Bawer Dersim, einer der Kommandanten des Volksverteidigungszentrums, hat sich am Donnerstagabend in einer Sondersendung bei Medya Haber TV zu der angespannten Situation in Südkurdistan geäußert.
„Unser gesamtes Volk muss sich darüber bewusst sein, dass ein Vernichtungskonzept gegen unsere Bewegung auf der Agenda steht“, erklärte Dersim und fügte hinzu: „Wir wissen, dass auch die Kräfte in Başûr [Südkurdistan] davon überzeugt worden sind.“
Dass die PDK für diese Politik offen ist und sich „königlicher als der König“ verhält, ist laut dem Guerillakommandanten sehr besorgniserregend. Dersim fordert die PDK zu einer nationalen Haltung auf und betont erneut, dass die PKK zum Dialog bereit ist. Davor laufe die PDK jedoch weg. Die südkurdische Regierungspartei eskaliere die Situation, indem sie immer wieder zu Provokationen greife und die Schuld dafür der PKK zuschiebe.
Bawer Dersim ist davon überzeugt, dass ein innerkurdischer Krieg nur dem türkischen Staat dient. Er warnt vor falschen Berechnungen und sagt: „Niemand sollte davon ausgehen, dass die PKK zur Kapitulation gezwungen werden kann.“
Wir veröffentlichen einen kurzen Ausschnitt aus der Analyse von Bawer Dersim:
Seit einigen Tagen herrscht eine angespannte Situation, die von verschiedenen von der PDK in Bewegung versetzten Kräften hervorgerufen wird. Es ist offensichtlich, dass diese Anspannung unserem Volk sowohl im Süden als auch in den anderen Teilen Kurdistans schadet. Die unter hohen Opfern erkämpften Errungenschaften des kurdischen Volkes sind in großer Gefahr. Ausschlaggebend für diese Anspannung, mit der einem bewaffneten Konflikt der Boden bereitet wird, ist die veränderte Politik der PDK. Dafür sind nicht wir als Bewegung verantwortlich. Weder die Führung unserer Bewegung noch die Guerilla will einen solchen Konflikt. Wir verhalten uns sehr umsichtig, um bewaffnete Auseinandersetzungen zu vermeiden und die nationalen Errungenschaften des kurdischen Volkes nicht zu gefährden. Diese Tatsache wird auf Veranlassung der PDK in den ihr nahestehenden Medien verdreht, unsere Bewegung wird für die Anspannung verantwortlich gemacht.
Vom „weißen Türkentum“ zu türkisch-islamischen Synthese
Unser gesamtes Volk muss sich bewusst darüber sein, dass ein Vernichtungskonzept gegen unsere Bewegung auf der Agenda steht. Die Kräfte, die einen kurdischen Genozid vollziehen wollen, betrachten die PKK als das größte Hindernis dabei. Deshalb haben sie beschlossen, die PKK gänzlich auszulöschen. Was der türkische Staat im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts nicht vermocht hat, soll jetzt unter Ausnutzung der Kriegslage in der Region vollendet werden: Ein kurdischer Genozid. Die Zerstörungen, die die Vorstellungen des weißen Türkentums im kemalistischen Regime nach dem ersten Weltkrieg angerichtet haben, sind hinlänglich bekannt. In Koçgirî, Amed, Agirî, Zîlan und Dersim sind Verbrechen an unserem Volk begangen worden. Seine Existenz sollte mit einem Völkermord beseitigt werden, die Überreste sollten in das neu entstandene türkische Nationalstaatssystem integriert werden. Dagegen wurde großer Widerstand geleistet, trotzdem führte dieses Vorgehen zu großem Leid.
Nach diesen Massakern versteifte sich der türkische Staat auf die irrtümliche Annahme, dass die kurdische Frage gelöst sei. Er ging davon aus, dass er die Überlebenden ausreichend assimiliert und zum Bestandteil des türkischen Herrschaftssystems gemacht hat. Mit der Entstehung der PKK fand jedoch auf nationaler Ebene eine Wiederbelebung statt, die den Mittleren Osten erfasste und die bestehenden Balancen erschütterte. Davon fühlten sich der türkische Staat und andere Kräfte ernsthaft gestört. Die Entwicklung der PKK löste Besorgnis aus und wurde als Existenzbedrohung aufgefasst. Dagegen kam ein neues Konzept zum Einsatz. Der Clique des „weißen Türkentums“ aus den 1920er Jahren folgte das Verständnis eines „grünen Türkentums“, das sich als neues Kriegsregime organisiert und den unvollendeten kurdischen Genozid im Rahmen einer türkisch-islamischen Synthese zum Abschluss bringen will.
Dafür greifen die faschistische AKP und MHP ist sehr grausamer Form an. Sie wollen von den im dritten Weltkrieg entstandenen chaotischen Verhältnissen profitieren und die „Misak-i Milli“-Begeisterung ihrer neoosmanischen Träume neu beleben. Die kurdische Frage soll gelöst werden, indem sie vom Erdboden verschwindet. Die faschistischen Chefs dieses Regime sagen dazu: „Es gibt keine kurdische Frage, es gibt nur ein Terrorproblem, das wir beseitigen werden.“
Kurz gesagt, ist der türkische Staat nicht nur in Bakur [Nordkurdistan], sondern in allen Teilen Kurdistans zu einem grausamen Angriff übergegangen, um die kurdische Errungenschaften zu zerstören, die er als Hindernis für seine eigene Zukunft betrachtet. Die Türkei wird von verschiedenen internationalen Kräften zur Vernichtung der PKK ermutigt, sie erhält dafür politische und militärische Unterstützung.
Das kurdische Standbein im türkischen Vernichtungsfeldzug
Innerhalb dieses Vernichtungsplans besteht auch Bedarf nach einem kurdischen Standbein. Ohne innerkurdischen Verrat lässt sich dieses Komplott nicht erfolgreich umsetzen. Weil das bekannt ist, sollen kurdische Kollaborateure für dieses Spiel instrumentalisiert werden. Es besteht kein Zweifel, dass es ein kurdisches Standbein bei dem Komplott gegen unsere Bewegung gibt. Dass sich in den letzten zwei Jahren verschiedene Kräfte im Süden in Bewegung gesetzt haben, hat unsere Zweifel verstärkt. Die Entwicklungen in diesem Jahr und die zunehmenden Angriffe auf unsere Bewegung, die Belagerung und die gesteigerte Spezialkriegspropaganda gegen uns zeugen von der Richtigkeit unserer Zweifel.
Wir wissen, dass einige Kräfte aus dem Süden davon überzeugt worden sind, gegen unsere Bewegung vorzugehen. Vor allem ist besorgniserregend, dass die PDK offen für diese Politik ist und sich königlicher als der König verhält. Damit wird unserem Volk und seinen Errungenschaften großer Schaden zugefügt. Ob es die gesamte PDK ist oder nur eine Fraktion innerhalb der PDK an dem Komplott beteiligt ist, wissen wir nicht. Wir hoffen, dass die PDK keinem historischen Irrtum verfällt und keinen Platz in den feindlichen Reihen gegen unsere Bewegung einnimmt. Das wäre ein großer Fehler und ein großes Unrecht an unserem Volk. Es würde bedeuten, dass die Errungenschaften unseres Volkes zunichte gemacht werden.