„Unser Krieg ist ein Krieg für eine freie demokratische Zukunft“

Murat Karayılan berichtet im vierten Teil seines Interviews über die Entwicklung einer neuen Guerillakriegstechnologie, die taktische, ideologische und technologische Weiterentwicklung des Kampfes.

In der Interviewserie zum 45. Jahrestag der Gründung der PKK sprach der NPG-Kommandant und Mitglied des Exekutivrats der PKK, Murat Karayılan, über die Geschichte des kurdischen Freiheitskampfes. Im vierten Teil ging er auf die gegenwärtigen Entwicklungen ein und erklärte, die Guerilla führe einen gerechten Krieg gegen die Versuche der Reaktion, das kurdische Volk durch ihre rassistische und mörderische Haltung auszulöschen. Karayılan unterstrich, dass es sich bei dem aktuellen Krieg um einen Krieg um Sein oder Nichtsein handelt, dessen Bedeutung weit über Kurdistan hinausgehe: „Dies ist der Kampf, der die Türkei demokratisieren wird. Dies ist der Kampf, der die Tür zu einer neuen Ära in der Region öffnen wird. Denn dieser Kampf ist ein Kampf, der auf der Perspektive der demokratischen Nation und des demokratischen Konföderalismus beruht, den Rêber Apo [Abdullah Öcalan] in seinem neuen Paradigma definiert hat.“ Darüber hinaus führte Karayılan in die technischen und taktischen Neuerungen im Guerillakrieg und die Perspektiven der Cyber- und Luftkriegsführung ein.

Die Neustrukturierung der Guerilla

Nach der Hochrüstung der türkischen Armee durch die NATO mit Drohnen und neuen Hubschraubern im Jahr 2017 hat sich der Bedarf nach einer tiefgreifenden Neustrukturierung der Guerilla gezeigt. Was wurde mit der Einführung der neuen Kriegsdoktrin geändert? Welche systematischen Veränderungen gab es bei der Guerilla und inwiefern stehen diese im Zusammenhang mit dem Charakter der neuen Phase?

Für eine revolutionäre Bewegung ist die richtige Einschätzung der aktuellen Phase das wichtigste. In dieser Hinsicht hatten wir einen Vorteil. Denn Rêber Apo hatte die neue Ära mit seinem neuen Paradigma am detailliertesten interpretiert und analysiert. Diese Analyse erhellte unseren Weg wie ein Scheinwerfer. Auf dieser Grundlage versuchte das Guerillakommando auch, die unvermeidlichen Veränderungen und Auswirkungen der aktuellen wissenschaftlich-technischen Revolution, auf den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebensstil der Gesellschaft sowie die unvermeidlichen Veränderungen und Auswirkungen auf die Kriegsstrategie und -taktik eingehender zu behandeln. Mit anderen Worten, es ging um die Entwicklungen in der Raumfahrtechnologie, der neuen Methoden der Telekommunikation und Elektrotechnik, der Informatik und damit der künstlichen Intelligenz und die damit zusammenhängende Ausreifung der Lenkwaffen. Zusammen mit der gigantischen technologischen Entwicklung kam es zu radikalen Veränderungen in der Strategie und Taktik des Krieges. Auf der Grundlage der richtigen Analyse dieser radikalen Veränderungen haben wir uns intensiv damit beschäftigt, wie vor dem Hintergrund dieser taktischen Probleme die von Rêber Apo entwickelte revolutionäre Volkskriegsstrategie angewandt werden könne. Es ging darum, welche Folgen diese Kriegstechnologie in den Händen der feindlichen Kräfte insbesondere im Hinblick auf den Guerillakampf haben würde und wie damit umzugehen sei. Kurzum, es fanden ernsthafte Diskussionen und Arbeiten zu den Fragen statt, wie ein Verteidigungssystem dagegen entwickelt und Erfolg erzielt werden kann. Auf dieser Grundlage kam man zu dem Schluss, dass ein radikaler Wandel in der Freiheitsguerilla Kurdistans unumgänglich wäre. Dies ist eine Veränderung, die nicht nur in Kurdistan, sondern in allen Guerillakräften, ja in allen militärischen Kräften unserer Zeit geschehen muss. Unsere Schlussfolgerung damals war: Jede Kraft, die das Zeitalter richtig begreift, muss diesen Wandel erkennen und ihre Armee entsprechend erneuern, sonst kann sie im Krieg nicht erfolgreich sein.

