Aufgrund der Umstände wegen des neuartigen Coronavirus, der das öffentliche Leben in vielen Ländern größtenteils lahmlegt und Menschen in die häusliche Isolation zwingt, entscheiden sich immer mehr Filmemacher*innen, ihre Werke online zur Verfügung zu stellen. So auch der Journalist Metin Yoksu, der seinen Dokumentarfilm „Siya Avê“ (Der Schatten des Wassers) kostenlos auf das Videoportal YouTube gestellt hat. Der Film erzählt die Geschichte zweier Frauen, deren Dorf im Tigris-Tal in Heskîf (türk. Hasankeyf) lag und durch den Ilisu-Staudamm überflutet wurde. Eine der Frauen ist die Mutter des Journalisten.
Der Ilisu-Staudamm, der seit den 50er Jahren in Planung war und vor einer Woche in Betrieb genommen wurde, ist hochumstritten – unter anderem, weil neben dem Tigris-Tal auch die Kulturstätte Heskîf geflutet wurde. Nach Angaben der „Initiative zur Rettung von Hasankeyf“ stehen inzwischen über 80 Prozent der zwölftausend Jahre alten antiken Stadt unter Wasser, mehr als 80.000 Bewohnerinnen und Bewohner wurden aus ihrer angestammten Heimat vertrieben. Wie viele Tierarten aussterben werden, weiß noch niemand, denn die Ergebnisse biologischer Untersuchungen wurden nicht abgeschlossen und bereits vorliegende Ergebnisse werden der Öffentlichkeit vorenthalten. Die Leopardenbarbe oder die Euphrat-Weichschildkröte dürften aussterben und mit ihnen viele andere. Auch etliche Pflanzenarten werden verschwinden.
Idee zum Film entstand nach Klagelied
Die Dreharbeiten für „Siya Avê“, der von der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) produziert wurde, begannen im August 2019 und dauerten etwa drei Monate. Wie die Idee dazu entstand, erklärte Metin Yoksu mit den Worten: „Das Dorf Ewtê, in dem meine Mutter aufgewachsen ist, gehört zu den vom Ilisu-Staudamm überfluteten Dörfern in Hasankeyf. Als meine Mutter Firyaz Yoksu das erfahren hat, hat sie aus Trauer ein kurdisches Klagelied (kurdisch: şîn) gesungen. Später erfuhr ich, dass eine andere Frau namens Habibe Saçık, die ebenso ihre Kindheit im selben Dorf verbracht hat, auch ein Klagelied gesungen hat. So begann die Idee, diesen sowohl traurigen als auch interessanten Zufall zu thematisieren. Meine Mutter sagte mir, dass sie vor dem Überfluten ihr Dorf zum letzten Mal sehen wollte; so begannen die Dreharbeiten für Siya Avê.“
Mitte Februar feierte der Dokumentarfilm seine Premiere in Êlih (Batman), nach weiteren Vorführungen in Sêrt (Siirt) mussten jedoch alle Termine vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Die Journalistin Dilan Karacadağ führte für das Lower Class Magazine ein Interview mit Regisseur Metin Yoksu, das an dieser Stelle abgerufen werden kann. Der Film ist unter folgendem Link zu sehen: