Die türkischen Pläne für Südkurdistan – Teil 4

Im vierten Teil unseres Dossiers geht es um die Besatzung von Behdinan und Soran durch den türkischen Staat.

Der türkische Staat ist im Rahmen seiner Besatzungspläne insbesondere innerhalb der letzten zwei Jahre etwa 20 Kilometer nach Südkurdistan eingedrungen und die Angriffe gehen weiter. Bis jetzt wurden drei Dörfer besetzt und 17 Zivilist*innen getötet.

Der türkische Staat greift Südkurdistan bereits seit 1983. Mit der Vertiefung der Krise des Mittleren Ostens haben diese Pläne der Realisierung osmanischer Träume Fahrt aufgenommen. Neben den Militärbasen des türkischen Staates in Südkurdistan hat der türkische Staat zwischen 1992 und 2008 fünf große Operationen unter Beteiligung Zehntausender Soldaten und Dorfschützer in Südkurdistan durchgeführt. Die Luftangriffe und kurzfristigen Operationen gehen pausenlos weiter. Bei jedem dieser Angriffe musste sich das türkische Militär bisher geschlagen zurückziehen.

Im Jahr 2017 wurden die Besatzungsambitionen auf ganz Südkurdistan ausgeweitet und der Plan dementsprechend erweitert. Zu diesem Zweck werden die Invasionsangriffe vom Bau von Militärbasen und der Besetzung von Dörfern begleitet. Die strategisch bedeutenden Regionen Behdinan und Soran wurden als erstes Ziel ausgewählt.

Die Angriffe auf Behdinan und die Besetzung

Wenn wir die Angriffe des türkischen Staates auf südkurdisches Territorium im Jahr 2017 betrachten, dann können wir feststellen, dass diese Angriffe verglichen mit den vorhergehenden intensiver geworden sind. Insbesondere die von schweren Waffen begleiteten Angriffe haben an Heftigkeit und Quantität zugenommen. An der Grenze gelegene Dörfer und ihre Umgebung wurden bombardiert und Zivilisten dabei getötet. Der türkische Staat verurteilt die Dorfbevölkerung auf diese Weise dazu, ihre Dörfer zu verlassen. Die geräumten Orte sollen dann in besetzte Gebiete umgewandelt werden. So wie in den neunziger Jahren Tausende Dörfer in Nordkurdistan entvölkert wurden, so soll es nun auch in Südkurdistan geschehen.

Am 16. März 2017 hat der türkische Staat seine Truppenpräsenz in Behdinan und Kanî Masî massiv verstärkt. Die Menschen aus den Grenzdörfern, die diesen Einmarsch mit eigenen Augen beobachteten, brachen zum Teil in Panik aus. Die südkurdische Regierung zog es weiter vor zu schweigen.

Im gleichen Monat griff die türkische Luftwaffe Dörfer in Behdinan an. Die Gärten und Weinberge der betroffenen Dörfer erlitten großen Schaden durch das Bombardement. Am 4. Mai 2017 wurden die Dörfer Sunkê und Şankê in Şêladizê zum Ziel von zwei türkischen Kampfflugzeugen. In Folge der Bombardierung starb der Zivilist Sidqî Îslam, ein weiter Zivilist wurde verletzt.

Der türkische Staat verbot den Angehörigen des Toten, den Leichnam zu bergen. Als die Familie und Nachbarn am ersten Tag den Versuch starteten, wurden 50 Artilleriegranaten auf sie abgefeuert. Am zweiten Tag wandten sich die Angehörigen an die PDK, welche die Region beherrscht. Die PDK empfahl der Familie, mit einer weißen Fahne dorthin zu gehen, damit das Artilleriefeuer eingestellt wird und sie den Leichnam bergen können. Aber auch das half nichts. Der türkische Staat griff die Familie auch an diesem Tag mit 27 Artilleriegranaten an und sie war erneut zur Umkehr gezwungen. Drei Tage lang konnte der Tote nicht geborgen werden. Schließlich griffen die HPG ein. Die Guerilla erwiderte die türkischen Artillerie-Angriffe und barg den Leichnam trotz fortgesetztem Beschuss. Am 2. März wurde er auf einem Gefallenen-Friedhof bestattet.

Am 20. September verübte der türkische Staat ein schweres Massaker in den Dörfern von Behdinan. In den Dörfern Nêru und Rêkan bei Şêladizê starben sieben Zivilist*innen. Die Mehrheit der Getöteten blieb im bombardierten Gebiet zurück. Jeder der Gefallenen wurde zu einem anderen Datum gefunden und identifiziert. Einer von ihnen wurde am 5. Oktober 2017 beigesetzt. Dieses Massaker des türkischen Staates fand zu einer Zeit statt, als sich die PDK und einige andere Parteien auf das Referendum konzentrierten. Politische Beobachter fragten sich hinsichtlich der Massaker an der Zivilbevölkerung, wie die Regierung einen Staat aufbauen wolle, wenn sie nicht einmal in der Lage sei, ihr eigenes Territorium vor feindlichen Kräften zu schützen. Am 16. Oktober 2017 war klar, dass die Absicht, einen eigenen Staat zu gründen, fehlgeschlagen war. Mit dem Referendum verlor Südkurdistan 51 Prozent seines Gebiets.