In diesem Sinne wurde die Reorganisation nicht als Reform, sondern in Form eines Neuaufbaus angegangen. Als Guerilla Kurdistans sollten wir zweifellos die Erfahrungen der chinesischen, vietnamesischen und vielen anderen Revolutionen und natürlich unsere eigenen Erfahrungen nutzen (bis dahin waren es mehr als 30 Jahre Erfahrung), aber wir müssen definitiv diese klassischen Herangehensweise, die wir als klassische Guerillakriegsführung bezeichnen, aufgeben. Wir stellten fest, dass die Ära der klassischen Guerillakriegsführung überwunden ist. Auf dieser Grundlage wurde nun entschlossen begonnen, gegen die Angewohnheiten und Vorgehensweisen der klassischen Guerillakriegsführung vorzugehen und uns an diesem Punkt vollständig zu erneuern.

Die Epoche der halbmobilen Guerilla ist angebrochen“

Die klassischen Guerillagewohnheiten sind nicht leicht zu überwinden. Die Abkehr der Guerilla von diesen Gewohnheiten ist ein Problem für sich selbst. Es gab einen sehr intensiven Kampf darum. Schon damals wurde die folgende Feststellung gemacht: „Unser größter Feind sind unsere eigenen Gewohnheiten. Wenn wir unsere eigenen Gewohnheiten nicht aufgeben, wird das die Hauptursache für unsere Verluste sein.“ Kurz gesagt, so entwickelte sich ein Prozess der radikalen Veränderung, sozusagen eine revolutionäre Veränderung der Art der Bewegung, der Einrichtung von Stellungen und Basen und des Vorgehens bei Aktionen wie auch des Systems der Guerilla insgesamt.

Wir müssen zum Beispiel die Regeln der Mobilität und der Geheimhaltung ändern, die Mao Zedong als die beiden Hauptpfeiler bezeichnete, als er das Vorgehen der Guerilla definierte. Die Ära der mobilen Guerilla ist vorbei. In der neuen Periode muss man von der halb-mobilen Guerilla sprechen. Von nun an muss eine der beiden Hauptsäulen die Geheimhaltung und die andere die Selbstdisziplin sein. Die Guerilla muss sich auf der Achse von Selbstdisziplin, tiefer Geheimhaltung und Tarnung neu aufbauen. Auch hier wurden viele Grundregeln wie das berühmte „Prinzip des Sammelns und Zerstreuens“ der Guerilla geändert. Denn all diese Regeln waren nun alt und überholt. Es ist klar, dass das Festhalten am Alten in dieser Zeit zur Vernichtung führen wird. Die Guerilla braucht sich nicht mehr zu versammeln. Ja, die Guerilla kann und sollte bei großen Operationen und Aktionen koordiniert vorgehen, aber es besteht keine Notwendigkeit, sich zu versammeln. Kurzum, viele Grundregeln wie diese haben sich radikal verändert.

