Ein bewegtes Leben in packenden Bildern

Die Erzählform der Graphic Novel eignet sich hervorragend, um die spannende Lebensgeschichte von Abdullah Öcalan zu transportieren und gleichzeitig viele der Ideen des kurdischen Vordenkers zu illustrieren.

Rezension zu „Abdullah Öcalan – Eine illustrierte Biografie“

Nachdem Abdullah Öcalan mittlerweile 25 Jahre hinter Gefängnismauern isoliert ist, vergisst man beinahe, was für ein bewegtes Leben er bis heute geführt hat. Sein Leben und Kampf sind nun als Graphic Novel erschienen. Am 4. April, Öcalans 75. Geburtstag, wurde die Neuerscheinung auf Deutsch, Kurdisch und Türkisch in Berlin vorgestellt.

In der Rahmenhandlung der Graphic Novel recherchiert die Studentin Louise in London für einen Artikel der Unizeitung über Öcalan und die kurdische Frage. Estella, die seit langer Zeit in der Kurdistan-Solidaritätsbewegung aktiv ist, hilft ihr und erzählt von Öcalan und dem Befreiungskampf des kurdischen Volkes. Die Leser:innen werden so durch verschiedene Episoden geführt, angefangen mit der Kindheit und Konflikten mit anderen Kindern über erste Repressionserfahrungen in der Schule, seine Politisierung in Istanbul und Ankara und die Gründung der PKK sowie politische Initiativen für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage. Die Handlung bleibt im ersten Teil nahe an Öcalan, aber auch beispielsweise der Gefängniswiderstand in der „Hölle Nr. 5“, dem Militärgefängnis in Amed, und der Guerillakampf einschließlich seiner Probleme werden lebendig. Der erste Teil bis zu Öcalans Verschleppung und dem Todesurteil gegen ihn wird so chronologisch erzählt.

Der zweite Teil der Geschichte, wieder eingebettet in eine Rahmenhandlung in London, arbeitet mit Zeitsprüngen und illustriert anhand der Revolution in Rojava wesentliche Ereignisse in Kurdistan nach 1999. Dazu gehören die Gespräche des türkischen Staates mit Öcalan genauso wie die zahlreichen Proteste mit der Forderung nach seiner Freilassung. Die letzten Seiten fordern die Menschen, besonders in Europa, zum Handeln auf und versichern: „Dies ist nicht das Ende …“.

Seán Michael Wilson mit der türkischen Ausgabe in Berlin (c) YÖP

Die Geschichte ist überwiegend packend erzählt, und Kekos lebendige Zeichnungen harmonieren perfekt mit Wilsons Szenario. Der zweite Teil ist, abgesehen vom Kampf gegen den Islamischen Staat, etwas textlastig geraten. Offenbar lag dem Autor eine ausführliche Erklärung der Ideen des demokratischen Konföderalismus am Herzen, was den Erzählfluss manchmal etwas hemmt. Auch haben sich leider ein paar Fehler eingeschlichen.

Insgesamt ist allerdings nicht viel an dem Band auszusetzen. Die Erzählform der Graphic Novel eignet sich hervorragend, um die spannende Geschichte zu transportieren und gleichzeitig viele der Ideen des kurdischen Vordenkers zu illustrieren. Als Einstieg in Öcalans Biografie und die komplexe Geschichte des kurdischen Freiheitskampfes ist das Buch jungen genau wie älteren Leser:innen unbedingt zu empfehlen.

Seán Michael Wilson (Szenario), Keko (Zeichnungen): „Abdullah Öcalan – Eine illustrierte Biografie“ erschienen im UNRAST-Verlag, 160 S., 16,8×24 cm, 18 €