Faschismus als Strategie

Die deutschen Verantwortungsträger in Staat, Regierung oder Medien sind nur solange in der Lage, den Faschismus in der Türkei am Leben zu halten, wie wir unsere eigene Kraft nicht erkennen.

Wer heute Türkei sagt, muss auch Faschismus sagen. Auf den tiefgreifenden Wandel des Mittleren Ostens reagiert der türkische Staat mit der Bündelung all seiner Kräfte. Denn seine Ideologen und Staatseliten haben „Großes“ vor. Sie möchten den Zerfall von Ländern wie Syrien, dem Irak oder Libyen nutzen, um den eigenen Einfluss – im Falle Nordsyriens und des Nordiraks sogar das eigene Staatsgebiet – auszuweiten.

Mit dem seit 2017 eingeführten Präsidialsystem hat sich die Türkei ganz offiziell eine autoritäre Ordnung gegeben, die alle verfügbaren Kräfte in Bürokratie, Militär, Medien und Wirtschaft bündeln soll. Was in deutschen Medien gerne als schwer zu verstehender Wahnsinn des verrückten Autokraten Erdoğan dargestellt wird, ist in Wirklichkeit eine wohl überlegte strategische Ausrichtung des türkischen Staatsapparates.

Der deutsch-türkischen strategischen Partnerschaft hat all das keinen Abbruch getan. Ganz im Gegenteil scheinen Bundesregierung und Staatsbürokratie in Deutschland entschlossen zu sein, der Türkei mit aller Kraft beizustehen. Immer wenn der türkische Partner gefährlich ins Straucheln gerät, springt man ihm mit Flüchtlingsabkommen oder pompösen Staatsbesuchen bei. Der angekündigte Türkei-Besuch Merkels im Januar und Erdoğans Anwesenheit bei einem geplanten Libyen-Gipfel in Deutschland im Februar passen da ins Bild.

Präsidialsystem statt Republik – die aktuelle Türkei verstehen

Wer die tagespolitischen Manöver eines Akteurs verstehen möchte, muss sich mit dem Charakter des Akteurs selbst beschäftigen. In unserem Falle also mit dem türkischen Staat und der AKP-MHP-Regierung. In seiner fünften Verteidigungsschrift setzt sich Abdullah Öcalan sehr ausführlich mit den historischen Wurzeln, den Gründungsumständen und verschiedenen Machtzirkeln des türkischen Staates auseinander. [Das Buch erschien 2011 auf Türkisch. Es wurde von Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali verfasst. Auf Deutsch lautet der Titel in ungefähr: Die kurdische Frage und die Lösung der Demokratischen Nation. Eine deutsche Übersetzung liegt bisher noch nicht vor.] In Bezug auf die Machtergreifung der AKP im Jahr 2002 und die seit dem andauernde Strategie des türkischen Staates macht Öcalan in dem Buch u.a. folgende Beobachtungen:

„Die AKP wurde vom amerikanisch-englisch-israelischen Dreiergespann aufgebaut, um der Hegemonie dieser drei Länder im Mittleren Osten zu dienen. Die AKP fordert als Gegenleistung für ihre Dienste, einen größeren Anteil zu erhalten. Dafür sollen der Druck der Armee auf sie abgeschwächt, in Zukunft von Putschen gegen sie abgesehen und ihr ein größerer Anteil an der Ausbeutung des Mittleren Ostens zugesprochen werden. Israel hält die noch in ihren Jugendjahren begriffene anatolische Bourgeoise für etwas exzentrisch und erwartet daher, dass sie demütigere Forderungen stellt. Das türkische Mantra, man sei eine ‚regionale bzw. globale Macht`, betrachtet Israel als überzogen und fordert von der Türkei realistisch anzuerkennen, wer in der Region und weltweit wirklich eine hegemoniale Position einnimmt. Die der AKP zugesprochene Rolle ist es, den schiitischen Nationalismus des Iran, den arabischen radikalen Islamismus und den laizistischen Nationalismus abzuschwächen und in das hegemoniale System zu integrieren. Es ist offensichtlich, dass der Türkei auf Ebene von Armee und Außenpolitik eine derartige Rolle gegeben wurde. Die AKP wird dieser Rolle auch gerecht. Während in Verbindung mit diesen Themen öffentlich der Eindruck erweckt wird, man befinde sich im Konflikt miteinander, handelt es sich um ein abgekartetes Spiel. Die Widersprüche in der Frage nach dem Anteil an der Ausbeutung des Mittleren Ostens sind jedoch real. Es handelt sich aber auch hier um Widersprüche, die innerhalb des Systems gelöst werden können. Mittel- und langfristig betrachtet wird es unausweichlich sein, dass die AKP eine vollständige Synthese mit dem hegemonialen System eingeht. Sollte sie eigensinnig werden und ein Bündnis mit dem Iran und dem radikalen Islam, gar mit dem aufgeklärten Islam eingehen und dadurch dem hegemonialen System Schwierigkeiten bereiten, wird es ihr nicht anders ergehen, als ihren Vorgängern oder der CHP.“

