Kurdischer Sänger Ferhat Tunç ebenfalls auf „Hinrichtungsliste“

Der kurdische Musiker Ferhat Tunç befindet sich ebenfalls auf der „Hinrichtungsliste“ mit den Namen von Exil-Oppositionellen gegen das Erdoğan-Regime. Das habe ihm die Kriminalpolizei Darmstadt mitgeteilt.

Der kurdische Musiker Ferhat Tunç befindet sich wohl ebenfalls auf einer „Hinrichtungsliste“ mit den Namen von Exil-Oppositionellen gegen das Erdoğan-Regime. Das gab der 57-jährige Künstler am Samstag in einem Video auf seinem YouTube-Kanal bekannt. Demnach sei Tunç kürzlich von der Kriminalpolizei Darmstadt darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass sein Name auf der Liste mit 55 Personen steht, von der seit einiger Zeit die Rede ist, und sein Leben in Gefahr ist.

„Seit 40 Jahren engagiere ich mich für die Kunst. Gleichzeitig erhebe ich meine Stimme gegen Menschenrechtsverletzungen. Niemals unterscheide ich zwischen den Menschen, für deren Rechte ich eintrete. Auch die Journalist:innen, deren Namen auf dieser Liste stehen, sind hinter der Wahrheit her. Sie [die Regierung] hindern uns daran, in unserem Land zu leben, zu arbeiten und zu sprechen. Aber wir wissen, dass diese Tage vergehen werden, und aus diesem Grund verbringen wir jede Sekunde damit, davon zu träumen, in unser Land zurückzukehren. Denn dieses Land gehört uns“, so Tunç in dem Video.

Regierung soll Täter entlarven

Nicht einen Schritt zurückweichen wolle er aufgrund der Drohungen, Angst habe er nicht, erklärt der Sänger. „Allerdings handelt es sich nicht um ein Problem, das meine Person betrifft. Hier wird eine Atmosphäre geschaffen, die den ‚unnatürlichen Tod‘ normalisiert. Der Vergleich zu den 90er Jahren erscheint mittlerweile unbedeutend. Wir müssen diesen Trend stoppen und dem Zustand, an den sie uns gewöhnen wollen, einen Schritt voraus sein“, sagt Tunç. An die AKP-Regierung gerichtet fordert der Musiker die Entlarvung der potenziellen Täter. „Wenn die Regierung behauptet, nichts mit den Drohungen zu tun zu haben, muss sie aufdecken, wer uns ermorden will. Tut sie es nicht, versteht sich von selbst, wer unser Todesurteil ausgesprochen hat.“

Tunç in der Türkei bereits verurteilt

Der aus dem nordkurdischen Dersim stammende Künstler Ferhat Tunç, der als Jugendlicher nach Rüsselsheim kam, zählt zu den bekanntesten Vertreter:innen der Protestmusik. Seit Jahren setzt er sich für eine Lösung der kurdischen Frage und die Demokratisierung der Türkei ein. Mehrmals wurde er dafür in der Türkei angeklagt. Im September 2018 verurteilte ein Istanbuler Gericht den Künstler wegen „fortgesetzter Propaganda für eine terroristische Organisation“ zu knapp zwei Jahren Freiheitsstrafe. Tunç wurde unter anderem zum Vorwurf gemacht, an der Beerdigung des Anti-IS-Kämpfers Aziz Güler (Rasih Kurtuluş) teilgenommen zu haben. Weitere Prozesse wegen vermeintlicher Terrorpropaganda und ein türkischer Haftbefehl sind anhängig. Seit einigen Jahren lebt Tunç wieder ausschließlich in Deutschland.

Exil-Journalisten auf Hinrichtungsliste

Auf der Hinrichtungsliste mit den Namen von Exil-Oppositionellen stehen neben Tunç unter anderem auch kritische Journalist und Chefredakteur von Artı Gerçek und des Kölner Senders Artı TV, Celal Başlangıç, sowie der in Berlin lebende Journalist Erk Acarer, der ebenfalls unter anderem für Artı TV arbeitet. Acarer war kürzlich im Innenhof seines Wohnhauses von drei Bewaffneten überfallen und zusammengeschlagen worden. Obwohl er seitdem unter Polizeischutz steht, wird er weiter bedroht. Celal Başlangıç teilte letzten Mittwoch mit, Besuch von Seiten der Kriminalpolizei erhalten zu haben, weil sich sein Name auf der Liste befindet. „Zunächst war die Rede von einer Liste mit den Namen von 21 Personen. Dann gab es die Information von einer weiteren Liste mit 43 Namen, aber die Namen der dort befindlichen Personen waren unbekannt. Die deutschen Polizisten, die zu mir nach Hause kamen, erwähnten eine dritte Liste und sagten, dass es eine Liste von 55 Erdoğan-Gegnern gebe, die im Ausland lebten, und dass mein Name auf dieser Liste stehen würde. Aus dem, was die Polizei sagte, verstanden wir, dass es Ermittlungen in der Angelegenheit gab. Es gibt einen Polizisten, der den Fall bearbeitet, und eine Fallakte. Unser Anwalt befasst sich damit und versucht, Informationen zu erhalten. Es sieht aus, als nähme die deutsche Polizei den Fall ernst“, erklärte Başlangıç.