Karasu: Erdogan wollte angeblich als Vermittler auftreten

„Erdogan wollte angeblich ein Vermittler bei dem Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas sein. In unseren Hände befinden sich seit geraumer Zeit zwei MIT-Offiziere. Er hat kein einziges Mal nach ihnen gefragt.“ - Mustafa Karasu, KCK

Mustafa Karasu hat sich in einer Sondersendung im TV-Sender Medya Haber zu der Kampagne für die Freilassung von Abdullah Öcalan, die türkischen Besatzungsangriffe auf die Medya-Verteidigungsgebiete und Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen geäußert. Als Exekutivratsmitglied der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) erklärte Karasu, dass die von Israel heute in Gaza angewandten Methoden von der Türkei entwickelt und erprobt worden sind. Als Beispiel nannte Karasu die Angriffe des AKP/MHP-Regimes auf die Infrastruktur in Rojava und die Chemiewaffeneinsätze in Tunnelanlagen der Guerilla in Kurdistan.

Zu dem Angebot der Erdogan-Regierung, bei Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln, sagte Karasu: „Er wollte angeblich ein Vermittler bei diesem Gefangenenaustausch sein. In unseren Hände befinden sich seit geraumer Zeit zwei MIT-Offiziere. Er hat kein einziges Mal nach ihnen gefragt. Er schlägt nicht vor, zehn oder fünfzehn kranke Gefangene im Austausch für diese beiden Geheimdienstler freizulassen. Es sind seine eigenen Leute, wichtige Männer. Insofern sollte man gar nichts ernst nehmen, was der türkische Staat über Israels Krieg sagt.“

Die türkische Armee rückt trotz PDK-Unterstützung nicht vor

Zu den am 21. Oktober intensivierten Besatzungsangriffen der türkischen Armee in den Medya-Verteidigungsgebieten in Südkurdistan erklärte Karasu: „Der türkische Staat hat sich an einigen Stellen festgesetzt, er hat auf Hügeln Stellung bezogen, und in gewisser Weise kämpfen die Guerilla und der türkische Staat jetzt an vielen Stellen, insbesondere an den Grenzlinien, ineinander verwoben. Der Krieg geht weiter. Der türkische Staat kann trotz all seiner Technik nicht vorrücken, obwohl er von der PDK unterstützt wird. Die PDK leistet alle Arten von Unterstützung. Die Guerilla kann sich wegen der Vorgehensweise der PDK nicht so bewegen, wie sie will. Die PDK stellt Hindernisse für Logistik und Verstärkung auf. Mit anderen Worten: Die Guerilla kämpft dort unter schwierigen Bedingungen, sie kämpft aufopferungsvoll, und das hindert natürlich den türkischen Staat daran, sich dort niederzulassen und zu dominieren. Er beherrscht die Gebiete nicht. Ja, er hat sich an einigen Stellen festgesetzt, aber er wird ständig getroffen. Sie können nicht schlafen. Sie bombardieren ständig, kontrollieren ständig mit Drohnen, mit allen möglichen Techniken, greifen ununterbrochen mit Mörsern und Haubitzen von der Grenze aus an, bombardieren mit Flugzeugen, bombardieren mit Hubschraubern. Die Bomben, die dort einschlagen, sind um ein Vielfaches mehr als die, die von Israel abgeworfen werden. Das wird nicht gesehen. Und das ist schon seit Jahren so. Ich meine, nicht erst seit einem Monat. Sie bombardieren die Berge und verbrennen Wälder. So ist der Krieg in Kurdistan.

Dagegen ist der Widerstand unserer Freundinnen und Freunde wirklich aufopferungsvoll. Unsere Bewegung führt seit 50 Jahren einen aufopferungsvollen Kampf. Das ist das, was seit dem Widerstand im Kerker [von Amed unter der türkischen Militärjunta nach dem Putsch von 1980] passiert ist. Man kann unsere Sonne nicht verdunkeln, den Geist, der durch Tausende von Opfern geschaffen wurde. Diese haben sich bis zum heutigen Tag summiert. Die Opferbereitschaft, die in diesen Tagen gezeigt wird, geht auf 50 Jahre der Opferbereitschaft zurück.