Die Worte Öcalans aus dem Jahr 2011 helfen uns die Türkei im Jahr 2020 besser zu verstehen. Mit der Machtergreifung der AKP hat die Türkei eine neue strategische Ausrichtung übernommen. Sie positioniert sich damit innerhalb des grundlegenden Umbruchs, der im Mittleren Osten unter der Führung der USA angestoßen wurde. In einem Interview mit dem kurdischen Fernsehsender STERK TV vom 27. Dezember 2019 Jahres charakterisiert Murat Karayilan, Mitglied im Leitungskomitee der PKK, die strategische Mission des AKP-MHP-Regimes folgendermaßen: „Der türkische Staat folgt heute einem neuen Konzept. Erdoğan ist stark geschwächt. Die AKP und die MHP sind ein Bündnis miteinander eingegangen, doch ist es ihnen dadurch nicht gelungen, die Situation wirklich zu stabilisieren. Was also haben sie daraufhin getan? Sie haben Erdoğan in die Doppelfunktion von Parteichef und Präsident des Landes gebracht – und zwar mithilfe eines an beiden Ohren herbeigezogenen Systems, für das es auf der Welt kein vergleichbares Beispiel gibt. Das faschistische Regime der AKP und MHP macht ihre Zukunft von dem Erfolg dieses Projekts abhängig. Wenn es dem AKP-MHP-Regime gelingt dieses Projekt erfolgreich in die Tat umzusetzen  – also die Kurdinnen und Kurden auszulöschen und die Macht der Türkei zu vergrößern – dann ist seine Zukunft gesichert. Schafft das Regime es nicht, wird es verschwinden. Deshalb ist Erdoğan nicht mehr der alte Erdoğan. Dessen sollte sich jeder bewusst sein. Die Mentalität Erdoğans stand auch früher schon diesen Kräften nah, doch heute steht er vollständig unter ihrer Kontrolle. Denn er ist zu 100% eins geworden mit der Staatsräson.“

Spätestens seitdem die Türkei im Sommer 2015 wieder einen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung und die PKK begonnen hat, wurde dem Land eine faschistische Staatsordnung verliehen. Erdoğan als Staatspräsident, die AKP und die MHP als Regierungsparteien, die türkische Staatsbürokratie, Militär, Medien und Wirtschaft – die Großzahl der entscheidenden Akteure in all diesen Bereichen haben sich auf eine gemeinsame Linie zur kompromisslosen Durchsetzung ihrer Interessen geeinigt. Im Rahmen der NATO werden ihnen dafür die notwendigen militärischen, wirtschaftlichen, geheimdienstlichen oder politischen Mittel zur Verfügung gestellt.

