Am 27. November 1978 wurde die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gegründet. Murat Karayılan hat sich als Mitglied im Exekutivkomitee der PKK und Kommandant des Volksverteidigungszentrums (NPG) im YÖP-Interview zu den militärischen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen 45 Jahre geäußert.
Die PKK wurde kurz vor dem Militärputsch am 12. September 1980 gegründet. Wie war die damalige Situation?
Bevor ich auf Ihre Frage eingehe, möchte ich zunächst zum 45. Jahrestag der Gründung unserer Partei, der PKK, gratulieren. Besondere Anerkennung gebührt Rêber Apo [Abdullah Öcalan], dem Gründer unserer Partei, der maßgeblich an ihrem Aufbau beteiligt war, sowie unserem patriotischen Volk, das uns stets unterstützt und kein Opfer gescheut hat. Mein Respekt gilt auch den Freundinnen und Freunden unseres Volkes sowie den Genossinnen und Genossen, die in verschiedenen Kampfgebieten Widerstand gegen den Feind leisten. Von Heval Haki Karer, unserem ersten großen Gefallenen, bis zu den Genossen Rojhat und Erdal, die die historische Aktion in Ankara am 1. Oktober geplant und durchgeführt haben, gedenke ich mit Respekt und Dankbarkeit unserer heldenhaften Gefallenen. Sie haben ohne Zögern den Preis für den 45-jährigen Marsch in die Freiheit gezahlt und ihre Körper bedingungslos in diesem Kampf eingesetzt. Ich verneige mich ehrfürchtig vor ihrem Andenken. Unser Versprechen ist es, die Fahne der Freiheit, die uns die Gefallenen hinterlassen haben, stolz zum Sieg zu tragen und ihr Andenken lebendig zu halten.
Was Ihre Frage betrifft, war die Machtübernahme durch die faschistische Militärjunta am 12. September natürlich keine Kleinigkeit. Es handelte sich um ein genau geplantes, gravierendes und komplexes Eingreifen in den sich entwickelnden revolutionären Prozess in der Türkei und in Kurdistan durch den NATO-Gladio-Komplex. Ein Ziel war, die sich entwickelnden linksrevolutionären Bewegungen in der Türkei zu zerschlagen, aber viel grundsätzlicher ging es um die Angst vor der Entwicklung der Freiheitsbewegung in Kurdistan und vor der Entstehung der Guerilla.
Bekanntlich gab es zu dieser Zeit intensive Bestrebungen von Rêber Apo, den Kampf auf die Ebene eines Guerillakriegs zu bringen. Insbesondere die Rückkehr der ersten in Palästina [Libanon] ausgebildeten Gruppe unter der Führung der Genossen Kemal Pir und Mahsum Korkmaz (Egîd) sowie die von ihnen durchgeführte Phase der Kritik und Selbstkritik zielten darauf ab, in die Guerillaphase überzugehen, was zuvor mit dem Widerstand in Sewrêg nicht erreicht werden konnte. Als Heval Kemal Pir gefasst und Dokumente in diesem Zusammenhang gefunden wurden, wurde dem Feind klar, dass er schnell handeln musste. Wahrscheinlich war der Putsch ursprünglich für einen späteren Zeitpunkt geplant, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass er nach der Beschlagnahme dieser Dokumente vorgezogen wurde. Eines der Ziele der Junta war es, die Entwicklung der Freiheitsbewegung Kurdistans zu einer Guerillaarmee zu verhindern.