Die Massaker des türkischen Staates in Behdinan gehen immer noch weiter. Alleine im Jahr 2017 wurden die Regionen Zap Hêlî, Sarkê, Bêzel, Kokerî, Şankê, Nêr und Esîto; in Metina Nêr, Rêkan, Xankê und Dergela; in Şêladizê Geliyê Bilind; Heftenîn, Gare, Şeraneş und Girê Sîro über dreißig Mal mit Flugzeugen und Artillerie bombardiert. Durch die Angriffe entstand schwerer materieller Schaden. Am 25. März 2017 wurde Nîhad Mihemed (35) im Dorf Hêlî in Şêladizê schwer verletzt. Am 7. März 2018 griff der türkische Staat in Şêladizê das Dorf Nêrwe Sîtoî an und tötete die Brüder Remezan Mihemed, Mecîd Mihemed und Tahir Mihemed bei der Feldarbeit.

Angriffe und Besatzung von Dörfern in Soran und Baleyan

Am 14. Dezember 2017 überschritt das türkische Militär in Şemzînan die Grenze nach Südkurdistan. Gleichzeitig wurden in den Regionen Geliyê Reş, Çiyayê Siro, Çiyayê Evdilkofî und Ava Hecîbegê Truppen aus Hubschraubern abgesetzt. Nach lokalen Quellen legten die Soldaten dort Stellungen an und brachten schwere Waffen und Munition in die Region.

Am 11. März 2018 brachte der türkische Staat ein großes Truppenkontingent an der Grenze nach Soran in Stellung. Der türkische Staat marschierte Dutzende Kilometer in südkurdisches Gebiet ein und begann in dieser Region mit der Errichtung neuer Basen. Die PDK schickte eine Gruppe unter dem Namen „Offiziere Barzanis“ in die Region. Auch heute befinden sich die „Offiziere Barzanis“ gemeinsam mit der türkischen Armee an der Grenze.

Der türkische Staat bombardierte seitdem 20 Mal im Gebiet Bradost die Regionen Serçeman, Xinêre, Lolan, Bêrtme, Xakurkê und Geliyê Reş; in Qesrê die Regionen Serkan und Mawna; in Sîdekan die Regionen Girê Siro, Bermîze, Lêlikan, Xelîfan, Çiyadol,Binesenan, Berçem, Buzne , Gureşan und Alekan Evdal Kofi.

Am 17. März besetzte der türkische Staat das Dorf Bermîze. Am 18. März erklärte der PDK-Asayisch das Dorf zum Sperrgebiet und verbot das Verlassen und Betreten. Danach wurden ebenfalls die Dörfer Xelîfan und Çiyadol besetzt.

Am 19. März führte eine Gruppe von zivilgesellschaftlichen Aktivist*innen aus Soran eine Aktion in Sîdekan durch, auf der sie die Besatzung Südkurdistans durch die Türkei verurteilten.

Am 22. März bombardierte der türkische Staat die Dörfer Wesan, Serkan, Mawnana und Baleyan in Qesrê. Bei der Bombardierung starben vier Zivilisten und es entstand großer Sachschaden. Zwei der Getöteten waren Peschmerga, die wegen des Newroz-Festes in die Region gekommen waren.

Am 23. März führten die Familien der Gefallenen eine Demonstration gegen die Massaker im Qendîl durch. Auf der Kundgebung wurde das Schweigen der südkurdischen Regierung kritisiert. Die Familien der Gefallenen erklärten, nicht die PKK, sondern die türkische Armee müsse abziehen.

Am 5. April griff die türkische Armee die Dörfer Xelîfan, Besenan, Çiyadol, Buzêne, Nizarî, Lêlikan und Sîran an. Durch den Artilleriebeschuss wurde ein elfjähriges Kind namens Nîştiman verletzt. 120 Familien mussten die Region aufgrund der lebensbedrohlichen Lage verlassen.

Angriffe der Türkei werden vom Konsulat in Hewlêr koordiniert

Wie bekannt wurde, werden alle Angriffe in Südkurdistan vom türkischen Konsulat in Hewlêr aus geplant und koordiniert. Zwei von den HPG gefangengenommene hochrangige MIT Agenten haben dies im Verhör bestätigt.

Am 30. Januar 2018 wurde eine Demonstration der Patriotischen Jugend Kurdistans und der Jungen Frauen zur Unterstützung des Widerstands von Efrîn in Silêmanî gestartet. Der Asayisch der PDK griff die Demonstration mit Schusswaffen an und verletzte drei Jugendliche. Später kam heraus, dass die Anweisung, die Demonstration zu stoppen, aus dem türkischen Konsulat in Hewlêr gekommen war.

Der türkische Staat setzt seine Angriffe auf Südkurdistan und seine Versuche, neue Militärbasen zu errichten, weiterhin fort.