Elif Ronahî: Die Guerilla ist in den Bergen verankert

Die türkische Regierung propagiert das baldige Ende der PKK. Die HPG veröffentlichen tägliche Kriegsbilanzen. Elif Ronahî (KCK) hat sich im TV-Interview zur aktuellen Situation in Kurdistan geäußert.

Elif Ronahî hat als Mitglied des KCK-Präsidialrats in einer Sondersendung bei Medya Haber TV Fragen der Journalistin Mehtap Orak beantwortet. Wir veröffentlichen einen Ausschnitt aus dem Fernsehinterview.

Die türkische Regierung propagiert das baldige Ende der PKK. Die HPG veröffentlichen tägliche Bilanzen des Krieges in den Medya-Verteidigungsgebieten. Was können Sie zu der aktuellen Situation sagen?

Ja, die HPG haben auch eine Monatsbilanz veröffentlicht. Ich gratuliere den Luftverteidigungseinheiten Şehîd Delal vor allem zu ihren Aktionen auf Flugplätze in Amed, Êlih und Şirnex. Außerdem gratuliere ich der Guerilla, die erfolgreich seit über einem Monat in direkter Konfrontation mit dem Feind kämpft. Den Kämpferinnen der YJA Star sende ich meine besonderen Grüße. Uns muss folgendes klar sein: Der türkische Staat und die faschistische Erdogan-Regierung haben mit ihrem Vernichtungsplan von 2014 einen umfassenden Angriff auf unser Volk und vor allem auf die Guerilla gestartet. Wir haben einen sehr heftigen Krieg geführt und dabei einen hohen Tribut zahlen müssen, aber der Feind hat seinen Plan nicht in dem angestrebtem Zeitraum und in gewünschter Form umsetzen können. Er hat es nicht geschafft.

Welche Rolle spielt die Guerilla bei diesem Misserfolg?

Es besteht insofern ein Zusammenhang, dass die Guerilla sich ständig weiterbildet, auf der Parteilinie Widerstand leistet, sich ideologisch wappnet und eine starke Verbindung zwischen dem Ziel und dem eigenen Leben aufbaut. Das spiegelt sich im Kampf wider. Wichtig ist vor allem auch, dass die Guerilla auf vielen Gebieten taktische und methodische Neuheiten eingeführt hat und sich ständig damit befasst. Es haben spezielle Ausbildungen stattgefunden, wie die feindliche Realität aus der Nähe verfolgt und die Angriffe ins Leere geführt werden können. Das hat Wirkung gezeigt. Du musst das Gelände gut kennen und beherrschen, du musst die Denkweise und Logik des Feindes nachvollziehen können und dementsprechend praktische Intelligenz entwickeln. Es finden plötzliche und innerhalb von einer halben Stunde durchgeführte Aktionen mit verschiedenen Taktiken statt. Es wird zu unerwarteter Zeit an unerwarteten Orten zugeschlagen. All das hat den Plan des Feindes in weitem Ausmaß scheitern lassen.

Der Feind hat seine gesamte Stärke gezeigt. Alle wirtschaftlichen, militärischen und politischen Mittel der Türkei sind in die Vernichtung des kurdischen Volkes und der PKK investiert worden. Es wird alles dafür getan, um den Einfluss von Abdullah Öcalan zu schmälern. Dafür hat der türkische Staat Zugeständnisse an alle Hegemonialmächte gemacht. Die Türkei ist damit in einen Zustand des ökonomischen, politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Zusammenbruchs versetzt worden. Die Angriffe auf Frauen in der Türkei, die wegen Armut begangenen Selbstmorde, die Ermordung von Frauen und Kinder, was ist das alles? Nur um die PKK und das kurdische Volk auszuschalten und einen Genozid zu verüben, wird das Land in den Ruin getrieben. Erdoğan und Bahçeli legen ihre ganze Kraft in die Vernichtung der PKK, dem kurdischen Volk soll seine Identität genommen werden. Eine Kurde wird heute auch nicht mehr akzeptiert, wenn er seine Identität leugnet. Es geht um einen Völkermord. Und darum geht es auch im Krieg gegen die Guerilla. Dieser Krieg ist nicht irgendein Krieg.