Imperialistische Ambitionen mithilfe von Völkermord

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion werden die Grenzen im Mittleren Osten neu gezogen. Die amerikanische Intervention im Irak 1991 läutete diese Phase mit Nachdruck ein. Staaten wie der Irak, Syrien, Libyen, Libanon, Jemen, aber auch Ägypten, Tunesien und Algerien sind seither entweder größtenteils zerfallen oder können nur unter massivem Druck zusammen gehalten werden. Nur den beiden Regionalmächten Iran und Türkei ist es bisher gelungen, das Chaos im Mittleren Osten in gewissem Maße für sich zu nutzen. Die Zerschlagung ganzer Länder durch die Interventionen von NATO-Staaten oder Russland sieht die Türkei als Gelegenheit für die Umsetzung historisch weit zurückreichender eigener imperialistischer Pläne. Murat Karayilan bringt die dahinter stehende Logik in dem oben erwähnten Interview folgendermaßen auf den Punkt:

„Die aktuelle türkische Staatsräson verfolgt in etwas diese Linie: `In den kommenden zehn Jahren wird es im Mittleren Osten zu bedeutenden Veränderungen kommen. Die politische Landkarte der Region wird neu gestaltet werden. Die USA und andere Staaten werden auf dieser Grundlage Veränderungen vornehmen. In diesem Rahmen wird man den Kurdinnen und Kurden einen Platz gewähren. Kurdistan wird gegründet werden. Die Gründung Kurdistans bedeutet die Verkleinerung der Türkei. Ein Drittel des türkischen Staatsgebietes wird verloren gehen. Um das zu verhindern, müssen wir die Dramatik der Lage anerkennen und eine Bewegung zur Neugründung der Türkei anstoßen.` Die Machthabenden der Türkei haben den aktuellen Krieg wiederholt als neuen türkischen Befreiungskrieg und Überlebenskampf des Landes bezeichnet. […] Das grundlegende Ziel dieser Logik ist die Vernichtung der kurdischen Errungenschaften. Dafür muss zu jedem Preis verhindert werden, dass sich die Kurdinnen und Kurden in Rojava einen Status erkämpfen. In der syrischen Verfassung soll das Wort `Kurdin bzw. Kurde` nicht einmal erwähnt werden. `Wenn so etwas geschieht, werden wir eingreifen`, drohen sie. Indem sie ihre Position in Syrien derart stark ausbauen, möchten sie dafür sorgen, dass die syrische Verfassung unter ihrer Kontrolle neu geschrieben wird. […] Die neue faschistische Mentalität unter Führung Erdoğans betrachtet den Vertrag von Lausanne [1923 abgeschlossener Vertrag zwischen der Türkei und Großbritannien, Frankreich, Italien etc., mit dem die bis heute gültigen Staatsgrenzen der Türkei festgelegt wurden] als eine Beleidigung. Ihr Ziel ist die Umsetzung des Misak-ı Milli [Nationalpakt; Anfang der 1920er Jahre entworfener Plan, der eine türkisches Staatsgebiet inklusive Thrakien, Nordsyrien und Nordirak vorsieht]. Genau mit diesem Ziel möchte Erdoğan jetzt Soldaten nach Libyen schicken. Die Pläne der Türkei bezüglich dem östlichen Mittelmeer, Libyen, Syrien, Irak und den anderen Bereichen des Misak-ı Milli beruhen alle darauf.“

