Im Rahmen des Ausstellungskomplexes stronger still und anlässlich ihrer Einzelausstellung prison no. 5 ist die kurdische Künstlerin Zehra Doğan am 14. August im Garten des Berliner Maxim-Gorki-Theaters zu Gast. Die Auswahl in der Ausstellung besteht aus Gemälden, Zeichnungen und Tagebüchern, die Doğan während ihrer dreijährigen Inhaftierung in der Türkei angefertigt hat.
In der Veranstaltungsankündigung heißt es: „Verurteilt wegen der Verbreitung von ‚terroristischer Propaganda‘ für ein einziges Bild, das sie in den sozialen Medien teilte, schloss sich Doğan der kollektiven Widerständigkeit an, die sie im Gefängnis erlebte und verwandelte die Umstände ihrer Inhaftierung in grenzenlose Kreativität. Wegen der strengen Vorschriften der Gefängnisverwaltungen und des fehlenden Materials, das sie für ihre künstlerische Arbeit benötigt, musste sie mit jenem improvisieren, was sie im Gefängnis vorfand. Aus Stoffen von Kleidern, die ihre Mutter bei den Besuchen mitbrachte, leeren Briefseiten und großen Umschlägen, die ihr Naz Öke und andere Freund*innen schickten, aus Essensresten, den Farben von gemahlenen Gewürzen und ihrem Menstruationsblut entstanden so Arbeiten, die von Doğans Widerständigkeit gegenüber dem patriarchalen und politischen Druck und den schweren Bedingungen der Gefangenschaft zeugen.
Die ausgestellten Zeitschriften und kollektiv produzierten und handbeschriebenen Zeitungen zeigen Doğans journalistisches Engagement und ihre Rolle als Zeugin, als die sie die Absurditäten des Gefängnisalltags, ungerechte und chauvinistische Vorschriften des türkischen Staates, verbale und körperliche Übergriffe, aber auch Akte der Solidarität unter den Häftlingen und ihren gemeinsamen Widerstand dokumentierte.“
Artist Talk mit Zehra Doğan | 14.08.2021, 19:00 Uhr | Eintritt frei mit Anmeldung an: [email protected]
Wer ist Zehra Doğan?
Zehra Doğan gehört zu den Gründerinnen der weltweit ersten feministischen Frauennachrichtenagentur JINHA, die im Zuge des Ausnahmezustands im Oktober 2016 per staatlichem Dekret geschlossen wurde. Als Künstlerin thematisiert sie die politischen Verhältnisse und das Leben von Frauen. Während des demokratischen Selbstverwaltungswiderstands in Nordkurdistan hatte die Journalistin aus Nisêbîn (Nusaybin) und Cizîr (Cizre) berichtet.
Aufgrund ihrer Berichterstattung und einem Bild, das die türkische Flagge über von Panzern zerschossenen Häusern zeigt, wurde Zehra Doğan im Juli 2016 festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Die Anklage lautete „Mitgliedschaft“ und „Propaganda für eine terroristische Organisation“. Fünf Monate später wurde Zehra Doğan vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristische Organisation freigesprochen, aber ein Berufungsgericht bestätigte im Juni 2017 das erstinstanzliche Urteil über zwei Jahre, neun Monaten und 22 Tage Gefängnis wegen ihrer Aktivitäten in sozialen Medien und der „Terrorpropaganda“. Sie kam erneut ins Gefängnis, zunächst in Amed (Diyarbakir), später wurde sie mit zwanzig weiteren Frauen gegen ihren Willen nach Tarsus verlegt. In Haft machte sie Reportagen mit ihren Mitgefangenen. Im Februar 2019 wurde sie entlassen.
Nisêbîn im Belagerungszustand
Weltweit bekannt wurde Zehra Doğan durch ein riesiges Wandbild, mit dem der britische Street-Art-Künstler Banksy in New York gegen ihre Inhaftierung protestierte. Das etwa 20 Meter breite Kunstwerk zeigte stellvertretend für die Tage ihrer Haftstrafe eine Strichliste, die an einer Stelle zugleich ein Gefängnisgitter darstellen. Ihre eigenen Bilder sind in vielen europäischen Ländern ausgestellt worden.