Es ist wahr, dass die Junta, als sie an die Macht kam, sehr deutliche Pläne hatte, die linke Bewegung in der Türkei zu liquidieren, aber ihr Hauptziel war es, die Freiheitsbewegung in Kurdistan mit einem umfassenden Vernichtungsplan zu zerschlagen, sie zu Fall zu bringen, sie durch psychologische Kriegsführung von der Gesellschaft zu entfremden und sie vollständig zu zerstören. Aufgrund dieser konterrevolutionären Projekte wurden alle gefangenen Kader der Freiheitsbewegung in den Kerker von Amed gebracht. In Kurdistan wurden alle PKK-Mitglieder, bis auf eine sehr kleine Gruppe, die im Gefängnis Antep inhaftiert war, im Kerker von Amed versammelt. Dort wurde die Union der Jungen Kemalisten unter der Führung von Leuten wie Şahin Dönmez und Yıldırım Merkit gegründet. Sie hatten sich nach ihrer Gefangennahme ergeben, nachdem sie zuvor eine zentrale Rolle in der Bewegung gespielt hatten. Dann wurde damit begonnen, Foltermethoden einzusetzen, deresgleichen es kaum in der Geschichte gibt. Darüber wurde von den überlebenden Freunden ausführlich berichtet. Zahlreiche Bücher, Filme und andere Werke wurden zu diesem Thema veröffentlicht. Der Hauptzweck dieser Praktiken bestand darin, die Gefangenen zur Reue zu zwingen, sie dazu zu bringen, zu sagen: „Ich bin ein Türke“, und sicherzustellen, dass die Bewegung durch das Brechen dieser Kader ausgelöscht wird. Dies war das erste und wichtigste Ziel der Junta.
Die Bedeutung des Gefängniswiderstands
Als Gegensatz dazu kommt dem Widerstand im Kerker von Amed, der unter der Führung der Genossen Mazlum Doğan, Ferhat Kurtay, Mehmet Hayri Durmuş und Kemal Pir entstand, ein großer historischer Wert zu. Die Politik des Feindes, den Völkermord und die Türkisierung in Kurdistan wiederaufzunehmen, wurde im Kerker von Amed bekämpft und herausgefordert, und diese Politik wurde unter Gefängnisbedingungen besiegt. Das ist eine sehr wichtige Tatsache. Sie schuf eine Ausgangssituation, die den Grundstein für viele Errungenschaften im Kampf legte. Es handelte sich um einen Widerstand, der der Wiederaufnahme des Kampfes Auftrieb verlieh und einen bedeutenden Platz im kurdischen Kampf um Existenz und Freiheit einnahm.
Das zweite Projekt der Junta bestand in der Propaganda gegen unsere Bewegung. Während des Ersten Weltkriegs hatten die Herrschenden bereits Einfluss auf das kurdische Volk genommen, indem man die Religion als Mittel nutzte, um es von einer unabhängig-nationalen Haltung abzubringen. Unter dem Paradigma „Wenn wir uns nicht vereinigen, wird das Christentum hier dominieren, die Religion wird verloren gehen, Großarmenien wird entstehen, als Muslime müssen wir uns als türkisch-kurdisches Volk vereinigen“ wurden die Kurden in den von Mustafa Kemal geführten nationalen Befreiungskrieg involviert. Die Kontrolle über die Kurden wurde über die Religion ausgeübt. Nachdem der türkische Staat sein Versprechen gebrochen hatten, wandte er sich bekanntlich gegen die Kurdinnen und Kurden.
Die Junta vom 12. September griff auf dieselbe Taktik zurück. Sie behauptete, dass Rêber Apo armenischer Abstammung sei. Zu dieser Zeit existierte die armenische Bewegung Asala, die Anschläge auf türkische Botschaften und Konsulate in verschiedenen Ländern verübte. Dies führte zu einer antiarmenischen Stimmung in der Gesellschaft der Türkei. Die Republik Türkei nutzte diese Situation aus und verbreitete in ganz Kurdistan die Propaganda, PKK und Asala seien ein und dasselbe; bei der PKK handele es sich um eine armenische Intervention. Die Junta versuchte permanent zu propagieren, dass die PKK eine antiislamische, kommunistische und armenische Bewegung sei, ein armenisches Projekt, das die Kurden täuschen solle. Das versuchten der Staat und die Junta mit allen Mitteln zu verbreiten.
Die Junta hat die Gesellschaft in einen Belagerungszustand versetzt
Gleichzeitig wurden die Menschen auf den Dorfplätzen zusammengetrieben und gefoltert. Unter dem Titel „Abendschulen“ machten sie es in allen Dörfern zur Pflicht, dass alle Erwachsenen, auch die Frauen, Türkisch lesen und schreiben lernen mussten. Die kurdische Sprache wurde verboten. Der Genozid und die Antipropaganda wurden auf dieser Grundlage intensiviert.
