergrund eines Entwurfs zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes ausgebrochen, der die Freilassung von bis zu 100.000 Gefangenen in türkischen Gefängnissen vorsieht – wegen der hohen Ansteckungsgefahr und zur Vorbeugung gegen das Coronavirus. Politische Gefangene, also Andersdenkende, Journalisten und Menschenrechtler, „Terroristen“ sowie Sexualstraftäter – sofern sie „das Gewissen der Gesellschaft verletzt“ haben – sollen jedoch von der neuen gesetzlichen Regelung ausgenommen werden. Der Justizausschuss in der türkischen Nationalversammlung hat den Entwurf der AKP/MHP-Regierungskoalition gestern verabschiedet – ungeachtet heftiger nationaler und internationaler Kritik.
Wartende Angehörige vor dem Gefängnis
Nach vorliegenden Informationen handelt es sich bei den Beteiligten des Gefängnisaufstands in Êlih um Häftlinge, die – sollte die sogenannte Corona-Amnestie erlassen werden – von der Maßnahme ausgenommen werden. Die Gefangenen hatten aus Protest gegen den Gesetzentwurf ein Feuer gelegt, daraufhin fuhren Feuer, Krankenwagen und Sondereinsatzkommandos vor der Haftanstalt vor. Zahlreiche besorgte Angehörige von Gefangenen versammelten sich vor dem Gebäude, Videoaufnahmen zeigten den aufsteigenden Rauch. Anwälten wurde der Zutritt ins Gefängnis verweigert.
Nach der Löschung des Brandes wurden die Gefangenen von Sicherheitskräften mit Tränengas angegriffen. Das bestätigte auch die Anwaltskammer Batman. Laut Generalstaatsanwaltschaft soll dabei niemand verletzt worden sein. Prüfen lassen sich diese Angaben allerdings nicht, da auf Forderungen der Demokratischen Partei der Völker (HDP), den Gesundheitszustand der Gefangenen zu überprüfen, nicht reagiert wurde.