Auch unsere Guerillaorganisation basierte auf der Reihenfolge Bataillon-Division-Abteilung-Einheit. Nun ist auch dieses System überwunden worden. Elemente wie Bataillon, Kompanie und Abteilung wurden abgeschafft, und das System der Organisation der gesamten Kräfte wurde auf die Grundlage von Region, Abteilung und Kleinsteinheit gestellt. Natürlich ist es einfach, solche Dinge zu formulieren. Aber es ist sehr schwierig, sie in die Praxis umzusetzen. Es war nicht einfach, das System der kleinen Einheiten zu etablieren, eine Kultur auf der Ebene der Einheiten und eine entsprechende Geisteshaltung in der Guerilla zu entwickeln. Die Guerilla hatte zuvor immer auf der Ebene Einheit und Abteilung agiert und sich diese Kultur tief angeeignet. Dass das neue Verständnis nun etabliert ist, ist die Folge eines jahrelangen Kampfes. Natürlich haben wir auch erhebliche unbeabsichtigte Verluste erlitten, weil wir nicht in der Lage waren, sofort auf die neuen Strukturen umzustellen. Die Guerilla hat sich den Neuaufbau nicht leicht gemacht. Sie konnte diesen Wandel nur mitten im Krieg vollziehen. Wir gedenken all den mutigen Gefallenen dieser Zeit voll Respekt und Dankbarkeit. Wenn wir heute etwas erreicht haben, dann ausschließlich auf der Grundlage ihres großen Widerstands. Unter diesem Gesichtspunkt wurde der Wandel in Kurdistan in der Überzeugung vollzogen, das Andenken an unsere Gefallenen lebendig zu halten und auf der Grundlage der von ihnen akkumulierte Werte dem Erfolg entgegen zu gehen. Ohne diese Überzeugung und dieses Engagement wäre es nicht möglich gewesen, das alles bis zum Abschluss durchzuhalten und den Wandel auf diesem Niveau zu vollziehen.

Die Zeit, in der die Guerillakämpferinnen und -kämpfer nur ihre Einzelwaffen beherrschten, ist überwunden. Die moderne Technologie hat die Bedeutung der Fähigkeiten des Menschen noch weiter erhöht. Rêber Apo hatte einmal gesagt, dass „die größte Technik der Mensch selbst ist“. Heute wird wieder einmal deutlich, wie wahr diese Aussage ist. Deshalb müssen wir die menschliche Technik weiter entwickeln und vertiefen. Dazu ist es unerlässlich, dass wir zwei grundlegenden Formen der Bildung Bedeutung beimessen:

Die erste ist die ideologische Bildung. Die Entscheidungsfindung auf der Grundlage der ideologisch-philosophischen Linie des Apoismus; die Linie der Hevaltî und der Frauenbefreiung sind die Hauptquelle der Stärke bei der Integration in die Partei. Wir sehen das Zusammenwirken dieser Kräfte, das in einer aus Frauen und Männern gemischten Struktur, wie die Freiheitsguerilla Kurdistans, die sich auf der Grundlage des Paradigmas der Demokratischen Ökologischen Gesellschaft auf der Basis der Frauenbefreiung neu aufgebaut hat, geschaffen wurde, heute im Tunnelkrieg und im Krieg mit hochmobilen Einheiten der letzten Jahre sehr deutlich.

Darüber hinaus wurde es zweitens notwendig, eine Ausbildung zur Weiterentwicklung der Spezialisierung zu schaffen. Die Spezialisierung in jeder Kriegstechnik und -taktik ist unerlässlich. Jeder Guerillakämpfer muss über ideologische Entschlossenheit und apoistischen Opferbereitschaft verfügen und in der Lage sein, seine Rolle als spezialisierter Kämpfer oder Kämpferin zu spielen. Eine solche Spezialisierung wird die ideologisch-politisch-militärischen Qualitäten zum Vorschein bringen und in der Praxis zu einer sehr starken Leistung führen.

Neustrukturierung bedeutet Neuaufbau der Guerilla“

Kurz gesagt, die Umstrukturierung, die wir in Kurdistan entwickelt haben, ist der Neuaufbau der Guerilla. Es handelt sich um eine Organisation, die die vollständige Überwindung der klassischen Guerilla vorsieht. Die klassische Form der Bewegung, die klassische Form der Kriegsführung, die klassische Form der Aktion sind überwunden. Auch Organisationen wie die klassischen Einheiten und die klassische Kompanien sind überwunden. Die alte klassische Form des Vorgehens der Guerilla ist ebenfalls überwunden. Auch die Art des Guerillakriegs von Dorf zu Dorf zu ziehen, von Gebiet zu Gebiet zu reisen, das Rêber Apo als „wandernde Kämpfer“ bezeichnete, wird überwunden. Die Guerilla braucht nicht mehr von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf zu gehen. Die Guerilla erreicht die Menschen auf andere Weise und mit anderen Methoden. Kurzum, die alte Beziehung zwischen Dorf und Guerilla muss ein Ende haben. Nur die Entwicklung einer professionelleren, besser organisierten, bewussteren und klandestineren Guerilla kann zu Ergebnissen führen.