Der Preis, den die Türkei bereit ist dafür zu zahlen, ist ein Völkermord an den Kurdinnen und Kurden. Unterstützt von den NATO-Partnern, ohne deren Unterstützung der kriselnde türkische Staat nicht dazu in der Lage wäre, vertreibt, assimiliert und ermordet die Türkei aktuell die Dorfbevölkerung Südkurdistans (Nordirak), Hunderttausende in den nordsyrischen Regionen Efrîn, Girê Spî oder Serêkanîyê und die kurdische Bevölkerung auf türkischem Staatsgebiet. Seit 2015 führt die Türkei dafür erneut einen Krieg, der das Land mittlerweile militärisch, wirtschaftlich und politisch in eine schwerwiegende Krise geführt hat. Mit der Invasion in Efrîn im Januar 2018 begann die Phase der offenen Kooperation mit radikalislamistischen Gruppen, die bis heute andauert. Die Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen, die türkische Soldaten gemeinsam mit ihren dschihadistischen Verbündeten in Efrîn, Girê Spî und Serêkanîyê tagtäglich begehen, sind umfassend dokumentiert. Weniger bekannt ist, dass die türkische Armee dschihadistische Söldner aktuell auch in ihrem Krieg gegen die Guerilla in den Bergen Südkurdistans (Nordirak) einsetzt. In einem Interview vom 28. Dezember 2019 äußert sich ein Mitglied der Frauenguerilla YJA-STAR, die in Südkurdistan gegen die türkische Besatzung kämpft, dazu: „Der faschistische türkische Staat meint mithilfe der Söldner des Islamischen Staates (IS) die PKK vernichten zu können. Derzeit führen wir in Haftanin [Region in Südkurdistan bzw. Nordirak; hauptsächlich unter Kontrolle der Guerilla] einen Krieg gegen Söldner des IS, anstatt gegen die Soldaten des türkischen Staates. Weil der türkische Staat sich vor dem Krieg fürchtet, bringt er IS-Söldner in die Berge Kurdistans.“

Chaos stiften mit deutscher Unterstützung

Krieg und Völkermord im Mittleren Osten werden nicht allein von der Türkei betrieben. Es ist die Unterstützung strategischer Partner wie Deutschland, die all das in diesem Umfang erst möglich macht.

Die mediale Auseinandersetzung mit den deutsch-türkischen Beziehungen bleibt leider oft oberflächig und greift Vorkommnisse isoliert voneinander auf. Besonders gerne wird der europäisch-türkische Flüchtlingsdeal diskutiert, wobei die deutschen Medienvertreter immer wieder zu dem Schluss kommen, er sei sinnvoll und müsse fortgesetzt werden. In einem ausführlichen Interview durfte das zuletzt noch einmal Gerald Knaus darlegen, der als „Architekt des Flüchtlingsdeals“ bezeichnet wird: „Das zu finanzieren ist im Interesse dieser Menschen [der Geflüchteten aus Syrien], der Türkei, der EU, und im Interesse Deutschlands. Es wäre verantwortungslos, das nicht weiter zu tun.“

Es ist wichtig zu verstehen, dass hier nicht nur über einen Flüchtlingsdeal geurteilt wird, sondern über die strategischen Dimensionen der deutsch-türkischen Partnerschaft. Dieses Abkommen zwischen der EU und der Türkei, das unter Leitung deutscher staatlicher Stellen ausgearbeitet und verhandelt wurde, sorgt nicht nur für den Transfer von sechs Milliarden Euro in die Türkei. Es verschafft dem AKP-MHP-Regime und dem türkischen Präsidenten Erdoğan dringend notwendige politische Anerkennung, präsentiert ihn als einen vertrauenswürdigen Gesprächspartner und hält dem türkischen Regime die Tür zu allerlei diplomatischen Foren offen. Der Flüchtlingsdeal wird insbesondere von der deutschen Regierung dafür genutzt, über etwas zu diskutieren und zu entscheiden, dass bei der Gesellschaft Deutschlands überhaupt nicht gut ankommt: die umfassende Zusammenarbeit Deutschlands mit der Türkei. Die geschürten Ängste vor einer erneuten Ankunft von Geflüchteten im Stil des Sommers 2015 nutzen Regierung, Staatsbürokratie und Medien in Deutschland, um die Auseinandersetzung mit der deutschen Beteiligung an türkischen Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen zu verhindern und Proteste zu unterdrücken. Am 29. Dezember 2019 fand Cemil Bayik, Ko-Vorsitzender des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), dafür deutliche Worte: „All die Länder, die behaupten, sie seien gegen die Politik der Türkei, wollen die kurdische und die europäische Bevölkerung täuschen. Mit ihrem scheinheiligen Protest möchten sie den gesellschaftlichen Unmut und Widerstand behindern. Unter der Hand unterstützen sie Erdoğan auf jegliche erdenkliche Weise. Erdoğan wird dadurch ermutigt. Er benutzt die Beziehungen zur Europa und zur NATO. Merkel unterstützt Erdoğans Politik besonders stark. Sie macht sich dadurch mitverantwortlich für den Völkermord an den Kurdinnen und Kurden. Das muss eindeutig verurteilt werden.“