Ein dritter Schritt war eine Verstärkung der religiösen Tendenzen in der kurdischen Gesellschaft. So verteilte die Junta beispielsweise Verse aus dem Koran. Dabei handelte es sich um Passagen, die als gegen die Bewegung gerichtet interpretiert werden konnten. Zu dieser Zeit entwickelte sich in Kurdistan und der Türkei eine auf dem politischen Islam basierende Politik. Die Fethullah-Gülen-Bewegung zum Beispiel wuchs zu dieser Zeit. Es gab sie schon vorher, aber in dieser Zeit wurde ihr der Weg geöffnet, sich zu institutionalisieren. Auch die [türkisch-kurdische] Hizbullah ist ein Produkt dieser Zeit. In der Stärkung der fundamentalistisch-religiösen Tendenz wurde die Möglichkeit gesehen, die Kurden von einer nationalrevolutionär-sozialistischen Perspektive zu distanzieren.
Kurz gesagt, die Junta schuf mit intensiver psychologische Kriegsführung, massiver Unterdrückung, Gewalt und Militarismus und durch ihr ideologisch-politisches Vorgehen ein Umfeld, durch das die Gesellschaft in jeder Hinsicht de facto eingekerkert wurde.
Die Verbreitung der Guerillaorganisierung
Wie konnte in einer solchen Situation eine Rückkehr der im Libanon in palästinensischen Lagern ausgebildeten Gruppen organisiert werden? Wie entwickelte sich die erste Guerillaorganisierung in Botan, Dersim und den anderen Regionen?
In einer solchen Situation war es für die Gruppen natürlich nicht einfach, ins Land zurückzukehren. Zunächst einmal gab es im Nahen Osten alle möglichen Hindernisse für die Rückkehr. Es ist nicht nötig, hier darauf einzugehen, aber tatsächlich gab es viele Hindernisse und Schwierigkeiten, als sie ins Land kamen. Kurdistan war praktisch zu einem offenen Gefängnis geworden. Im Südwesten jedoch, wo wir früher eine Basis hatten, entlang der Linie Urfa-Adıyaman-Maraş-Antep, hatten wir die Möglichkeit, leichter als an anderen Orten Beziehungen zu unserer alten Basis aufzubauen. Eine unserer Einheiten war während der Zeit von 1981 bis 1982 in Adıyaman geblieben, um sich zu schützen. So wurden die ersten Aktivitäten der Gruppe von dort aus durchgeführt. In Orten wie Urfa und Antep waren sie aufgrund des flachen Geländes nicht sehr erfolgreich, dort wurde eine Gruppe nach der anderen aufgelöst. Aber an der Adıyaman-Front erreichten sie ein gewisses Niveau.
In Dersim gab es Einheiten, die sich in die Berge zurückzogen und versuchten, sich dort zu verstecken, um in der Zeit von '81 bis '82 nicht gefangen genommen zu werden. 1982 wurden sie in den Libanon abgezogen und Pioniereinheiten wurden an ihre Stelle geschickt. Zu dieser Zeit waren unsere Pioniereinheiten ähnlich wie die mobilen Einheiten, die heute haben. Das heißt, sie bestanden aus drei oder vier Personen. Das waren die ersten Einheiten, die zurückkehrten.
Mardin war ein leicht zugänglicher Ort. Es war auch die Region, zu der der Kontakt zwischen '81 und '82 nie abgebrochen war. Besonders die Region Dêrik hatte diese Eigenschaft. Botan ist ein Thema für sich. Vorher hatten wir in Botan keine Basis. In Cizîr und Hezex gab es zwar eine gewisse Basis, aber es gab keine Verbindung ins Innere von Botan. Vor 1980 gab es ein Bündnis gegen unsere Bewegung unter dem Namen Einheit der Demokratischen Kräfte, dem Özgürlük Yolu, KUK und die DDKD angehörten. So wurde die KUK gegen uns ausgespielt. Das war von vorne bis hinten ein Komplott, mit dem man uns daran hinderte, über Cizîr hinaus zu kommen. Der Feind hatte also Maßnahmen ergriffen, um die PKK daran zu hindern, in Botan Fuß zu fassen. Der wichtigste Teil davon waren die Auseinandersetzungen mit der KUK. So gesehen waren wir fast überall in Kurdistan aktiv, aber in der Umgebung von Colemêrg, in Şırnak, Siirt und Garzan waren wir nicht sehr aktiv. Wir wurden daran gehindert, unser Kampf konnte sich dort nicht entwickeln. Daher kannten wir Botan nicht.