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wurde der Wiederaufbauprozess verstärkt, und die heutige Guerilla hat auf der Grundlage dieser ideologisch-philosophischen Erziehung und Ausbildung spezialisierter Bereiche sowie zur Förderung der Beherrschung von Technik ein bestimmtes Niveau der Leistungsfähigkeit erlangt.

Was lässt sich über Entwicklungen bei der Guerilla in den Bereichen Wissen und Technik während dieser Umstrukturierungsprozesse sagen?

Es wäre sinnvoll, das Thema Technik ein wenig näher zu beleuchten. Es kann nicht schaden, unser Volk und die Öffentlichkeit einige Dinge wissen zu lassen, die der Feind bereits weiß:

Bereits 2001 haben wir im Geheimen eine wissenschaftlich-technische Abteilung in einer Spezialeinheit der Guerilla aufgebaut, die sich seit 22 Jahren mit wissenschaftlichen und technischen Arbeiten beschäftigt. Als Ergebnis dieser wissenschaftlich-technischen Arbeit sind verschiedene technische Produkte entstanden. Es gab die Entwicklung von technischen Waffen wie Zagros, Hawar, Reşit, Şervan, Kamil, die sich im Krieg bewährt haben und zeigen, wie wir für uns selbst Technik entwickeln können. Zweifellos besteht auch ein Interesse am Luftraum. Kurzum, die Arbeit dieser Abteilung, die auf eine Weiterentwicklung mit Fokus auf die Bereiche Physik, Chemie, Mathematik und Elektrotechnik abzielt, hat heute ein wichtiges Niveau erreicht. Diese Forschungen sind in mühevoller Arbeit entstanden und haben der Guerilla einen wichtigen Dienst erwiesen. Das werden sie auch in Zukunft tun. Die „Şehîd Delal Amed“-Luftverteidigungskräfte sind direkt aus der Arbeit dieser Abteilung hervorgegangen. Diese Abteilung hat bisher in besonderem Maße zum Krieg beigetragen. Sie hat den Feind in vielen Bereichen aufgehalten und seine Aktivitäten vereitelt. Es ist sicher, dass sie in Zukunft noch mehr dazu beitragen wird. Kurz gesagt, ist diese Arbeit im Rahmen der Umstrukturierung auf unsere Tagesordnung gekommen und entwickelt sich von Tag zu Tag mehr. Der türkische Staat erfährt die Auswirkungen der Entwicklungen jeden Tag in der Hitze des Gefechts, versucht aber beharrlich, sie vor der Öffentlichkeit zu verbergen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass mit der Entwicklung dieser Arbeit auch eine Erweiterung der Fähigkeiten im taktischen Bereich entstanden ist. Taktik ist ein wichtiges Thema für uns. Es ist ein Thema, das seit den Anfängen unserer Bewegung auf unserer Tagesordnung steht. Es ist bekannt, dass es in der Geschichte Kurdistans eine große Lücke in Bezug auf Strategie und Taktik gab. Abgesehen von der Zeit der Meder und später Saladin Ayyubi Kurdî, der als siegreicher Heerführer des Islams bekannt wurde, hat sich in der Geschichte des kurdischen Volkes kein auf Strategie basierender Krieg entwickelt. Mit Rêber Apo wurde diese historische Lücke geschlossen, aber nun sind taktische Probleme auf die Tagesordnung gekommen. Das Problem der Ausbildung von Menschen, die die Taktiken beherrschen und damit die Strategie umsetzen und mit Leben erfüllen, stand schon immer auf unserer Tagesordnung. Das wird auch immer ein wichtiges Thema für uns bleiben.

