Sammelabschiebung nach Sri Lanka stellt Linke vor Aufgaben

Tagelang haben tamilische Verbände gemeinsam mit Initiativen versucht, die kurzfristige Sammelabschiebung nach Sri Lanka zu verhindern. Die Kraft des öffentlichen Protestes war dafür nicht stark genug. Dies stellt linke Aktivist*innen vor Aufgaben.

Eine knappe Woche lang hatten tamilische Verbände gemeinsam mit zahlreiche Initiativen versucht, die kurzfristige Sammelabschiebung vom Düsseldorfer Flughafen nach Sri Lanka am vergangenen Dienstag zu verhindern. Die Kraft des öffentlichen Protestes war dafür nicht stark genug.

Vier der Festgenommenen wurden kurz vor dem Abflug aus der Haft entlassen, nach Auskunft der Bundespolizei waren 24 Personen aus NRW an Bord, die genaue Zahl der Menschen aus Hessen und Baden-Württemberg ist weiterhin nicht genau bekannt. Die zuständigen Behörden verweigern bisher genaue Auskünfte.

Über den Zeitpunkt und die konzertierte Aktion der Abschiebebehörden wundern sich alle Beteiligten. Am 24. März wurden in den genannten drei Bundesländern fast zeitgleich die Verhaftungen durchgeführt, ein paar wenige am folgenden Tag. Angehörige berichten, dass die Tamil*innen im mehreren Fällen quasi in die jeweilige Ausländerbehörde gelockt wurden, um sie von dort direkt in die Abschiebegefängnisse in Büren und Pforzheim zu bringen.

Flughafen-Demonstration in Düsseldorf

Abschiebungen trotz Resolution zu Sri Lanka

Nur einen Tag zuvor hatte in der Schweiz der UN-Menschenrechtsausschuss getagt und eine von der BRD unterzeichnete Resolution verabschiedet, in der sowohl vergangene als auch aktuelle Menschenrechtsverletzungen der sri-lankischen Regierung kritisiert werden. Auch Verstöße gegen das Völkerrecht während des jahrzehntelangen Bürgerkrieges sollen auf Regierungsseite endlich genauer untersucht werden. Das haben sämtliche Regierungen des Inselstaates bisher erfolgreich in ihrem eigenen Interesse blockiert, denn viele der heutigen Machthaber waren direkt oder mittelbar an den genozidalen Kriegshandlungen gegen die tamilische Bevölkerung beteiligt. Das ist eindeutig belegt, hat bisher nur nicht viele Regierungen interessiert. Zumindest nicht so sehr, dass sie sich zu eindeutigen Aussagen oder gar zum Handeln genötigt gefühlt hätten.

Kundgebungen vor den Gefängnissen

Der Volksrat der Eelam Tamilen in Deutschland e.V. (VETD), der Tamilische Frauenverein und die Tamilische Jugendorganisation (TYO) haben nach Bekanntwerden der Festnahmen Alarm geschlagen und zu Protesten aufgerufen. Zeitgleich fanden am Sonntag, dem 28. März, in Pforzheim und Büren Kundgebungen vor den Gefängnissen statt. Am Montag wurde kurzerhand eine Demonstration vor dem Landtag in NRW abgehalten. Auch in Heidelberg hielt der Studierendenverband DIE LINKE.SDS vor dem Rathaus eine Mahnwache ab. Am Dienstag Abend demonstrierten in den Stunden vor der Abschiebung rund 100 Aktivist*innen im Flughafen, um die Abschiebung in letzter Sekunde aufzuhalten.

Abschiebemaschinerie war diesmal nicht aufzuhalten

In der Kürze der Zeit wurde mit genau dieser Hoffnung vieles versucht, obwohl es wahrscheinlich war, dass die einmal in Gang gesetzte Abschiebemaschinerie diesmal nicht aufzuhalten sein wird. Die Eilanträge der Anwält*innen wurden abgelehnt, eine Eingabe im Petitionsausschuss des Landes NRW der Ratsfraktion DIE LINKE.LISTE Oberhausen, der VVN-BdA und Geflüchteteninitiativen wartet Tage danach noch auf Beantwortung. Zahlreiche Stellungnahmen wie von der LINKEN Parteivorsitzenden, dem LINKEN Landesverband NRW, der grünen Landtagsabgeordneten Berivan Aymaz, dem Flüchtlingsrat NRW oder der Offene Brief des katholischen Pfarrers Albert Koolen haben eine breite politische Öffentlichkeit erreicht und auf die Machenschaften von Bundesinnenminister Horst Seehofer und der Landesregierungen aufmerksam gemacht.

Zahlreiche Fragen und Aufgaben

Die Sammelabschiebung von Tamil*innen nach Sri Lanka wirft Fragen auf und stellt linke Aktivist*innen vor Aufgaben. Die wichtigste Frage ist sicher, ob sie selbst im Sinne der herrschenden rigiden Asylgesetzgebung „rechtens“ war. Es wäre nicht das erste Mal, dass Menschen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in Folterländer und Diktaturen abgeschoben werden und die Maßnahmen im Nachhinein für nichtig erklärt werden. Oft ist es dann nur zu spät.

Eine weitere Frage ist, warum die Bundesregierung gerade jetzt ihren Kurs ändert, nachdem sie einige Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges 2009 die Abschiebungen nahezu ausgesetzt hatte, und ob sie durch anhaltende Proteste dazu gebracht werden kann, davon wieder Abstand zu nehmen. Das offensichtliche Vorhaben der Zuständigen in Bund und Land, diese große Anzahl an Menschen still und leise außer Landes zu schaffen, ist ihnen wenigstens auch aufgrund der Medienberichterstattung nicht gelungen.

In wenigen Tagen haben viele Organisationen wie KON-MED, Migrantifa, die iL und kommunistische Jugendgruppen die Initiative ergriffen und gemeinsam mit der tamilischen Diaspora gemeinsam um das Bleiberecht der Menschen gekämpft. Eine politische Aufgabe kann es nun sein, daran anzuknüpfen.

Solidarischer Bezug zu tamilischem Widerstand

Die Situation der tamilischen Bevölkerung auf Sri Lanka gehört nicht erst jetzt viel stärker in die öffentliche (linke) Diskussion. Nach wie vor werden dort über 146.000 Tamil*innen vermisst, die Zahl der politischen Gefangenen ist unbekannt. Während die Rajapaksa-Regierung alles unternimmt, um Proteste für das tamilische Selbstbestimmungsrecht zu unterbinden und das Gedenken an den Genozid zu kriminalisieren, reagierte die tamilische Bevölkerung vor kurzem erstmals wieder mit landesweiten Massenprotesten. Die international bekannt gewordene #P2P-Demonstration gegen anhaltende Repression, Landenteignungen und systematische rassistische Diskriminierung war ein enormer Schritt der Opposition. Ein solidarischer Bezug auf derartige Auseinandersetzungen wäre ein großer Beitrag, um die tamilische Diaspora in ihrem Kampf um Anerkennung und Bleiberecht zu unterstützen.