Die Einschätzungen, die Rêber Apo 1981 in Bezug auf Botan vornahm, waren sehr bemerkenswert. Sie haben unsere gesamte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es war, als ob wir uns in Botan verliebt hätten, ohne Botan zu sehen. Rêber Apo stellte fest, dass Botan eine sehr wichtige strategische Lage hat, dass es das Bindeglied zwischen den vier Teilen Kurdistans ist, dass es ein Gebiet ist, in dem sich das Zagros- und das Taurusgebirge, das Rückgrat Kurdistans, kreuzen, dass es über eine strategische Landschaft verfügt und eine Region ist, in der der Kolonialismus den Kemalismus am wenigsten verankern konnte. Im Zusammenhang mit der Analyse, dass Botan über eine soziale Struktur verfügte, in der sich die kurdische Identität auf einem gewissen, wenn auch einfachen Niveau bewahrt hatte, bezeichnete Rêber Apo Botan als „das Herz Kurdistans“ und sagte: „Wer das Herz Kurdistans beherrscht, wird ganz Kurdistan beherrschen“. Auf dieser Grundlage haben wir als Bewegung unseren Fokus auf Botan festgelegt. Damals gab es ein Abkommen mit der PDK. In diesem Sinne gingen unsere Kräfte von Rojava nach Südkurdistan.
Der Guerillakampf in Botan
Es wurde ein Hauptquartier in Lolan eingerichtet. Von diesem Stützpunkt aus wurde die Arbeit mit den Pioniereinheiten in Richtung Botan fortgesetzt, aber es gab große Schwierigkeiten. Einige der Freunde, die diese Zeit miterlebt haben, haben darüber geschrieben; es war ein Ort, an dem verschiedene Schwierigkeiten auftraten, wie das Abweichen vom Weg, Herumirren und dann an denselben Ort zurückkehren, das Nichterkennen unterschiedlicher Stämme usw. Für den türkischen Staat war Botan ein vernachlässigter Ort, an dem er die Kontrolle ohne den Bau von Schulen, Straßen usw. allein durch Stammesführer aufrechterhalten wollte. Der MIT spielte hier eine wichtige Rolle. Botan wurde durch die Kontrolle über die Stammesführer gehalten. Das Vordringen der Guerilla ließ auch diesen Plan des Feindes ins Leere laufen. Auf dieser Grundlage wurden ab '82 Pioniereinheiten in Botan aktiv.
Ein Gebiet, in dem große Schwierigkeiten auftraten, war Garzan. Es gab Fälle, in denen einfache Dorfbewohner sich mit Schaufeln und Spaten den feindlichen Soldaten anschlossen, die gegen die Pioniereinheiten in Garzan operierten, obwohl es zu dieser Zeit noch kein Dorfschützersystem gab. Es gab auch Fälle, in denen Spurenleser, die Personen im Feld aufspüren konnten, den Soldaten halfen und die Einheiten verfolgten. Das hing auch mit den militärischen und ideologischen Angriffe gegen die Guerilla zusammen, mit Propaganda wie: „Die Armenier sind gekommen, und alle Menschen, die gegen die Armenier sind, sollten mit dem Militär zusammenarbeiten und an der Operation teilnehmen.“
Dieses Vorgehen griff in Botan nicht so richtig, aber auch dort drückte man allen die Hand auf den Koran und ließ sie schwören, dass sie, wenn die Guerilla käme, ihr kein Brot geben und keine Beziehungen zu ihr aufbauen würden. Aber die Menschen waren auch patriotisch. Auch wenn ihnen die Hand mit Gewalt auf den Koran gedrückt worden war, unterstützten sie uns im Kampf in ihren Herzen. Deshalb gab es eine starke Verbundenheit. Dieses Dilemma drückte sich zum Beispiel in Faraşîn aus, wenn die Dorfbewohner, als sie die Guerilla aus der Ferne kommen sahen, aus dem Dorf flohen. Sie wollten die Guerilla nicht melden, denn sie verfügten über ein patriotisches Bewusstsein, aber sie hatten auf den Koran geschworen, keine Verbindung zur Guerilla aufzubauen und ihr kein Essen zu geben. Die Menschen wollten sich weder gegen den Staat, noch gegen die Partei, noch gegen die Religion stellen und verließen deshalb das Dorf. So etwas wurde immer wieder beobachtet. Die Genossinnen und Genossen kamen dann in das geräumte Dorf, versorgten sich und verließen es wieder. Dann kehrten die Dorfbewohner zurück. In Regionen wie Besta gab es auch Banditen. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt machten die Menschen keinen großen Unterschied zwischen der Guerilla und den Banditen. Nach dem Aufbruch am 15. August [1984] begegnete eine Gruppe von Frauen einer Guerillaeinheit; die Freunde sahen sie überhaupt nicht an und setzten ihren Weg fort. Daraufhin verbreitete sich in Besta das Gerücht, dass „diese Banditen nicht wie andere Banditen sind“. Man stelle sich vor, die Freunde arbeiten schon so viele Jahre unter ihnen, aber es gab immer noch keine vollständige Unterscheidung von Banditen. Während die Guerilla also mit solchen Problemen zu kämpfen hatte, konnte sie sich dennoch in Botan etablieren und die Region zu einem ihrer Basisgebiete machen. Wir setzten das um, was Rêber Apo zu Beginn festgestellt hatte. Tatsächlich hatten die Pioniereinheiten bis 1984 mit ihren Aktivitäten in fast allen Teilen von Botan eine Basis geschaffen, so dass sich uns Menschen bereits in einem gewissen Umfang anschlossen.
Vertrauensbeziehung zwischen Volk und Guerilla entwickelt sich
Welche Entwicklungen hat die Guerilla in der Zeit nach dem Aufbruch vom 15. August 1984 ausgelöst? Wie würden Sie die folgende Zeit periodisieren?
Zunächst einmal bestand unsere damalige Kaderstruktur hauptsächlich aus Freundinnen und Freunden mit studentischem Hintergrund. Sie kamen aus den Städten und den Ebenen. Es handelte sich zwar vorwiegend um Menschen dörflichen Ursprungs, aber eben vor allem aus den Ebenen und nicht aus den hohen, zerklüfteten Bergregionen und Almen. Daher gab es große Unerfahrenheit und Schwierigkeiten bei der Gewöhnung an die Berge und der Frage, wie man sich unter diesen Bedingungen selbst schützt. Wir können also von einer Phase der Gewöhnung an die Berge und die Lebensweise dort sprechen. Es gab viele Schwierigkeiten, aber es entwickelte sich ein gewisser Grad der Anpassung. Natürlich gab es auch Menschen, die daran scheiterten. Dann begann aber allmählich die Beteiligung der Menschen aus der Region Botan. Sie hatten einen großen Einfluss. Zum Beispiel die Beteiligung von Genossen wie Ahmet Rapo und vielen anderen waren sehr wertvoll. Sie waren Einheimische, sie waren Analphabeten, sie sprachen kein Türkisch, aber sie kannten das Land und die Gesellschaft. Diese Freunde leisteten einen großen Beitrag zur Guerilla.
Kurz gesagt, die Guerilla passte sich zunächst an die Berge an, lernte die Gesellschaft gut kennen und machte sich mit der sozialen Struktur der ländlichen Gebiete, insbesondere von Botan, vertraut. Damals gab es zum Beispiel eine Analyse von Heval Egîd über die Bauernschaft in Botan. Seine folgende Beobachtung war bemerkenswert: „Der Verstand des kurdischen Bauern ist in seinen Augen, nicht in seinem Kopf“. Mit anderen Worten, egal wie viel man redet, er wird es nicht glauben, aber wenn er es mit eigenen Augen sieht, wird er es glauben. Die Bauern in Kurdistan waren wirklich so. Bei der Guerilla stimmten Worte und Taten überein. Daher hatten die Freunde oft einen großen Einfluss auf die Menschen, mit denen sie in einem Dorf, das sie ein paar Mal besucht hatten, in Kontakt waren, und schufen so radikale Veränderungen. Die Menschen vertrauten den Freunden. Es hatte sich Vertrauen und Loyalität entwickelt, aber gleichzeitig hatten sie Mitleid mit ihnen.
Warum Mitleid?