Die Guerilla muss eine neue Form der Bewegung erreichen“

Der Guerilla ist es bis zu einem gewissen Grad gelungen, den taktischen Fortschritt in dieser Periode zu intensivieren und weiterzuentwickeln. Dies stützte sich auf die strategischen Eröffnungen von Rêber Apo, seine Perspektiven im taktischen Bereich und den Erfahrungen, die durch die Kämpfe unserer Gefallenen gesammelt wurden. Wenn heute die herrschenden Mächte jeden Winkel der Welt vom All aus überwachen können und die Ziele an den festgestellten Koordinaten überall treffen können, müssen wir eine Form der Bewegung entwickeln, die auf einer viel tiefergehenden Klandestinität beruht, einer Form, die den gesamten Geheimdienst des Feindes lähmt und seine Technik vereitelt. Das ist das eine.

Die Guerilla muss also eine neue Form der Bewegung erreichen. Ein Bewegungs- und Kriegsführungsstil, der keinen Raum für Fehler lässt und ganz darauf ausgerichtet ist, den gegnerischen Geheimdienst zu überlisten, ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Guerrilla. Das Resultat darauf ist, dass sich die Guerilla qualitativ weiterentwickelt und die ideologisch-militärische Ausbildung aller ihrer Kräfte stärkt und sie zu professionellen Kämpferinnen und Kämpfern macht, aber andererseits ihre Zahl, d.h. ihre Quantität, reduziert. Mit anderen Worten: Der Stil der Kriegsführung in kleinsten Einheiten ist erforderlich. Die Guerilla muss in der Lage sein, mit kleinsten Einheiten höchster Kompetenz, dem Feind schwerste Schläge zu versetzen. So ist die Guerilla in der Lage, mit kleinen Einheiten im Feld, wenn es nötig ist, zu verschwinden, und wenn es nötig ist, wie ein Geist aufzutauchen und den Besatzungstruppen einen Schlag zu versetzen. Dafür sind viel Selbstdisziplin und höchste Klandestinität notwendig.

Die Entwicklung des Kampfes in kleinsten Einheiten verringert jedoch nicht den Umfang des Krieges. Denn wir stützen uns auf den Stil der koordinierten Einheitenkriegsführung. Wie ich erklärt habe, versammeln wir unsere Kräfte nicht, aber wir setzen zehn, wenn nötig zwanzig oder mehr Einheiten koordiniert auf ein und dasselbe Ziel an. Es handelt sich um eine Art der Einheitenkriegsführung. Dabei liegt die Zahl der eingesetzten Einheiten bei zwei bis 50. So können auch große Operationen umgesetzt werden. Armeen, welche die aktuelle Realität nicht richtig verstehen, verlieren heute den Krieg. Das gilt nicht nur für Guerilla-Armeen, sondern auch für Armeen von Staaten. Kommandantinnen und Kommandanten, die den Prozess richtig verstehen, müssen eine solche Kriegsführung in kleinsten Einheiten entwickeln und nicht wie früher auf der Ebene der Bataillone und Divisionen.

Warum?

Um den Krieg zu gewinnen, ist es jetzt notwendig, mit kleinen Einheiten zu kämpfen. Heute, zum Beispiel im Krieg in der Ukraine, stellt eine Seite ein Bataillon in ein Gebäude, während die andere Seite es aufspüren, mit Lenkraketen treffen und 100-200 Menschen auf einmal vernichten kann. Um dies zu vermeiden, müssen sich reguläre Armeen nun in kleine Einheiten aufteilen. Der Einheitenkrieg ist eine Form der Guerilla-Kriegsführung, aber die heutigen Bedingungen zwingen alle Armeen dazu, sie zu übernehmen. In diesem Fall ist der Guerillakrieg in kleinsten Einheiten ein System, das die Technik des Gegners zwar nicht völlig, aber doch zu einem beträchtlichen Teil aushebelt, insbesondere die Lufttechnik, aber auch die Bodentechnik.

