Ezidisches Totengedenken in Armenien

In der westarmenischen Stadt Armawir hat die ezidische Gemeinde ihrer Toten gedacht. Religiöse Gelehrte rezitierten Qewls, die Frauen sangen Klagelieder.

Wie an jedem 20. September kam auch in diesem Jahr die ezidische Community in der westarmenischen Stadt Armawir zu einem kollektiven Totengedenken zusammen. An der Veranstaltung vor zwei Tagen nahmen außerdem die Bewohner*innen des kurdisch-ezidischen Dorfes Aygeshat sowie nach Russland abgewanderte Ezid*innen teil.

Die Gemeinde gedachte zunächst auf dem Friedhof im Ort ihrer Toten. Religiöse Gelehrte sprachen Gebete und rezitierten Qewls. Die Qewls sind ähnlich wie Gedichte lyrisch verfasst und verstärken vor allem den Effekt des Erinnerns. Die anwesenden Frauen sangen ezidische Klagelieder. Nach dem Besuch auf dem Friedhof richtete die Community einen Leichenschmaus aus.

Gegenüber unserer Agentur erklärte Rostem Hasoyan aus dem Rat des Kurdistan-Komitees in Armawir: „Dieses gemeinsame Essen findet nicht nur im Gedenken an die hier begrabenen Menschen statt. Wir erinnern damit auch an unsere Toten in Şengal, Kobanê und Efrîn und gedenken derjenigen, die aus den Bergen herbeieilten und den totalen Genozid in Şengal verhinderten und bei der Befreiung unserer Heimat ihr Leben ließen.

Der IS hat in Şengal ein großes Massaker angerichtet. Er hat Frauen und junge Mädchen entführt und Kinder getötet. Die Kurden aber behandeln die 70.000 gefangenen IS-Mitglieder so, wie es unsere menschlichen Werte von uns erwarten und erfüllen ihre Bedürfnisse. Dies zeigt, wie sehr uns diese Werte am Herzen liegen.

Solange wir eine Einheit bilden und solidarisch miteinander umgehen, kann uns der Feind nichts anhaben. Gerade deshalb ist es von großer Bedeutung, die Einheit zu erzielen. Jede Person sollte seiner Verantwortung gerecht werden.“

In den 1830er Jahren kamen nach dem Ende des Russisch-Türkischen Krieges 1828/29 die ersten Eziden aus Nordkurdistan in das zum Russischen Kaiserreich gehörende Ostarmenien. 1855 wurden etwa 340 Eziden in Armawir gezählt. Mehrere Tausend anatolische Eziden wurden Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem in der Provinz Schirak angesiedelt. 1912 lebten über 17.000 Eziden im Gebiet des heutigen Armenien. Bei der Volkszählung 2001 lag ihre Zahl bei 40.000. Sie stellten 2011 mit einem Anteil von 1,1 Prozent an der Gesamtbevölkerung die größte Minderheit des Landes. Ihr kulturelles Zentrum in der Provinz Aragazotn war in der sowjetischen Zeit das Dorf Elegez (Alagyaz).