Die Kurdistantage 2022 fanden vom 6. bis zum 14. Oktober in Dresden statt. Nach mehreren Vorabevents gab es eine Woche lang unterschiedlichste Veranstaltungen. Geplant und durchgeführt wurde das Programm von einigen Dresdner Gruppen mit internationalistischem oder explizit kurdischem Bezug.
Es kamen über 200 Menschen über die Woche zusammen. Dabei lernten und diskutierten sie einzelne Schwerpunkte der kurdischen Freiheitsbewegung, wie zum Beispiel die Notwendigkeit der autonom feministischen Organisierung. Zudem gab es Veranstaltungen zum PKK-Verbot und seiner Entstehung, den Massakern in der Stadt Cizîr (tr. Cizre), aber auch die kurdische Kultur konnte näher kennengelernt werden. Eine Fotoausstellung zu Jinwar war ebenso Teil der Kurdistantage 2022. Den Abschluss bildete dabei die Demonstration am 14. Oktober unter dem Motto: „Für das Leben - Kurdistan verteidigen!“
Grundlagen der kurdischen Freiheitsbewegung
In einer Art Warm-Up gab es bereits zwei Veranstaltungen vor offiziellem Beginn der Kurdistantage. Mit einer „Küche für Alle“ inklusive Vortrag zu den Grundlagen der kurdischen Freiheitsbewegung wurde ein möglichst leichter Einstieg in die Thematik hergestellt. Am Samstagabend darauf lief die Verfilmung von Murat Türks Roman „Zeit der Brombeeren“ (englischer Titel: „Blackberry Season“) im Zentralkino Dresden und bot einen Einblick in das Leben des Guerillakämpfers Şervan in den Bergen Kurdistans. Dabei steht seine persönliche Geschichte, aber auch die Beziehung von ihm zu jeder einzelnen Person und vielen Tieren, denen er begegnet, im Fokus.
Der offizielle Beginn der Kurdistantage am 6. Oktober war inhaltlich gestaltet mit dem regelmäßig stattfindendem Offenen Kurdistan-Treff. Dort wurde eine politische Lageanalyse geteilt, um eine Basis zu schaffen, auf der sich gemeinsamer Austausch aufbauen kann. Eine Aktivistin der Kampagne „Women Defend Rojava“ und ein Mitglied der „Initiative für Frieden und Hoffnung in Kurdistan“ gaben dabei einen Überblick über die aktuelle Situation in den unterschiedlichen Teilen Kurdistans. Sie sprachen zudem über die Rolle Deutschlands und anderer internationaler Kräfte und deren Interessen in der Region, sowie deren ohrenbetäubendes Schweigen und auch offensichtliche Unterstützung der Türkei in Erdogans Angriffskriegen.
„Um das Heute zu verstehen, müssen wir verstehen, was gestern geschehen ist“
„Um das Heute zu verstehen, müssen wir verstehen, was gestern geschehen ist“ – Unter diesem Schlagwort folgte ein Vortrag zum Genozid an den Kurd:innen in seiner historischen Kontinuität bis heute. Die ehemalige HDP-Bürgermeisterin von Cizîr, Leyla Imret, berichtete eindrücklich von den Erfahrungen der Massaker in der Stadt im Zuge der Ausgangsperren 2015 und 2016. Zur heutigen Situation sprach die Referentin von einem „offenen Gefängnis“. Mit Nachrichten über weiterhin vermisste Personen und regelmäßigen Festnahmewellen beschrieb Imret die Lage, die noch viele weitere unterdrückerische Momente aufzeigt, wie das Verbot kurdischer Sprache im öffentlichen Raum.
„Jinwar versteht sich als Teil der Revolution in Rojava“
Am Sonntag wurde eine Fotoausstellung über Jinwar, dem Dorf der freien Frauen in Nordostsyrien, im Internationalistischen Zentrum im Zentralwerk eröffnet. Eingeleitet wurde die Eröffnung mit einem Vortrag über Jinwar. Der Name des Dorfes setzt sich zusammen aus Jin/Frau und War/Homeland, bedeutet also Ort oder Land der Frauen. Es ist ein Ort, der von Frauen aufgebaut wird, von ihnen gestaltet und belebt wird. Neben den Fotos gibt es kurze Texttafeln, auf denen die Frauen ihr Leben und ihre Arbeiten im Dorf vorstellen: „Jinwar versteht sich als Teil der Revolution in Rojava“.
Am nächsten Abend kamen 40 Menschen zusammen, um über die Organisierung von Frauen und Menschen weiterer unterdrückter Geschlechter zu sprechen. Ein Zitat einer Frau aus der kurdischen Frauenbewegung prägte den Abend: „Wenn wir uns nicht für uns selbst einsetzen, wer wird es dann tun?“
Am Dienstagabend schilderte der Rechtsanwalt Lukas Theune im Rahmen des Vortrags „Ein juristisches Minenfeld“ die rechtliche Seite des PKK-Verbots in Deutschland. Im Anschluss sprach eine Person darüber, was das Verbot der PKK und die damit einhergehende Kriminalisierung für Kurd:innen und ihr Leben hierzulande bedeutet.
Fazit: Errungenschaften der kurdischen Freiheitsbewegung gefeiert
In der vorletzten Veranstaltung der Kurdistantage 2022 wurde das neu erschienene Buch „Verändern wollte ich eine Menge - Aus dem Leben der Internationalistin Ellen Stêrk” vorgestellt. Zwei Freundinnen, die an der Herausgabe des Buches beteiligt waren, erzählten über den Prozess des Entstehens, aber vor allem sehr viel über Ellens Leben und ihren Kampf.
Donnerstagabend fand dann die letzte inhaltliche Veranstaltung statt. Thematisch ging es diesmal um ökologische Kämpfe und den demokratischen Konföderalismus. Zwei Aktivist:innen der Initiative Demokratischer Konföderalismus (IDK) gaben dabei einen Input zur ökologische Krise. „Ökologische Krise, das meint nicht nur Klimakrise, sondern damit ist auch unsere Entfremdung von der Natur und der Ökozid, also die systematische Zerstörung der Natur übermäßig vom globalen Norden ausgehend mit sichtlich verheerenden Folgen im globalen Süden, gemeint.“
Mit der abschließenden Demonstration, die unter dem Motto „Für das Leben - Kurdistan verteidigen!“ am Freitag stattfand, gingen die diesjährigen Kurdistantage in Dresden zu Ende. Mit über 100 Teilnehmenden wurden die Errungenschaften der kurdischen Freiheitsbewegung gefeiert.
Weitere Veranstaltung rund um Kurdistan
Doch nicht alle Programmpunkte der Kurdistantage 2022 sind bereits vorbei. Die Jinwar-Ausstellung kann weiterhin im Internationalistischen Zentrum im Zentralwerk (Riesaer Straße 32) besucht werden. Anschließend daran gibt es auch die Möglichkeit weitere Veranstaltungen zu besuchen, wie beispielsweise den monatlich stattfindenden Offenen Kurdistan-Treff. Beim nächsten Mal lädt die Kampagne Women Defend Rojava am 3. November ab 18 Uhr im Verein deutsch-kurdischer Begegnung auf der Oschatzer Straße 26 zu einem offenen Treffen ein.
Zudem lädt Women Defend Rojava Dresden gemeinsam mit dem Ökumenischem Informationszentrum und den Sächsischen Entwicklungspolitischen Bildungstagen am 15. November um 19 Uhr ins Stadtteilhaus EMMERS in Pieschen zu einer Diskussionsveranstaltung mit der Vertretung der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien ein.