Widerstand gegen Faschismus

Was Cemil Bayik fordert, geschieht heute in Deutschland: Die Politik wird von breiten gesellschaftlichen Kreisen verurteilt. Parteien, Frauenverbände, Gewerkschaftsmitglieder, Jugendverbände, Akademiker*innen, Künstler*innen und viele andere Gesellschaftsgruppen kritisieren die Haltung der deutschen Regierung regelmäßig. Demonstrationen, Presseerklärungen, Artikel, Veranstaltungen oder Konferenzen sind dafür erprobte Mittel. Sie alle sind wichtig, um Protest in die Öffentlichkeit zu tragen. Leider haben wir es in Deutschland mit Staatsfunktionären und Regierungsverantwortlichen zu tun, die gewillt sind, selbst den Protest Zehntausender zu ignorieren. Bereits in den 90er Jahren, aber insbesondere seit der erfolgreichen Verteidigung von Kobanê gegen den IS im Jahr 2015 gehen regelmäßig teils hunderttausende auf die Straße und fordern ein Ende der deutschen Unterstützung für den Völkermord in Kurdistan. Die dreiste Ignoranz der bundesdeutschen Politik, wenn ihnen gesellschaftlicher Protest nicht gelegen kommt, zeigt sich auch am Umgang mit dem seit einem Jahr andauernden Protest von Millionen Jugendlichen gegen die Klimapolitik Deutschlands im Rahmen von „Fridays for Future“. Wenn Großdemonstrationen oder Öffentlichkeitsarbeit also nicht verhindern, dass deutsche Waffen in die Türkei geliefert werden oder über 7000 deutsche Unternehmen in der Türkei Geschäfte machen – was dann? Wie können wir in Deutschland als Gesellschaft die deutsche Unterstützung für Völkermord und Faschismus in der Türkei unmöglich machen? Jeder Mensch, jede gesellschaftliche Gruppe weiß meist am besten, wozu er bzw. sie bereit ist und welche Aktionen im eigenen Kontext am meisten Sinn machen.

In den bisherigen Protesten in Deutschland sind drei wesentliche Dinge noch zu schwach ausgeprägt: Kreativität, die Bereitschaft persönliche Opfer in Kauf zu nehmen und Gesellschaftlichkeit. Ein Beispiel: Die südkurdische Bevölkerung boykottiert seit Anfang Oktober u.a. türkische Waren, TV-Serien oder Urlaubsreisen in die Türkei. Dadurch ist der türkischen Wirtschaft bisher ein Schaden von ca. 500 Millionen Dollar entstanden. Das wirkt, wie verzweifelte Delegationen türkischer Vertreter durch Südkurdistan in den letzten Wochen gezeigt haben. Ein anderes Beispiel: Zwei Jugendliche haben sich im November im Rahmen der „Fridays for Future“-Proteste für einen einwöchigen Hungerstreik entschieden, um ihren Forderungen ultimativen Nachdruck zu verleihen. Oder: In Frankreich blockieren Streikende immer wieder die Ölraffinieren und stoppen die dortigen Produktion. Was bedarf es noch, um unsere Wut, unsere Scham und unsere Empörung über so viel Menschenverachtung in der deutschen Politik zum Ausdruck zu bringen? Wann werden wir uns bewusst, dass wir es sind, die Fabriken schließen und Transportwege blockieren können? Die deutschen Verantwortungsträger in Staat, Regierung oder Medien sind nur solange in der Lage, den Faschismus in der Türkei am Leben zu halten, wie wir unsere eigene Kraft nicht erkennen.


*Arif Rhein ist Mitarbeiter des in Berlin ansässigen Vereins Civaka Azad - Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.