Als die nordsyrischen Städte Minbic (Manbij) Kobanê und Raqqa durch die kurdischen Einheiten der YPG befreit wurden, war einerseits die Erleichterung und Freude über die Befreiung von dem terroristischen Regime des IS groß, andererseits teilten viele die Hoffnung auf eine freie und egalitäre Gesellschaft in den kurdischen Gebieten Nordsyriens, in Rojava, wo der Aufbau einer neuen Gesellschaft und neuer Strukturen unter Einbeziehung aller dort lebenden Bevölkerungsgruppen begann. Vor allem wurde Wert auf die absolute Gleichstellung der Frauen gelegt, die einen großen Anteil im Kampf gegen den IS hatten. Leider ist dieser demokratische Prozess inzwischen wieder bedroht, so dass sich die sozialmedizinische Hilfsorganisation „Medico International“ im Sommer in einem Aufruf an die Öffentlichkeit wandte, um vor einer Aggression gegen das befreite Rojava zu warnen.
In der diesjährigen Kurdischen Filmwoche soll deshalb der Schwerpunkt auf Rojava gelegt werden. Dem Frankfurter Publikum werden Filme der Filmkommune Rojava präsentiert, die einerseits von der Situation, der Geschichte, der Kultur und dem Leben in diesem Gebiet erzählen und andererseits die entstehende Filmkultur selbst zum Thema haben. Önder Cakar, Regisseur und Drehbuchautor von der Filmkommune Rojava, wird am 11. und 12. Oktober das Publikum der kurdischen Filmwoche begrüßen. Der Filmemacher stammt aus der Türkei, war mit der kurdischen Revolutionärin Sakine Cansiz zusammen im Gefängnis, hat den Gezi-Aufstand in Istanbul miterlebt und wurde im Kampf um Kobanê schwer verletzt.
Ergänzend werden auch die Filme Biryareke Zor (Hässliches Entlein), Hewno Bêreng (Farbloser Traum), Reseba (Der dunkle Wind) und Commander Arian (Kommandandin Arian) gezeigt.
Die Filmwoche findet in Zusammenarbeit dem Kurdischen Frauenrat in Frankfurt (Amara) statt. Zur Eröffnung wird es am 10. Oktober im Foyer des Filmforums kurdische Musik und ein kurdisches Buffet geben.
Programm:
Kommandantin Arian
Alba Sotorras kraftvolle Dokumentation über Emanzipation und Freiheit führt uns an die Front des Syrienkrieges, wo die 30-jährige Kommandantin Arian ein Frauen-Bataillon Richtung Kobanê führt, um dort die Bevölkerung aus dem Griff des IS zu befreien. Als der Krieg in Syrien ausbrach, gründeten Frauen aus dem kurdischen Widerstand die YPJ-Frauenverteidigungseinheiten. Arian, die in jungen Jahren erleben musste, wie schändlich Opfer sexueller Übergriffe behandelt wurden, führt die Einheit an und widmet ihr Leben dem Kampf gegen den IS. Als die YPJ sich ihrem Ziel nähern, versucht sie ihre Genossinnen über die wahre Bedeutung ihres Kampfes aufzuklären: die Freiheit für die nächste Generation von Frauen.
Hewno Bêreng - Renksiz Rüya - Farbloser Traum
Der Film Hewno Bêreng handelt von der Geschichte eines kleinen Jungen und seiner Begegnung mit dem Gast Mir Ahmed. Mirza ist ein prototypisches Kind der kurdischen Gesellschaft von 1990 bis heute. Umgeben von den dunklen politischen Ereignissen in den kurdischen Städten der Türkei in den 1990er Jahren, kann Mirza nicht von den verheerenden Ereignissen entkommen. Nach dem Tod seiner Mutter ist Mirza von tiefem Elend betroffen und entwickelt sich zu einem introvertierten Kind, das sich jedoch mit der Ankunft eines besonderen Gastes namens Mir Ahmed verändert.