Sie sagten: „Diese Menschen haben sich gegen den Staat erhoben, aber sie werden alle sterben, sie werden nicht lange leben.“ Emotionale Ansätze standen im Vordergrund, teilweise aus Mitleid. Denn im Laufe der Geschichte hatten alle Versuche, die im Namen der kurdischen Freiheit unternommen wurden, mit einer Niederlage geendet. In dieser Hinsicht war die Gesellschaft eingeschüchtert. Der Glaube, dass sie gegen den Staat erfolgreich sein könnten, war sehr schwach. Man sagte: „Ihr seid sehr ehrlich, sehr mutig, sehr wahrhaftig, aber aus der kurdischen Gesellschaft wird nichts kommen.“ Erst mit dem Aufbruch vom 15. August begannen alle, das Geschehen mit großer Aufmerksamkeit zu verfolgen. Alle fragten sich, wie lange das gehen würde. Denn damals hatte der Chef der Junta, Kenan Evren, seine berühmte Rede gehalten und gesagt: „Egal in welches Loch die Täter dieses Anschlags kriechen, egal hinter welchem Stein sie sich verstecken, unsere Armee wird sie bei den Ohren packen und sie innerhalb von 72 Stunden vor Gericht stellen.“ Das wurde damals im Fernsehen, im Radio und in den Zeitungen verkündet. Die Öffentlichkeit verfolgte gespannt, wie viele Tage oder wie viele Monate es dauern würde. Denn niemand rechnete damit, dass wir uns nach dieser Aktion auf den Beinen halten würden.
Harter Kampf nach dem 15. August
Die Jahre nach der ersten Guerillaaktion müssen sehr schwierig gewesen sein...
Besonders 1985 war ein sehr schwieriges Jahr für uns. Wegen des starken Drucks und einiger Verräter mussten wir an vielen Orten Schläge einstecken, und es gab Gefallene. In Garzan zum Beispiel wurden fast alle unsere Einheiten vernichtet; nur zwei Freunde blieben übrig. Auch in Amed, Bingöl und vielen anderen Regionen erlitten wir Schläge. Wir hatten schwere Verluste. 70 bis 80 Prozent unserer Kräfte sind damals gefallen. Wir waren ohnehin wenige. Das war eine sehr kritische Phase. Der Durchbruch vom 15. August hatte große Hoffnungen und Ängste beim Volk geweckt, aber auch Erwartungen. Aber die taktische Führung konnte nicht darauf reagieren, spielte ihre Rolle nicht, es gab Vorbehalte und Verzögerungen, obwohl es notwendig gewesen wäre, die Aktionen fortzusetzen und durch neue Beteiligung zu wachsen. Das wurde nicht getan, und so kam es zu einer Stagnation. Auf der anderen Seite wurden wir aufgrund der schweren Angriffe massiv getroffen. Infolge des Verrats einiger weniger Personen gelangten Informationen an den Feind und richteten schweren Schaden an. Daher kam es zu einer Phase voller Zweifel und Zögern. Während dieser Zeit befand sich Heval Egîd bei Rêber Apo, um Bericht zu erstatten. Nach der Rückkehr von Genosse Egîd und seinem Tod im Frühjahr 1986 vertieften sich die taktischen Bedenken im damaligen Kommando noch mehr. In diesem Sinne war das Eingreifen von Rêber Apo beim Dritten Kongress eine sehr wichtige und historisch wertvolle Intervention. Die Tatsache, dass Rêber Apo erneut die Linie vorgab und mit all seiner Kraft intervenierte, führte zu einem neuen Aufbruch der Guerilla und zum Beginn ihres Aufstiegs ab 1987.
In dieser Zeit gab es verschiedene Probleme in der Guerilla. Vor allem nach dem Tod von Heval Egîd, der Versetzung der früheren Leitung in ein anderes Gebiet und der Initiative einer neuen Leitung entstand ein Prozess der Schwächung in der Führung und Kontrolle. Es gab einige, die dies ausnutzten und versuchten, ihr eigenes Verständnis durchzusetzen. Die Viererbande, die Rêber Apo oft kritisierte und analysierte, war ein Phänomen dieser Zeit. Es gab Versuche, die Bewegung von innen heraus zu zersetzen und die richtige Linie durch eine andere Praxis zu verzerren. Es entstand eine Kontra-Praxis und man versuchte, die Bewegung gegenüber der Gesellschaft falsch darzustellen. Doch trotz dieser Praktiken von Leuten wie Hogir, die Hinrichtungen durchführten und viele Stämme gegen die Bewegung aufbrachten, konnte die Guerilla ihren festen Kurs beibehalten und sogar wie eine Lawine immer weiter wachsen. Dies schuf im Volk große Hoffnung.
