„Alibi-Vertreter“ des syrischen Volkes
Dutzende politische Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen in Syrien distanzieren sich von der in Damaskus stattfindenden „Konferenz des nationalen Dialogs“, zu der weder die Selbstverwaltung noch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) eingeladen sind. In einer gemeinsamen Erklärung kritisieren sie die Auswahl der Teilnehmenden als nicht repräsentativ für die Weichenstellung eines vielfältigen Syriens für alle. „Sie bestehen nur aus einer politischen Farbe und spiegeln nicht die ethnische und religiöse Vielfalt des Landes wider“, heißt es in der Erklärung. Auch das Vorbereitungskomitee der Konferenz sei „einseitig“ zusammengesetzt.
Dialog ist nicht inklusiv und besitzt keine Legitimität
Das gemeinsame Positionspapier wurde von 35 kurdischen, arabischen und christlichen Organisationen unterzeichnet, darunter die PYD, die Zukunftspartei Syriens, der Frauendachverband Kongra Star, die Assyrische Einheitspartei und die Syrische Reformpartei. Sie betonen, „dass ein echter nationaler Dialog inklusiv sein und Vertreter aller politischen Blöcke, Parteien, gesellschaftlichen Kräfte und zivilgesellschaftlicher Organisationen zusammenbringen muss, um sinnvolle Diskussionen zu gewährleisten. Andernfalls besitzen weder solch eine Konferenz noch ihre Ergebnisse Legitimität“.
Diskussionen über politischen Übergang, neue Verfassung und Reformen
Die Konferenz, die gestern mit der Begrüßung der Teilnehmenden begann und heute mit Diskussionen fortgesetzt wird, bei denen es nach Angaben des Vorbereitungskomitees um die Justiz in der Zeit des politischen Übergangs, eine neue Verfassung sowie Reformen von Institutionen und der Wirtschaft, aber auch „öffentliche und individuellen Freiheiten“ sowie die „politische Freiheit“ gehen soll, finde nicht „unter dem Vorzeichen der Inklusion“ statt. „Es gibt berechtigte Zweifel über die im Vorfeld betonte Inklusivität, da durch die vom ernannten Ausschuss ausgewählten Teilnehmenden keine echte Vertretung aller Syrerinnen und Syrer gewährleistet ist.“
Das von der Übergangsregierung eingesetzte Komitee betreibe Exklusion und habe „Alibi-Vertreter“ zu einer nationalen Dialogkonferenz geladen, um gewisse Kreise zu beschwichtigen und sich selbst zu legitimieren, heißt es weiter in der Erklärung. „Das ist nichts anderes als eine Fortsetzung der manipulativen Taktiken des früheren syrischen Regimes. Ein solches Vorgehen trägt nicht dazu bei, die Zukunft Syriens so zu gestalten, wie es sich das syrische Volk wünscht“, kritisieren die Parteien, zu denen auch der Kurdistan Nationalkongress (KNK) und die PDK-S gehören.
In Ländern mit ähnlichen Krisen würden Lösungen „durch wirklich nationale Versammlungen erreicht, die Vertreter aller Gemeinschaften und politischen Kräfte, einschließlich derjenigen, die die ethnische und konfessionelle Vielfalt des Landes repräsentieren, zusammenbringen. Bei diesen Treffen werden Verfassungsgrundsätze festgelegt, die die Rechte aller Gruppen schützen, und anschließend eine breit angelegte nationale Konferenz abgehalten, die von der Öffentlichkeit gebilligt wird. Das Vorgehen der Übergangsregierung steht nicht im Einklang mit diesen Grundsätzen.
„Konferenzen mit Alibi-Vertretern sind bedeutungslos“
Als die unterzeichnenden politischen und gesellschaftlichen Kräfte bekräftigen wir, dass eine echte nationale Dialogkonferenz inklusiv sein und Vertreter aller Komponenten, politischen Blöcke, aktiven Parteien sowie zivilen und gesellschaftlichen Organisationen einbeziehen muss. Nur auf diese Weise kann ein sinnvoller und wirksamer Dialog stattfinden, der den Willen des syrischen Volkes widerspiegelt. Konferenzen mit Alibi-Vertretern, die die wahre Vielfalt Syriens nicht widerspiegeln, sind bedeutungslos, entbehren der Legitimität und werden nicht dazu beitragen, die Krise des Landes auf sinnvolle Weise zu lösen.“
Neue Regierung ab 1. März
Die Dschihadistenallianz „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) und mit ihr verbündete Gruppen hatten im Dezember den langjährigen syrischen Machthaber Baschar al-Assad gestürzt und die Macht übernommen. Eine Interimsregierung unter dem HTS-Anführer Abu Mohammed al-Dscholani, der sich inzwischen mit seinem bürgerlichen Namen Ahmed al-Scharaa ansprechen lässt, soll bis Anfang März die Regierungsgeschäfte führen. Anschließend soll eine neue Regierung antreten.