Es ist nicht möglich, die PKK zu zerstören

Trotz der Technik des Feindes, trotz aller möglichen Gelegenheiten, unter diesen schwierigen Bedingungen, gehen junge Freundinnen und Freunde mit Begeisterung zum Feind wie zu einer Hochzeit. Kann diese Guerilla, kann dieser Geist besiegt werden? Ist es möglich, diesen Geist zu besiegen? Dieser Geist ist jetzt der Geist des kurdischen Volkes. Es ist der Geist der kurdischen Jugend, der kurdischen Frauen. Dieser Geist wird den völkermörderischen Kolonialismus definitiv besiegen. Sie können sagen, was sie wollen, wir werden dies tun, wir werden jenes tun, wir werden Erfolg haben. Die Zeit dafür ist vorbei. Ja, man kann angegriffen werden. Du kannst auch Verluste erleiden. Auch die Guerilla kann Verluste erleiden und einen Preis zahlen. Auch unser Volk kann einen Preis zahlen. Aber dieser Opfergeist, die von ihm geschaffene Realität des Volkes wird den völkermörderischen Kolonialismus besiegen. Abbas Heval sagte, dass es nicht möglich ist, die PKK auf diese Weise zu zerstören oder zu eliminieren. Die PKK wächst, die Führung wächst, das kurdische Volk wächst unter den Völkern der Welt. Es gibt eine solche Realität. Es gibt eine solche Realität des Kampfes. In dieser Hinsicht zu denken, dass man sie mit Panzern und Kanonen besiegen kann, ist so, wie Rom einst dachte, dass es Jesus besiegen würde, wie Mekka einst dachte, dass es Mohammed besiegen würde, wie der reaktionäre Widerstand in Europa gegen die Reform der Renaissance, wie diejenigen, die sich gegen starke Gedanken und neue Ideen gewehrt haben, verloren haben, wird die Türkei im Angesicht eines solch großen Kampfes verlieren. Wir bekommen wirklich Moral von diesen jungen Freundinnen und Freunden. Sie repräsentieren unseren 50-jährigen Kampf und unseren Opfergeistes. Ich grüße sie hier noch einmal mit Liebe und Respekt.

Probleme lassen sich nicht mit Religion und Nationalismus lösen

Was hat der israelisch-palästinensische Krieg gezeigt? Probleme lassen sich nicht mit Religionismus und Nationalismus lösen. Ja, das Problem der Juden ist Tausende von Jahren alt. Sie wurden mehrfach vertrieben, über die ganze Welt verstreut und Opfer von Völkermord. Sie wurden in vielen Teilen der Welt immer an den Rand gedrängt. Und sie haben darum gekämpft, sich in den palästinensischen Gebieten niederzulassen. Das steht in der Tora. Dieses Problem ist also in der Tora enthalten. Der Kampf der Juden, sich in Palästina niederzulassen, und die Probleme, die sie mit den Menschen dort hatten, begannen zu dieser Zeit. Ich meine, es hat angefangen, aber es kann nicht ewig so weitergehen. Dieses Problem muss mit dem richtigen Ansatz, mit einem sozialwissenschaftlichen Verständnis gelöst werden.