Die Freiheitsguerilla Kurdistans hat in diesem Bereich eine taktische Öffnung vorgenommen. Mit anderen Worten, es wird eine Guerillaarmee angestrebt, die aus einem besser ausgerüsteten, ideologisch und militärisch leistungsfähigen, qualifizierten, wendigen, flexiblen und in jeder Hinsicht manövrierfähigen Einheitensystem besteht. Dies ist die Art des Organisationssystems der Guerilla. Ein System der erfolgreichen Guerillakriegsführung muss heute so sein.

Unterirdische Kriegsführung und Guerillakrieg ergänzen sich“

Kann man sagen, dass die unterirdische Kriegsführung der letzten Jahre auch diesem Verständnis entspringt?

Gewiss. Wenn die herrschenden Mächte in der Lage sind, die Erdoberfläche mit Satelliten, Drohnen und verschiedenen Kameras zu überwachen, und wenn sie die Möglichkeit haben, sie mit Lenkraketen anzugreifen, dann sollte der Krieg nicht nur auf der Erdoberfläche, sondern auch im Untergrund stattfinden. In unserer Zeit hat die unterirdische Kriegsführung viel mehr an Bedeutung gewonnen. Den unterirdischen Krieg hat es auch in der Geschichte gegeben, aber er hat heute an Bedeutung gewonnen. Die kurdische Guerilla konzentriert sich seit einiger Zeit auf diesen Bereich. Natürlich hat dieses Vorgehen in unserem Kampf eine entsprechende Geschichte. Seit '91 gibt es Bemühungen in dieser Richtung, aber damit eine Taktik in die Praxis umgesetzt werden kann, müssen die Kommandantinnen und Kommandanten als Wegbereiter der Taktik daran glauben. Eine Kommandantin muss voll und ganz an die Taktik, die sie anwendet, glauben und ihr vertrauen.

Wir können feststellen, dass die erfolgreiche Umsetzung dieser unterirdischen Kriegstaktik aufgrund der Fehler in der Vergangenheit verzögert worden ist. Dies ist eine Frage der Selbstkritik und kann bei Bedarf ausführlich erläutert werden, aber die Tatsache, dass die unter der Führung des Genossen Şoreş Beytüşşebap im Siyanê-Tunnel entwickelte Tunnelkriegsführung beim türkischen Angriff auf Gare 2021 den Feind gebrochen hat und erfolgreich war, ebnete den Weg für die Taktik der unterirdischen Kriegsführung. Damit wurde der taktische Rahmen in Form der Tunnel- und Einheitenkriegsführung, die gegen die Angriffe auf Avaşîn, Zap und Metîna umgesetzt wurden, geschaffen. Mit anderen Worten, diese Taktik hatte damit ihre Grundzüge erhalten.

Das wichtigste Bindeglied in unserer Kriegsdoktrin ist die Kombination von Tunnelkrieg und Guerillakrieg. Wir betrachten den Tunnelkrieg nicht wie manche Leute denken, als eine Form des erzwungenen Rückzugs, um Widerstand zu leisten. Die Guerilla geht in diesen Tunnel, um zu gewinnen. Jeder Widerstandstunnel ist nicht nur eine Verteidigungs-, sondern auch eine offensive Kriegsposition. Jeder Widerstandstunnel ist wie ein Hauptquartier, in dem geplant wird, mit verschiedenen Taktiken einen Schlag gegen die umliegenden feindlichen Kräfte zu führen. Während diese Art der Kriegsführung innerhalb der Tunnel entwickelt wird, haben wir halbmobile koordinierte Einheiten als zweites Element um die Tunnel herum. Diese spezialisierten und koordinierten Einheiten greifen den Feind von der Seite, von Vorne oder von Hinten an. Das sind die beiden Standbeine. Der Tunnelkrieg und die Einheitenkriegsführung. Dies ist die grundlegende Kriegsdoktrin, auf die sich der Widerstand der kurdischen Freiheitsguerilla gegen die Versuche der türkischen Armee, die Gebiete Zap, Avaşîn und Metîna zu besetzen, seit drei Jahren stützt.

