Besê Hozat: Rojava setzt sich eine falsche Agenda

Für einen revolutionären Volkskrieg reicht es nicht aus, dass die QSD kämpfen und alle anderen ein bisschen helfen. Die Zeit der Demonstrationen ist vorbei. Diese Aktionsform ist nicht das, was Rojava jetzt braucht.

Besê Hozat, Ko-Vorsitzende der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), hat sich in einer Sondersendung bei Stêrk TV ausführlich zu den aktuellen Entwicklungen in Kurdistan geäußert. Wir veröffentlichen einen sehr kleinen Ausschnitt, in dem es um die internationalen Gespräche über eine Lösung im Syrien-Konflikt und die Agenda in Rojava geht:

Die Gespräche in Genf und Astana sind Theater. Von Zeit zu Zeit kommen Leute zusammen, um angeblich über eine Lösung der Syrien-Frage zu diskutieren. In Wirklichkeit haben diese Treffen nichts mit einer Lösung für Syrien zu tun. Sie sind reine Show und dienen nur dazu, Zeit zu gewinnen. Es wird versucht, Syrien und dem Mittleren Osten ein neues Design aufzuzwingen. Das braucht natürlich Zeit. Um die Öffentlichkeit zu täuschen, finden Schauveranstaltungen in Astana und Genf statt. Die daran beteiligten Kräfte haben keine Legitimität. Nach Genf sind Dschihadisten geschickt worden. Sie richten in Syrien jeden Tag Massaker an und vergewaltigen Frauen. Diese Leute sind zusammengesammelt und nach Genf gebracht worden, mit ihnen soll eine Lösung für Syrien entwickelt werden. Wie kann eine solche Lösung aussehen? Was für eine Lösung soll mit dem IS und al-Nusra entstehen? Bei den nach Genf eingeladenen Kräften handelt es sich um Überbleibsel von IS und al-Nusra. Sie sind dafür organisiert worden, tragen zivile Kleidung und haben sich einen Schlips umgebunden. Es ist reines Theater, die Rollen sind festgelegt.

In diesem Zusammenhang kritisiere ich auch die Leitung von Rojava. Sie nimmt dieses Theater sehr ernst und spricht ständig von Genf. Was gibt es schon in Genf? Nichts außer einer Schauveranstaltung mit Dschihadisten. Eigentlich sollen die Dschihadisten auf diese Weise einen legitimen Anstrich bekommen. Was also könnte die Leitung von Rojava oder die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien in Genf mit diesen Dschihadisten besprechen? Diese Banden sind jeden Tag mit Vergewaltigung, Plünderung, Besatzung und Völkermord in Nordostsyrien beschäftigt. Es sind Dschihadisten. Man darf sich nicht von ihnen instrumentalisieren lassen. Die Bedeutung der Genfer Gespräche wird stark übertrieben. Das gleiche gilt für Astana. Das alles sind Spiele der USA und Russlands. Und in diesem Chaos geht der Krieg weiter. In diesem Krieg soll Syrien den jeweiligen Interessen entsprechend ein neues Design verpasst werden, und dafür braucht es Zeit. Auf diese Weise werden die Menschen betrogen.

Die Leitung von Nord- und Ostsyrien sollte stattdessen ihr eigenes System verstärken, die Verteidigungskräfte vergrößern, einen revolutionären Volkskrieg führen, die besetzten Gebiete befreien und sich auf einen großen Krieg vorbereiten. Der türkische Staat wird es nicht dabei belassen. Er will ganz Rojava besetzen und alle Errungenschaften zerstören. Morgen wird er Kobanê, Dêrik und andere Städte in Rojava angreifen wollen. Aus diesem Grund muss unser Volk mit dem Geist der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) kämpfen. Für einen revolutionären Volkskrieg reicht es nicht aus, dass die QSD kämpfen und alle anderen ein bisschen helfen. Die Zeit der Demonstrationen ist vorbei. Diese Aktionsform ist nicht das, was Rojava jetzt braucht. Was muss in Rojava jetzt getan werden? Kurdische Frauen und Männer, junge wie alte Menschen, müssen sich bewaffnen und sich an die Seite der bewaffneten Kräfte stellen.

Niemand sollte sein Land, sein Dorf, seine Stadt verlassen und niemand sollte einfach nur abwarten. Es geht um einen revolutionären Volkskrieg. In Vietnam ist so der Faschismus gestoppt worden, auch in Afrika sind auf diese Weise Revolutionen gemacht worden, ebenso die sowjetische Revolution. Und in all diesen Revolutionen sind Millionen Menschen gefallen. Es sind Opfer erbracht worden. Tausende haben dafür nicht ausgereicht. Es geht um die Zukunft. Zumindest die neue Generation soll frei leben. In jedem Jahrhundert gibt es nur Massaker und Sklaverei, es reicht. Auf diese Weise muss sich unser Volk vorbereiten. Ihr schaut auf Genf, Astana, die USA, aber was macht ihr selbst? Die Machthabenden verfolgen ohnehin nur ihre eigene Interessen. Und du, was machst du?

Der türkische Staat will die Kurden mit Unterstützung ausländischer Mächte beseitigen. Wichtig ist also, was wir selbst tun. Unser Volk muss etwas für sich selbst tun. Darauf muss es seine Motivation und seine Aufmerksamkeit richten. Das ist es, was zählt. Ronahî TV berichtet nur noch über Genf. Das ist falsch. Der türkische Staat hat seit langer Zeit das Wasser in Hesekê abgestellt. Es gibt kein Wasser und keinen Strom. Die Versorgung ist unterbrochen worden, damit die Bevölkerung aufgibt und ihr Land verlässt. In Rojava soll es keine Kurden mehr geben. Das ist Teil der türkischen Völkermordpolitik.

Bei Ronahî TV wird manchmal auch berichtet, dass die Bevölkerung die Autonomieverwaltung kritisiert. Es heißt dann, dass sie nicht für Wasser und Strom sorgt. Aber ihr befindet euch im Krieg, es ist Krieg! Ihr werdet angegriffen. Der türkische Staat hat euer Land, eure Heimat besetzt. Die Autonomieverwaltung müsst ihr anders kritisieren, ihr müsst sagen: Komm, organisiere mich gegen die türkische Besatzung. Ihr müsst fragen, wie und auf welchem Gebiet ihr dagegen kämpfen könnt, und was getan werden muss, um wieder Strom und Wasser zu bekommen und den türkischen Staat aus dem Land zu vertreiben. Darüber muss nachgedacht werden, die Autonomieverwaltung muss in diese Richtung motiviert werden.

Auch die Bevölkerung setzt sich eine falsche Agenda. Ich kritisiere sowohl das Volk als auch die Leitung. Meiner Meinung nach gibt es in Rojava eine falsche Agenda. Es gibt besetzte Gebiete, ihr habt den türkischen Staat direkt vor der Nase, jeden Tag finden Drohnenangriffe, Anschläge und Massaker statt. Dagegen muss sich die Bevölkerung von Rojava den revolutionären Volkskrieg auf die Agenda setzen. Das aktuelle Thema sollte sein, was gegen die Besatzer getan werden kann. Das finde ich wichtig.