Der Azadî-Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland berichtet in seinem März-Info über ein Klagverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin zur Zulässigkeit von Bildnissen Abdullah Öcalans auf Demonstrationen:
Am 15. Februar 1999 wurde Abdullah Öcalan mithilfe einer internationalen Geheimdienstoperation von Nairobi/Kenia in die Türkei verschleppt, dort verhaftet und zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Seitdem befindet er sich – weitgehend unter Isolationshaftbedingungen – auf der Gefängnisinsel İmralı. Aus Anlass dieses Jahrestages war u.a. in Berlin eine Kundgebung für den 15. Februar 2018 mit dem Motto „Freiheit für Öcalan“ geplant.
Angemeldet wurde auch das Mittragen von Fahnen mit der Abbildung von Abdullah Öcalan. Das untersagte die Versammlungsbehörde in ihrem Auflagenbescheid mit der Begründung, es handele sich bei ihm um den Gründer der PKK. Deshalb sei die Verwendung seines Bildnisses automatisch als Symbol der verbotenen PKK zu werten und mithin als Verstoß gegen das Vereinsgesetz strafbar.
Diese Sichtweise war für die Anmelderin der Kundgebung nicht hinnehmbar, weshalb sie Klage gegen den Auflagenbescheid erhoben hatte.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Berlin am 6. März 2020 ging es darum, ob hier einerseits die Grundrechte der Artikel 5 und 8 des Grundgesetzes tangiert sind und andererseits die Behörde von einem verzerrt engen Blick auf die Bedeutung und Rolle der Persönlichkeit von Abdullah Öcalan ausgeht. Nach Auffassung von Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, der die Kläger vertritt, ist eine Reduzierung der Person Abdullah Öcalan auf den PKK-Vorsitz nicht mehr haltbar. Öcalan habe durch sein wissenschaftliches, politisches und publizistisches Wirken großen Einfluss auf viele Menschen und die Diskussion über die Zukunft der kurdischen Siedlungsgebiete, die seine Wahrnehmung auch hier wesentlich prägen.
In der mündlichen Verhandlung des VG am 6. März 2020 hat der Vertreter der Polizeibehörde erklärt, dass das Zeigen von Abbildungen von Herrn Öcalan auf Versammlungen nicht absolut verboten ist. Im Einzelfall könne die Versammlungsbehörde mit dem Zeigen von Öcalan-Bildern auf einer Versammlung unter dem Motto „Freiheit für Öcalan“ leben. Es müsse allerdings „ganz klar“ sein, dass die Parole darauf abziele, „die persönliche Situation des Herrn Öcalan, insbesondere dessen Haftbedingungen, in den Blick zu nehmen“. Sollte es hingegen Hinweise darauf geben, dass es sich um PKK-Werbung handele, sei eine solche Versammlung unzulässig. „Umstände, die hier zu berücksichtigen sind, sind die Person des Anmelders und insbesondere die von dem Anmelder durchgeführten vorangegangenen Versammlungen. Im Rahmen einer solchen im Einzelfall zulässigen Versammlung ist es auch zulässig, Bildnisse des Herrn Öcalan mit sich zu führen. Dies gilt allerdings nicht für Bildnisse, die ihn in einem blauen Hemd und vor gelbem Hintergrund zeigen. Es sind auch Bildnisse verboten, die Herrn Öcalan in militärischer Kleidung darstellen. Es sind des Weiteren Bildnisse verboten, die über die Darstellung von Herrn Öcalan hinaus einen Bezug zur PKK aufweisen, etwa, wenn das Bild sowohl einen in nicht militärischer Kleidung gekleideten Herrn Öcalan verbunden mit dem PKK-Stern zeigt“.
Mit der Abgabe dieser Erklärung wurde das Verfahren für erledigt erklärt. Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, der die Kläger*innen vertreten hat, sagte: „Diese Entscheidung lässt zwar immer noch zu viel Interpretationsspielraum zu. Aber durch die Erklärung ist klargestellt, dass es kein generelles Verbot von Abbildungen von Abdullah Öcalan gibt und auch die Parole ‚Freiheit für Öcalan‘ sich auf dessen persönliche Situation beziehen kann. Insofern ist diese Klarstellung zu begrüßen.“