Eines der wichtigsten Merkmale von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] ist, dass er die Sozialwissenschaft stark verändert hat. Er sagt, dass die Sozialwissenschaft im Zeitalter der kapitalistischen Moderne all diese Probleme geschaffen hat. Es ist die kapitalistische Moderne, die so viel religiösen Fanatismus, Nationalismus und Monismus hervorgebracht hat. Ja, es gab auch in der Vergangenheit Probleme, aber es ist dieses System, das die Probleme verschlimmert. Der Erste Weltkrieg und der Zweite Weltkrieg sind ausgebrochen. Gibt es in der Geschichte einen Krieg, der so schwer ist wie der Zweite Weltkrieg? Einen Krieg, der so schwer ist wie der Erste Weltkrieg? Gibt es einen? Ich meine, nein. Die großen und schweren Kriege haben in der Ära der kapitalistischen Moderne stattgefunden. Unter diesem Gesichtspunkt hat dieser Krieg folgendes gezeigt: Mit den bestehenden Auffassungen ist das nicht zu machen. Die Auffassungen müssen sich ändern. Nationalismus und Religiosität müssen sich ändern. Das Verständnis der demokratischen Nation muss sich entwickeln. Die Herangehensweise an die Lösung von Problemen, d.h. das Verständnis einer Lösung in einer gemeinsamen Heimat im Sinne einer demokratischen Nation, nicht mit Krieg, muss sich entwickeln. Sonst kommt man mit solchen blinden Kämpfen nicht weiter. Im Moment gibt es einen blinden Kampf.

Der türkische Staat will die Ausbreitung des Krieges

Natürlich gibt es ungerechte Praktiken von Israel. Dagegen gibt es den Widerstand des palästinensischen Volkes. Aber auf der Grundlage der ungerechten Praktiken Israels sollte es niemanden geben, der den Kampf des palästinensischen Volkes verzerrt oder offen Zivilpersonen tötet, wie die Hamas. Natürlich legitimiert das nicht den aktuellen Angriff Israels auf Gaza. Es handelt sich hier um einen Angriff gegen ein Volk. In dieser Hinsicht muss dieses Thema wirklich hervorgehoben werden. Wie ich bereits gesagt habe, ist Rêber Apos Verständnis von demokratischer Nation eine Lösung. Das Problem kann gelöst werden, indem man die Existenz des anderen anerkennt. Auf der anderen Seite ist es notwendig, die Rechte der Palästinenser anzuerkennen, wo sie existieren. Das kann jedoch nicht mit Nationalismus, Religionismus oder Etatismus geschehen. Stattdessen sind die Probleme mit Ansätzen wie demokratische Nation, demokratischer Konföderalismus, Geschwisterlichkeit der Völker, gemeinsames Heimatland zu lösen.

Es hat sich hier Folgendes herauskristallisiert: Die Ausweitung dieses Krieges nützt niemandem. Es gibt keinen Nutzen. Die USA sind bereits besorgt über eine Ausweitung des Krieges, der Iran ist ebenfalls besorgt. Tatsächlich sind auch die arabischen Länder besorgt. Sie wollen nicht, dass sich der Krieg zu sehr ausweitet. Der einzige, der ihn will, ist der türkische Staat. Der türkische Staat will, dass der Krieg sich ausbreitet, damit er davon profitieren kann.

Mit Nutzen meine ich die kurdische Frage, den Völkermord an den Kurdinnen und Kurden. Das ist es, woran sie denken. Hinter der gesamten Politik des türkischen Staates steht der Völkermord an den Kurden. Das ist seine erste und wichtigste Politik. Das ist sein Ziel. Deshalb will er die Ausbreitung des Krieges. Auch die USA verfolgen mit verschiedenen Mitteln eine bestimmte Politik, aber der türkische Staat ist nicht so. Der türkische Staat will wirklich, dass er sich ausbreitet.

Israel tut, was die Türkei tut

Die Völker, die demokratischen Kräfte, stellen sich in diesem Krieg gegen den Angriff Israels. Israel kann so nicht weitermachen. Selbst die USA verteidigen es nicht, selbst seine Unterstützer verteidigen es nicht. Die Lösung der palästinensisch-israelischen Frage ist natürlich sehr wichtig, aber es gibt auch die kurdische Frage. Der Nahe Osten kann ohne die Lösung der kurdischen Frage keine Stabilität und keinen Frieden erreichen. Aber wenn die beiden grundlegenden Probleme, der israelisch-palästinensische Konflikt und die Anerkennung der Rechte der Kurden auf Freiheit und Existenz, gelöst sind, werden Demokratie und Frieden im Nahen Osten wirklich Einzug halten.

