Axîn Cûdi, Dilovan Avzem, Zozan Rûken und Avzem Cûdî
Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben die Identität von vier ihrer Mitglieder veröffentlicht, die bei einem Angriff des türkischen Staates Ende Oktober in der Heftanîn-Region in Südkurdistan ums Leben gekommen sind. Bei den Gefallenen handelt es sich demnach um die Guerillakommandantin Axîn Cûdî sowie die Kämpfer:innen Dilovan Avzem, Zozan Rûken und Avzem Cûdî. Die HPG würdigten sie in einem Nachruf als „kompromisslose Verteidiger:innen die Philosophie eines freien Lebens“ und sprachen den Angehörigen sowie der kurdischen Bevölkerung ihr Mitgefühl aus. Zur Biografie der Gefallenen wurden folgende Angaben gemacht:
 |
Codename: Axîn Cûdî
Vor- und Nachname: Halime Kaya
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Besna – Mahmut
Todestag und -ort: 29. Oktober 2024 / Heftanîn
|
 |
Codename: Dilovan Avzem
Vor- und Nachname: Mehmet İnan Mintaş
Geburtsort: Amed
Namen von Mutter und Vater: Halime – Adil
Todestag und -ort: 29. Oktober 2024 / Heftanîn
|
 |
Codename: Zozan Rûken
Vor- und Nachname: Çiğdem Kurt
Geburtsort: Colemêrg
Namen von Mutter und Vater: Feyruz – Süleyman
Todestag und -ort: 29. Oktober 2024 / Heftanîn
|
 |
Codename: Avzem Cûdî
Vor- und Nachname: Azime Kabul
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Feyruz – Şehmus
Todestag und -ort: 29. Oktober 2024 / Heftanîn
|
Axîn Cûdî
Axîn Cûdî wurde in Qilaban (tr. Uludere) in der nordkurdischen Provinz Şirnex (Şırnak) als Tochter einer dem Goyî-Stamm angehörenden Familie geboren. Als Kind erlebte sie die in den 1990er Jahren wütende „Politik der verbrannten Erde“, während der rund 4.000 kurdische Dörfer vom türkischen Militär zerstört oder geräumt und tausende Menschen vertrieben wurden. 1994 erreichte diese Praxis mit der Einführung des sogenannten Dorfschützer-Systems ihren Höhepunkt. Wer die Kollaboration mit dem Staat ablehnte, musste seine Heimat verlassen – oder sterben.
Etwa 7.000 Menschen flohen nach einem Massaker durch die türkische Luftwaffe im März 1994 nach Südkurdistan, darunter auch Axîn Cûdî und ihre Familie. Der Exodus führte die Menschen zu Fuß über die Grenze. Nach einer mehrjährigen Odyssee ließen sich die meisten Vertriebenen 1998 unter schwierigen Bedingungen im Mexmûr-Tal nieder und gründeten das gleichnamige Flüchtlingslager. Dort blieb Axîn Cûdî bis zu Beginn der Nullerjahre. Unter dem Eindruck des Verlustes ihres Bruders Ramazan Kaya, der sich 1989 in Şirnex der Guerilla angeschlossen hatte und 1998 ums Leben kam, ging sie selbst in die Berge.
Die ersten Jahre bei der Guerilla vebrachte die Kommandantin in den Regionen Qendîl, Xakurke und Zagros. 2006 wechselte sie für längere Zeit in den akademischen Bereich und anschließend nach Heftanîn, wo sie für die Ausbildung neuer Kämpferinnen und Kämpfer im Einsatz war. 2015 zog sie zwischenzeitlich an die Fronten gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), kehrte aber nach einer Eskalation des Krieges der Türkei gegen die kurdische Bewegung zurück in die Medya-Verteidigungsgebiete. So kämpfte sie unter anderem in Xakurke, Cîlo und Avaşîn und war dort an nahezu allen Offensiven gegen türkische Besatzungsbestrebungen beteiligt. Seit 2021 leitete sie Guerillaoperationen in Südkurdistan als Kommandantin an.
Dilovan Avzem
Dilovan Avzem stammte aus Pasûr bei Amed (Diyarbakır) und wuchs in einem dem kurdischen Befreiungskampf nahestehenden Umfeld auf. Wegen dieser Nähe geriet seine Familie in den Fokus des türkischen Staates, sein Vater Adıl Mintaş wurde 1993 Opfer einer extralegalen Hinrichtung. Dieses Ereignis und die systematische Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung prägten entscheidend die politische und soziale Entwicklung Dilovan Avzems. 2009 missglückte sein erster Versuch, sich der Guerilla anzuschließen. 2013 versuchte er es erneut und erreichte in Amed die Berge. Hier blieb er die ersten Jahre und sammelte praktische und ideologische Erfahrungen, ehe er 2015 in die Medya-Verteidigungsgebiete wechselte. Bis zu seinem Tod war er in verschiedenen Gebieten der Heftanîn-Region am Widerstand gegen die Besatzung beteiligt.
Zozan Rûken
Zozan Rûken wurde in Colemêrg (Hakkari) geboren. Ihre Familie ist patriotisch und gehört dem Stamm der Marînos an. Die PKK lernte sie früh als kennen; ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in einer Zeit der Volksaufstände, bei denen sie nicht nur dem Widerstand in Kurdistan begegnete, sondern auch der Realität des Staates. Sie schloss sich 2009 als junge Frau in Botan der Guerilla an und ging später nach Südkurdistan. Dort beteiligte sie sich unter anderem an der Verteidigung der ezidischen Bevölkerung in Şengal. Die Region war im August 2014 vom sogenannten IS überrannt und zum Ziel eines Völkermordes geworden: etwa 10.000 Menschen wurden ermordet, rund 7.000 verschleppt und 400.000 aus ihrer Heimat vertrieben. Zozan Rûken beteiligte sich nicht nur am bewaffneten Kampf gegen den IS, sondern half den Ezid:innen Şengals beim Aufbau ihrer eigenen Selbstverteidigungsstrukturen.
Avzem Cûdî
Avzem Cûdî stammte ebenfalls aus Şirnex und wuchs in einem mit dem kurdischen Widerstand tief verwurzelten Elternhaus auf. Früh in ihrem Zuhause politisiert und mit der unterdrückerischen Realität des türkischen Staates konfrontiert, entwickelte sie schon als junge Heranwachsende den Wunsch, sich in die Befreiungsbewegung Kurdistans einzubringen. 2015, als auf die Proklamierung der Selbstverwaltung in einer Reihe kurdischer Städte eine Militärbelagerung folgte, in deren Verlauf ganze Gemeinden dem Erdboden gleichgemacht und hunderte Menschen vom türkischen Militär ermordet wurden, ging Avzem Cûdî zur Guerilla. Sie schloss sich in den Medya-Verteidigungsgebieten dem Kampf an und verbrachte die letzten Jahre in der Heftanîn-Region.