Die Menschen sahen mit eigenen Augen, dass es diesmal nicht wie bei den alten Aufständen war und der Feind die Guerilla nicht wirklich besiegen konnte. Die Guerilla wuchs und wuchs und gab Hoffnung. Daher nahm die Beteiligung aus der Bevölkerung weiter zu. Auf dieser Grundlage begann auch die Phase der Volksaufstände, der Serhildan. Das ist es, was wir als Auferstehung bezeichnen. Mit anderen Worten, die Gesellschaft, deren Hoffnung zerstört worden war, die fast aufgegeben hatte und zum Schweigen gebracht worden war, die sich nicht um sich selbst kümmern konnte, näherte sich der Guerilla zunächst zögernd. Aber als die Menschen sahen, dass die Guerilla wuchs und den Kampf gegen den Feind aufnahm, verbanden sie sich stärker mit der Guerilla, entwickelten Hoffnung und erhoben sich. Auf diese Weise wurde die Wiederbelebung der untergegangenen Gesellschaft tatsächlich verwirklicht. Rêber Apo nannte dies die „Revolution der Auferstehung“.
Das war die Grundlage der Serhildan von 1989 bis 1990. Es entwickelte sich ein sehr radikaler Wandel in der Gesellschaft. Es war eine soziale Revolution. Anstelle der veralteten, feudalen, engen Sichtweise entstand eine demokratische, offene, moderne Sichtweise. Das Wichtigste war die Entwicklung der Frauenbefreiung, ein Punkt, den Rêber Apo von Anfang betonte und auf den er sich konzentriert hat. Besonders die Aktivität der Genossin Bêrîvan (Binevş Agal) in Cizîr war für die Gesellschaft sehr wichtig. Ja, es gab Havva, Leyla, Saadet, Rûken und viele andere Aktivistinnen, aber die Praxis der Genossin Bêrîvan, die sich in der Bevölkerung engagierte, hat gezeigt und sichtbar gemacht, was es heißt, eine freie Frau zu sein. Mit anderen Worten, die kurdische Frau und das kurdische Mädchen, die bis dahin im Haus eingesperrt waren, die nicht einmal vor die Tür gehen konnten, geschweige denn auf den Basar, die mit niemandem außerhalb des Hauses sprechen konnten, begannen organisatorisch-politische Aktivitäten durchzuführen, mit allen möglichen Leuten zu sprechen, alle, Männer und Frauen, zu beeinflussen und zu organisieren, militärische Aktionen zu unternehmen, Flugblätter zu schreiben und zu verteilen, und sie traten als Pionierinnen auf die Bühne der Geschichte. Die Praxis von Genossin Bêrîvan zusammen mit Genosse Baran (Adil Aslan) in Cizîr spielte eine aktivierende Rolle bei der gesellschaftlichen Revolution. Auf diese Weise wurde die Auferstehungsrevolution auf der Grundlage der Aufklärung und des großen Wandels verwirklicht.
Trotz aller Probleme hat die Guerilla neben dem Wandel, der Anpassung und dem Widerstand, den sie in sich selbst hervorgerufen hat, auch einen solchen radikalen Wandel in der Gesellschaft bewirkt. So gehen zum Beispiel Volksbewegungen in der ganzen Welt mit verschiedenen Forderungen auf die Straße. Meist handelt es sich dabei um wirtschaftliche und politische Forderungen. In Kurdistan jedoch gingen die Menschen mit den Beerdigungszeremonien der Guerilla auf die Straße. Die erste Begräbniszeremonie in Nisêbîn und später ähnliche Zeremonien in Cizîr wurden zur Grundlage der Serhildan. Mit anderen Worten: Der Motor des Prozesses ist die Guerilla, das Denksystem der Guerilla, die Lebensweise der Guerilla, die Art des Kampfes der Guerilla. Dieses Denksystem leitete eine große Veränderung in der Gesellschaft ein, und so wurde anstelle der alten hoffnungslosen und passiven Gesellschaft ein Entwicklungsprozess angestoßen, durch den die Gesellschaft aufsteht, für sich selbst kämpft, Widerstand leistet und mit einer demokratischeren Perspektive in die Zukunft blickt.