Ausstellungseröffnung „Mobile Welten“ in Hamburg

Im Museum für Kunst und Gewerbe wurde die Ausstellung „Mobile Welten oder das Museum unserer transkulturellen Gegenwart“ eröffnet. Ein Teilbereich widmet sich dem Projekt „Amargî“, welches von der Rojava-Arbeitsgruppe erarbeitet wurde.

Die eurozentrische Ordnung westlicher Museen in Frage zu stellen und dabei das Museum auch als Ort zu begreifen, wo gesellschaftliche Veränderungen ermöglicht werden können – diese Ansprüchen stecken in der Konzeption der Ausstellung, die nach dreijähriger Forschungsarbeit eröffnet wurde. Das Ziel der Ausstellung ist es, eindimensionale museale Kategorien wie nationale Zugehörigkeit oder Epochen zu hinterfragen und anhand von transkulturellen Ausstellungsobjekten die Geschichten zu erzählen, die tatsächlich hinter diesen stecken.

Die Dinge, die gezeigt werden, entstammen dem transkulturellen Raum, der sich aufgrund der globalen Verflechtungen kontinuierlich (neu) konstituiert. Denn die Mobilität von Menschen und Gegenständen, ob freiwillig oder erzwungen, wirkt sich auf Kunst und Kultur ebenso wie auf die Neuformierung von Alltagsgegenständen aus.

Die Ausstellung ist in 15 Abteilungen aufgeteilt, die sich jeweils aus einem Arbeitsprozess ergeben haben. Die Eigenheiten der Sammlung des Museums werden hierbei ebenso sichtbar wie die jeweiligen Vorlieben der unterschiedlichen Projektgruppen.

Im Zuge der Recherche für mögliche Teilprojekte lud das Projektteam der „Mobile Welten“ den Frauenrat Rojbin aus Hamburg, die Stiftung der freien Frau aus Rojava und dem Jineologî Center aus Brüssel zu einem Diskussionsprozess ein. Die Begegnung mit der Jineologî zugrundeliegenden Wissenschaftskritik und der Öffnung für eine alternative Herangehensweise an Wissen, Geschichte und Gesellschaft traf sich konstruktiv mit dem kritischen Blick der Projektgruppe in Bezug auf den häufigen Mangel von kritischer Forschung wie Genderstudies, postkoloniale Studien und Selbstreflektion von Forscher*innen im Rechercheprozess. Das Resultat der Arbeitsgruppe mündet im Projekt „Amargî“.

„Amargî“ beschäftigt sich mit der Region Rojava, ihrer Geschichte und Gegenwart und den deutsch-kolonialen Verstrickungen. Die Auseinandersetzung mit der emanzipatorischen kurdischen Frauenbewegung und der kulturellen Vielfalt in der Region einerseits und die Erkennung der historischen Wurzeln in den Ausgrabungsstätten wie in Til Xelef und Ain Dara andererseits, ermöglichte auf neue und kreative Art und Weise überraschende (historische) Verbindungen und Entwicklungen aufzuzeigen. So ist erstmalig ein Einblick in die gesellschaftliche Situation der Kurd*innen in Nordsyrien in einem etablierten deutschen Museumskontext gegeben.

Im Zentrum der Abteilung „Amargî“ steht die „Thronende Göttin“, eine monumentale Statue einer sitzenden Frau aus aramäischer Zeit. Mithilfe der Frau wird die Geschichte der Frauen aus Nordsyrien erzählt; einer Geschichte, die – bislang – nicht geschrieben, aber gelebt wurde und bis in die heutigen Kämpfe von Frauen weiterlebt. Heute erkämpfen sich Frauen in der demokratischen Föderation Nordsyrien und Rojava Schritt für Schritt ihre eigene Geschichte, ihr Selbstbewusstsein und ihre Freiheit zurück. Die Statue selbst ist ein Abbild des Originals, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Max von Oppenheim in Til Xelef ausgegraben und nach Deutschland gebracht, dort jedoch während des 2. Weltkrieges schwer beschädigt wurde. Sie ist also auch eine Zeugin der Geschichte der westlichen und imperialen Raubkunst.

„Mobile Welten“ fordern die Besucher*innen dazu auf, sich mit der eigenen Erwartungshaltung auseinanderzusetzen. Zum einen wird der Objektivitätsanspruch, den die Wissenschaft immer noch beansprucht, in Frage gestellt, indem imperialistische Expansion und Kolonialismus thematisiert werden. Die Institution Museum als Ort der Reproduktion dieses Anspruches soll kritisch hinterfragt werden. Zum anderen lässt sich die Ausstellung assoziativ erkunden, unendlich vielen Narrativen lässt sich folgen. Die Ausstellung regt dazu an, sich auch auf diese einzulassen, sich überraschen zu lassen und dem eigenen Erkenntnisinteresse zu vertrauen.

Anhand der Dinge lassen sich globale Verflechtungen aufzeigen, wobei die Veränderbarkeit von Gegenständen, Zuständen, Machtverhältnissen sichtbar wird. Der Anspruch der Ausstellung, auch das Museum als potenziellen Ort gesellschaftlicher Veränderung zu verstehen, verdeutlicht sich im Projekt „Amargî“, durch welches dem Publikum eine real existierende Alternative zugänglich gemacht wird.

Die Ausstellung, die von dem Kurator*innen-Team Sophia Prinz und Roger M. Buergel, der Museumsleiterin Sabine Schulze und dem Kultursenator Carsten Brosda eröffnet wurde, ist vom 13. April bis zum 14. Oktober 2018 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zu sehen.

Im Rahmen der Ausstellung finden folgende Veranstaltungen statt, welche im Anschluss jeweils von Expertinnenführungen durch die Ausstellung begleitet werden.

14. Juni 2018, 18:00 Uhr: „Das kulturelle Erbe von Rojava“, Vortrag und Diskussion mit Gönül Kaya, »Mobile-Welten-Studio«/MKG

6. September 2018, 18:00 Uhr: „Jineologie – die Wissenschaft der Frauen, der Gesellschaft und des Lebens“, Vortrag und Diskussion mit Haskar Kirmizigul, »Mobile-Welten-Studio«/MKG