Biryareke Zor – Hässliches Entlein
Eylem lebt in Hakkâri (Colemêrg), im Osten der Türkei und arbeitet in einer Teppichwerkstatt. Sie spart Geld, um sich ihre Nase, die sie sehr hässlich findet, ästhetisch operieren zu lassen. Doch in ihrem Umfeld sind viele Menschen, die auch Geld brauchen. So wie ihr großer Bruder, der mit dem Vater zerstritten ist und zur Guerilla in die Berge gegangen ist, oder ihre Freundin, die zwangsverheiratet werden soll. Eylem steht vor einer schwierigen Entscheidung.…
Reşeba
Reko (33) und Pero (23) sind ein junges jesidisches Liebespaar. Kurz nach ihrer Verlobungsfeier am heiligen Ort Lalesh, greifen Anhänger des Islamischen Staats (IS) ihr Dorf in der kurdischen Sindschar - Region an. Reko ist zum Zeitpunkt des Angriffs nicht im Dorf, sondern arbeitet als Si¬cherheitskraft bei einer amerikanischen Ölfirma. Einige der Dorfbewohner können sich in die Berge flüchten. Andere schaffen es nicht rechtzeitig zu fliehen. Die IS-Kämpfer trennen die Männer von den Frauen und Kindern und verkaufen die hübschen jungen jesidischen Mädchen auf dem Sklavenmarkt, darunter auch Pero. Während Reko’s und Pero’s Familie Unterschlupf in einem Flüchtlingslager finden, sucht Reko verzweifelt nach Pero. Seine Suche führt ihn bis nach Syrien, wo er seine Verlobte letztendlich mit Hilfe kurdischer Kämpferinnen finden kann. Die junge Frau und ihre Familie können sich in dem Flüchtlingslager im irakischen Kurdistan wieder vereinen. Doch Pero’s Trauma sitzt tief und sie wird stets von dem Erlebten verfolgt…
Filme der Filmkommune Rojava
Die Filmkommune Rojava in Kobanê bildet Drehbuchautor*innen und Filmemacher*innen aus. Gegründet im Jahr 2015, ist ihr Ziel, ein populäres Kino zu schaffen, in dem sich die Menschen aus den verschiedenen Regionen ihre Geschichten einander erzählen. Neben dem kulturellen Austausch liegt ein weiterer Fokus auf der Perspektive der Frauen und der Unterdrückten. Kurdisch, das jahrzehntelang in Syrien verboten war, wird erstmalig zur Kinosprache. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Geschichten der Revolution, dem Kampf der Frauen, den Geschichten der Unterdrückung und des Aufbegehrens. Aber auch persönliche Erfahrungen und Konflikte werden erzählt.
Ciroken Bajare weranbuye - Geschichten von zerstörten Städten
Die Kurden nennen das kurdisch besiedelte Gebiet in Syrien Rojava oder „Der Westen“. Der Ort an dem die Sonne Kurdistans untergeht: der Norden Syriens. In Rojava befindet sich der Schauplatz des grausamsten Krieges unserer Zeit. Ein mit Blut übergossenes Land, gezeichnet von Massenvergewaltigungen und Massenmorden, verantwortet durch die Terrormiliz Islamischer Staat.
Aus drei zerstörten Städten erzählen drei Geschichten vom brutalen Krieg und wie er nicht nur Städte, sondern auch die Menschen zerstört. Sinjar, Kobanê und Jazaa bilden den Hintergrund des Films, der das Ausmaß des Krieges zeigt. Derzeit befinden sich die Städte im Wiederaufbau. Die Bewohner wollen den zukünftigen Generationen ein anderes, ein besseres Rojava bieten.
Die Filmemacher erkunden Parallelen zwischen Fiktion und Realität. Ihre Erzählungen basieren auf den Worten derer, die die Schrecken tatsächlich erlebt haben. Geschichten von zerstörten Städten ist der erste Spielfilm in kurdischer Sprache, der von der Filmkommune Rojava realisiert wurde, die nach der Revolution durch einen Zusammenschluss von Künstler*innen gegründet wurde.
Kera kor - Das stumpfe Messer
Der Film beschreibt den Alltag einer älteren Frau in der Stadt Dêrik in Rojava, die jeden Morgen in aller Frühe aufsteht, um Fett zu sammeln und damit ihre Familie zu ernähren.
Darê bitenê - Einsame Bäume (Dengbêj)
Der Dokumentarfilm erkundet die Wurzeln und das Erbe der regionalen Sängerinnen und Sänger, der Poeten und Geschichtenerzähler, die auch als Dengbêj bekannt sind. Durch Musik und Landschaftsaufnahmen sollen Kunst, Leben und die kulturelle Vielfalt Rojavas gezeigt werden. Eine neue Generation von Geschichtenerzähler*innen aus der Filmkommune Rojava würdigt diejenigen Frauen und Männer, die die Geschichten der Menschen in Rojava in ihren arabischen, kurdischen und assyrischen Liedern lebendig werden lassen.
Kurzfilme der Studierenden der Kommune
- Deng, 15 Min.
- Dervis, 25 Min.
- Berx, 6 Min.
- Mazi, 4. Min
Kurzfilme der Erstsemester der Filmkommune
12 x 1 zeigt, wie die Studierenden der Filmkommune ihre Filme produzieren und ermöglicht so einen Blick hinter die Kulissen der ersten Kunstakademie in Rojava.