Die Türkei tut, was Israel tut. Genauer gesagt, Israel tut das, was der türkische Staat tut. Es vertraut dem türkischen Staat. Kürzlich wurde berichtet, Israel würde die Tunnel im Gazastreifen mit Wasser füllen. Der türkische Staat macht das auch. Er versucht die Tunnel zum Einsturz zu bringen, indem er sie vollständig aufbricht. Er setzt chemisches Gas ein. Danach verbrennt er Reifen mit irgendeiner Chemikalie und pumpt den Rauch in die Tunnel. Jetzt macht Israel das. Die Türkei sagt sogar, dass Israel jeden Tag Massaker verübt. Was Israel tut, ist Völkermord. Wir müssen es so akzeptieren, wir müssen es so bewerten. Ja, aber der türkische Staat tut es bereits, er tut es selbst, mit anderen Worten, er tut es im Übermaß. Was hat Hakan Fidan vor dem Ausbruch des Krieges zwischen Israel und Hamas gesagt? Wir werden die gesamte Energieinfrastruktur [in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien] zerstören. Was bedeutet das? Was bedeutet es, wenn ich sage, dass ich die Infrastruktur zerstören werde? Ich werde die Möglichkeit des Lebens zerstören, das hat er gesagt. Jetzt schreit er, dass Israel einen Völkermord begeht, dass Israel Massaker begeht. Er versucht, seine eigenen Taten zu vertuschen. Aber es ist klar, dass das nicht überzeugend ist. Ja, bei einem anderen Staat, einem anderen Land mag es richtig sein, aber das gilt keinesfalls für den türkischen Staat. Erdogan tut alles, was er sagt, und noch mehr. Wie viele Menschen leben in Rojava? Nahezu fünf Millionen. Er hat in New York, bei den Vereinten Nationen, eine Karte gezeigt. Er wird ganz Rojava von dort ausradieren. Ihr wollt es entwurzeln und wegnehmen, aber ist das kein Völkermord? Sie tun es ganz offen.

Die Türkei ist nicht auf der Seite Palästinas

Der türkische Staat tut, was Israel tut, oder Israel tut, was der türkische Staat tut. In dieser Hinsicht hat der türkische Staat keine humanitären Werte. Er wollte angeblich ein Vermittler bei diesem Gefangenenaustausch sein. In unseren Hände befinden sich seit geraumer Zeit zwei MIT-Offiziere. Er hat kein einziges Mal nach ihnen gefragt. Er schlägt nicht vor, zehn oder fünfzehn kranke Gefangene im Austausch für diese beiden Geheimdienstler freizulassen. Es sind seine eigenen Leute, wichtige Männer. Insofern sollte man gar nichts ernst nehmen, was der türkische Staat über Israels Krieg sagt. Er schreit, um seine eigene Maske nicht fallen zu lassen, wie ein Dieb in der Nacht. Israel sagt das alles. Ja, die Völker sagen es ohnehin bereits. Aber die Türkei sagt es, um ihre eigene Wahrheit zu verbergen. Ansonsten denkt die Türkei nicht an Israel, Gaza, Hamas, dies und jenes. Das einzige, woran die Türkei denkt, ist der Völkermord an den Kurdinnen und Kurden. Sie ist nicht auf der Seite der Palästinenser oder der Araber. Eines Tages wird sie den Palästinensern gegenüber feindlicher eingestellt sein als Israel. Sie ist ein solcher Staat, sie hat eine solche Realität. Sie hat keine Prinzipien.