Was meinen Sie damit, was ist das für ein Krieg?

Es ist ein Angriff, den die NATO über die Türkei durchführt. Gleichzeitig sind auch kurdische Kollaborateure mit der Argumentation überzeugt worden, dass sie eine Überlebenschance hätten, wenn die PKK vernichtet wird. Katar finanziert diesen Krieg. Es fließen Milliarden Dollar in den Krieg. Daher kann niemand so tun, als ob es sich um einen gewöhnlichen Krieg handelt.

Der türkische Staat will den im Guerillagebiet geführten Krieg in der letzten Zeit nicht wie früher auf die Agenda setzen. Er verheimlicht seine Verluste. Bei Guerillaaktionen sterben jeden Tag bis zu zehn Soldaten. Selbst wenn es Aufnahmen davon gibt, gesteht der Staat es nicht ein. Wie viele Tote sind bisher zugegeben worden? Fragt die türkische Bevölkerung nicht danach? Die Leichen der Soldaten werden in Krankenhäuser aufbewahrt oder heimlich ihren Angehörigen ausgehändigt. Ohnehin handelt es sich vielen um bezahlte Söldner. Zuletzt sind aus Idlib, Serêkaniyê und anderen Orten Kräfte in die Medya-Verteidigungsgebiete verlegt worden. Diese Kräfte sollen sich dauerhaft in Südkurdistan niederlassen.

Wie viele Regierungswechsel hat es in der Türkei in den letzten vierzig Jahren gegeben? Hat irgendeine Regierung die PKK vernichtet? Nein, sie haben sich alle selbst zerstört. Jetzt befindet sich Erdogan in der Endphase. Der türkische Staat ist aufgerieben, er liegt am Boden. Die Fixierung auf die Vernichtung des kurdischen Volkes hat die Türkei an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Insofern ist der Kampf der Guerilla wichtig. Das muss auch unser Volk sehen.

Wie bewerten Sie den Kampf der Frauenguerilla YJA Star?

Die YJA Star spielt eine große Rolle bei gemeinsamen Aktionen und führt gleichzeitig eigene Aktionen durch. Ihr Kampf verdient höchste Achtung. Sie übernimmt Verantwortung und leistet einen hohen Tribut. Sie kämpft nicht nur für die Frauen in Kurdistan, sondern übernimmt auf höchster Ebene Verantwortung für Frauen weltweit. Sie weiß, dass dieser Kampf Frauen den Weg zur Freiheit ebnet. Die YJA Star schafft damit eine Grundlage für die Frauenbefreiung. Es sind große Erfahrungen bei der Bildung einer Frauenarmee entstanden. Das gilt nicht nur für die YJA Star, sondern auch für die Frauenverteidigungskräfte in den anderen Teilen Kurdistans. Sie gehen auf fast dreißig Jahre Erfahrung zurück.

Die YJA Star hat der Welt im letzten Monat ein weiteres Mal die Kampfstärke kurdischer Frauen gezeigt. Das gibt Frauen weltweit Kraft und Moral und sie leisten in ideeller Hinsicht und jeweils vor Ort Unterstützung. Die YJA Star lässt sich auch nicht auf ihre Aktionen und eine Frauenarmee reduzieren. Sie ist viel größer. Die Kämpferinnen wissen, dass sie ihre Persönlichkeit und sich selbst in diesem Krieg befreien. Es geht um die Selbstverteidigung von Frauen.

Als Bewegung und Volk werden wir immer weiterkämpfen. Die Guerilla ist inzwischen in den Bergen verankert. Weder der türkische Staat noch eine andere Kraft können sie aus diesen Bergen vertreiben.