Die Guerilla wird nicht mehr nur in den Bergen Krieg führen“

Was würden Sie über den taktischen Ansatz dieser Kriegsdoktrin und ihr Ziel sagen?

Das Ziel dieser Kriegsdoktrin ist es, die Besatzungstruppen langfristig zu besiegen. Diejenigen, die sich festgesetzt haben, sollen zermürbt, ausgeschaltet oder zurückgedrängt werden. Die Lage der einzelnen Tunnel ist nämlich unterschiedlich. In einigen kann zum Beispiel bis zum Ende Widerstand geleistet werden, in anderen nur für eine bestimmte Zeit, und die Situation jeder Position muss mit einem anderen taktischen Ansatz behandelt werden. Mit anderen Worten, es ist möglich, den Stil der Kriegsführung, der alle Arten von technischen Angriffen vereitelt oder irgendwie kompensiert, auf diese Weise wirksam umzusetzen.

Die Freiheitsguerilla Kurdistans hat nun die Fähigkeit erlangt, den Krieg gegen die Besatzungsmächte sowohl über der Erde als auch im Untergrund und nach ihren Möglichkeiten sogar in der Luft zu führen. Vielleicht können wir feststellen, dass die Dimension der Cyber-Kriegsführung noch unzureichend ist, aber auch das ist eine Fähigkeit, die entwickelt werden kann. In der neuen Periode wollen wir sowohl den Luftraum als auch den Stil der Cyber-Kriegsführung weiterentwickeln, und wir wollen die Guerilla von einer Situation wegringen, in der nur auf den Bergen und im Gebirge Krieg geführt wird. Unser Krieg ist nicht nur ein Guerillakrieg, er ist ein Volkskrieg für Existenz und Freiheit. Es handelt sich um einen Widerstand, der versucht, ein gesamtgesellschaftliches Problem zu lösen.

Die derzeitige AKP/MHP/Ergenekon-Regierung verfolgt ein aussichtsloses Unterfangen. Sie will eine bankrotte Strategie wiederbeleben. Sie versucht dies, indem sich angeblich auf Drohnen stützt. Ihr Ziel ist der Völkermord am kurdischen Volk, wie er auch im Reformplan Ost1 zum Ausdruck gebracht wurde. Völkermord muss nicht unbedingt in Form von physischer Tötung erfolgen. Es ist auch möglich, ein Volk in Form eines kulturellen Genozids zu vernichten.

Der türkische Staat will keine Lösung“

Wenn dieses Problem ein soziales Problem ist, warum wird dann auf Gewalt zurückgegriffen?

Schauen Sie, unser Volk fordert jeden Tag auf den Straßen und Plätzen die Freiheit von Rêber Apo und die Lösung der kurdischen Frage, nicht wahr? Befreundete Kreise auf der ganzen Welt, Gewerkschaften, Intellektuelle, Akademiker, Künstler, Kunstschaffende und verschiedene Menschenrechtsorganisationen haben in fast hundert Ländern die Kampagne für die Freiheit von Rêber Apo und die Lösung der kurdischen Frage ausgerufen. Aber der türkische Staat schweigt. Warum? Weil er keinen Frieden mit den Kurden schließen will. Er will die Kurden begraben. Er will nichts Kurdisches anerkennen. Taktisch mag es heißen „unsere kurdischen Brüder“ usw., aber im Grunde will man ihren Willen nicht anerkennen, diese Gesellschaft perspektivisch vernichten, indem man denjenigen, die ihr Haupt erheben, den Kopf abschlägt und die Gesellschaft an sich systematisch zerstört. Aufgrund dieser Absicht kommt es zu keiner Lösung. Im Übrigen weiß der türkische Staat sehr wohl, dass Rêber Apo gesagt hat: „Wenn man mir die Möglichkeit gibt, kann ich dieses Problem in einer Woche lösen.“

