Mehmet Emin Özkan ist nach 27 Jahren Haft endlich freigelassen worden. Der vermutlich 85-Jährige befand sich seit 1996 unschuldig in türkischen Gefängnissen und ist schwer krank. Der Strafvollzug wurde aufgrund seines kritischen Gesundheitszustandes für drei Monate ausgesetzt. Wie seine Tochter Selma Özkan mitteilt, wurde der zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Kurde am 13. Juli ein weiteres Mal aufgrund akuten Gesundheitsprobleme aus dem Hochsicherheitsgefängnis Diyarbakır (ku. Amed) ins Krankenhaus eingeliefert. Die Familie erfuhr davon durch seine Mitgefangenen. Gestern kam er von der Intensivstation auf eine normale Station und wurde danach zurück ins Gefängnis gebracht. Als sein Sohn im Justizgebäude nach dem Arztbericht fragte, teilte ihm der zuständige Staatsanwalt mit, dass der Strafvollzug für drei Monate ausgesetzt wurde. Daraufhin fuhren die Angehörigen zum Gefängnis, um Özkan abzuholen.
Özkan wurde vor dem Gefängnis mit Applaus und Freudentrillern empfangen und konnte nur mit Unterstützung laufen. Seine Familie brachte ihn nach Hause.
Unschuld seit 2014 bekannt
Mehmet Emin Özkan ist im September 1996 als vermeintliches PKK-Mitglied wegen Mordes an dem türkischen Brigadegeneral Bahtiyar Aydın in Licê zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Justiz ist seine Unschuld spätestens seit 2014 bekannt. Zwei Zeugen hatten später angegeben, unter Folter Falschaussagen gemacht zu haben. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hatte in einem Urteil bestätigt, dass Özkans Recht auf einen fairen Prozess verletzt wurde. Daraufhin wurde das Verfahren in der Türkei neu aufgerollt.
Özkan ist im Gefängnis schwer erkrankt und war seit Jahren nicht mehr in der Lage, sich ohne Hilfe seiner Mitgefangenen selbst zu versorgen. Er wurde vom Menschenrechtsverein IHD in der Liste der „schwerkranken Gefangenen“ geführt. Seine Familie hat jahrelang für seine Freilassung gekämpft.
Hintergrund: Der Mord an Bahtiyar Aydın
Bahtiyar Aydın wurde am 22. Oktober 1993 wurde in Licê in der Provinz Amed erschossen. Die PKK wies eine Beteiligung an der Ermordung des Brigadegenerals zurück, die türkische Regierung beschuldigte die Guerilla. Einen Tag nach dem Mord verübte das türkische Militär einen Racheakt an der Bevölkerung von Licê. Sechzehn Menschen fielen einem Massaker zum Opfer, weitere 36 Personen wurden teils schwer verletzt. Insgesamt 402 Häuser und 285 Arbeitsstätten setzte das Militär in Brand, die Zahl der Vertriebenen ist noch immer unklar. Später kam heraus, dass Aydın von seinen eigenen Leuten erschossen worden war.
Fotos: MA