Warum wird Rêber Apo einer weltweit beispiellosen Isolation unterzogen? Warum stellen man sich allen Appellen gegenüber taub? Weil man den Völkermord an dieser Gesellschaft, an diesem Volk betreiben will. Die türkische Regierung reagiert nicht auf Friedensaufrufe, weil sie die Politik des Völkermords nicht aufgeben will. Rêber Apo hat eine Lösungsformel innerhalb der Grenzen der Türkei, die den Sensibilitäten der Türkei Rechnung trägt. Wenn die türkische Regierung die Existenz des kurdischen Volkes anerkennen würde, wenn sie dies verkraften könnte, würde sie sich sofort nach Imralı begeben und dort über eine dauerhafte Lösung dieses Problems sprechen. Wenn sie dies heute nicht tut, dann deshalb, weil sie die Politik des Völkermords, d.h. die Politik der Vernichtung dieser Gesellschaft, noch nicht aufgegeben hat.

In unserem Krieg geht es um Sein oder Nichtsein“

Wollen Sie zum Abschluss noch etwas sagen?

Wir werden den Vertretern dieser reaktionären, rassistischen und mörderischen Mentalität zeigen, dass es für sie unmöglich sein wird, unser Volk zu vernichten. Wir werden dies zeigen, indem wir in jeder Hinsicht kämpfen und Widerstand leisten. Es gibt keinen anderen Weg. Dafür müssen wir, das gesamte kurdische Volk und die Freundinnen und Freunde unseres Volkes, insbesondere die Frauen und die Jugend, alle Völker der Region, eine Lösung durchsetzen, indem wir unsere Stimme gegen die mörderische Politik des türkischen Staates erheben. Unser Krieg ist ein gerechter Krieg. Es ist ein Krieg der Existenz und der Schaffung einer Zukunft. Es ist ein Krieg, um eine freiheitlich-demokratische Zukunft gemeinsam mit den Völkern der Region zu schaffen, gleichberechtigt, frei und geschwisterlich. Dies ist der Kampf, der die Türkei demokratisieren wird. Dies ist der Kampf, der die Tür zu einer neuen Ära in der Region öffnen wird. Denn dieser Kampf ist ein Kampf, der auf der Perspektive der demokratischen Nation und des demokratischen Konföderalismus beruht, die Rêber Apo in seinem neuen Paradigma ausführlich erläutert hat.

In dieser Hinsicht wird die Freiheitsguerilla Kurdistans ihre taktische Weiterentwicklungen, die notwendig sind, um die auf sie zukommenden Aufgaben zu bewältigen, weiter intensivieren und alle Angriffe des Feindes mit dem zeitgemäßen Stil des revolutionären Volkskriegs vereiteln und letztendlich besiegen; sie wird alle notwendigen Anstrengungen in Kauf nehmen, Opfer bringen und Fertigkeiten zeigen, um erfolgreich zu sein. Dafür gibt es die nötige Erfahrung, Ansammlung und Perspektive. Zunächst einmal haben Rêber Apo und unsere Partei, die PKK, offiziell 45 Jahre Erfahrung. Zweifellos wurde diese Erfahrung durch unsere mutigen Gefallenen gesammelt und erworben. Deshalb gedenken wir all unserer Gefallenen voll Respekt und Dankbarkeit, und wir versprechen erneut, dass wir den Guerillakampf in ihrem Andenken zum Erfolg führen werden. Im 46. Jahr unserer Guerilla-Partei der demokratischen Moderne wird sie diese Akkumulation von Werten zu ihrem Kern machen und dieses Jahr zum Jahr des Erfolgs machen. Ich wünsche unseren Genossinnen und Genossen und unserem Volk den größten Erfolg im 46. Jahr.

1 „Reformplan für den Osten“ (Şark Islahat Planı): 1925 legte der türkische Faschismus unter Mustafa Kemal sein systematisches Vorgehen gegen das kurdische Volk fest. Unter dem Deckmantel des Ausnahmezustands sah dieser Plan Maßnahmen der Assimilation vor, zu denen Deportationen, Umsiedlungen und Massenmorde gehörten. Mit diesem Plan wurde die kurdische Frage dem Militär unterstellt.

Teil 1:


Teil 2:


Teil 3: