Kooperation auf neuem Niveau
Die militärische Dimension des Projekts der „Entwicklungsstraße“ zwischen der Türkei und dem Irak wird immer deutlicher. Auf Grundlage des gemeinsamen Kampfes an mehreren Fronten gegen die kurdische Freiheitsbewegung entwickeln die beiden Staaten ihre Zusammenarbeit. Zuletzt wurde zwischen Bagdad und Ankara ein „Memorandum of Understanding“ geschlossen, durch das der Weg für die Entsendung türkischer Truppen nach Bagdad geebnet wird. Unter diesem offiziellen Deckmantel werden die Vertreibungen, Dorfzerstörungen und Militäroperationen in Südkurdistan legitimiert. Der irakische Außenminister Fuad Hussein (PDK) sprach von einem neuen Prozess, in den der Irak eingetreten sei. Und die südkurdische PDK ist eine Fortsatz des Regimes in Ankara.
Vom gemeinsamen Operationszentrum zum gemeinsamen Kommando
Zuvor war bereits ein gemeinsames Operationszentrum gegen die kurdische Freiheitsbewegung geplant worden. Die neuen Abkommen zwischen den beiden Regierungen heben diese Kooperation auf ein neues Niveau. In Bashiqa und Bagdad werden nun zwei gemeinsame Operationszentren eingerichtet. Gemäß Artikel 4 des Abkommens wird die türkische Armee dem gemeinsamen Einsatzkommando unterstellt und in der irakischen Hauptstadt stationiert, wo ein gemeinsames Sicherheitszentrum eingerichtet wird.
Annexionspolitik soll völkerrechtlicher Deckmantel gegeben werden
Auch die Einrichtung eines Militärkomitees in Artikel 5 des Abkommens und der Austausch nachrichtendienstlicher Informationen zwischen den Vertragsparteien in Artikel 6 offenbaren die Tragweite der Annexionspolitik Ankaras. Mit diesen Artikeln wird versucht, die monatelange militärische Stationierung der türkischen Armee in Südkurdistan, die Errichtung neuer Stützpunkte, die Vertreibung und Zerstörung von Dörfern und die Ausplünderung der Region mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen.
„Gemeinsames Operationszentrum“ als Fortsatz des türkischen Imperialismus
Die personelle Zusammensetzung des mit der Umsetzung des Abkommens beauftragten Operationszentrums spricht Bände. Mitglieder des Operationszentrums sind der berüchtigte ehemalige Geheimdienstchef und heutige türkische Außenminister Hakan Fidan, der aktuelle MIT-Chef Ibrahim Kalın, der irakische Außenminister Fuad Hussein (PDK), Rêber Ehmed als Innenminister der Region Kurdistan, der irakischen Verteidigungsminister Sabit Abbasi, Qasim al-Araji als irakischer Sicherheitsberater und der stellvertretende Leiter des Nachrichtendienstes Waqqas Muhammad Hussein al-Hadithi. Nicht nur die türkische Delegation vertritt klar türkische Interessen. Auch der irakische Außenminister Fuad Hussein ist eine Marionette Ankaras, denn seine Partei, die PDK, hält nur von Gnaden Ankaras in Südkurdistan ihr korruptes Regime aufrecht. Al-Araji war Gegenstand eines Skandals. Er soll 300 Millionen Dollar vom Regime in Ankara erhalten haben, damit er dessen Interessen im Irak stärke. Der Innenminister der Region Kurdistan, Rêber Ehmed, ist ebenfalls Mitglied der PDK und damit der Türkei zur Loyalität verpflichtet. Insofern kann von einem Gleichgewicht irakischer und türkischer Interessen in diesem „gemeinsamen Operationszentrum“, wo unter anderem auch vor kurzem das Verbot ezidischer und kurdischer Parteien beschlossen wurde, keine Rede sein.
Militärbasis Bashiqa wird legalisiert
Mit dem Abkommen wird nun auch die völkerrechtswidrige türkische Militärpräsenz in Bashiqa bei Mosul legalisiert. Das „gemeinsame Operationszentrum“ wird als eine vom Irak dominierte Institution dargestellt, und so werde die Basis dem Irak „übergeben“. Die Tatsache, dass irakische Gebiete „an den Irak übergeben“ werden, sollte an sich schon aufhorchen lassen. Darüber hinaus wurde mit dieser Formulierung die Verantwortung für den Stützpunkt Bashiqa, der von Zeit zu Zeit von schiitischen Kräften angegriffen wird, auf Bagdad abgewälzt.
Parallel dazu bereiten Sender wie Habertürk und CNN-Türk durch Analysen und Meldungen einer Ausweitung der türkischen Präsenz im Irak den Boden. Es ist klar, dass die türkischen Truppen alles andere tun werden, als Bashiqa zu verlassen. Dieses Modell wird als eine Blaupause für die besetzten Gebiete in Rojava und Syrien diskutiert.
Türkisches Militär marschiert in Bagdad ein
Als Gegenleistung für die de facto Hoheitsabtretung durch Bagdad sagte Ankara eine Ausweitung der energie- und wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit mit Bagdad zu, allerdings um den Preis einer baldigen Entsendung türkischer Truppen nach Bagdad. Diese Truppen sollen ebenfalls dem „gemeinsamen Kommando“ unterstehen, praktisch aber unter der Kontrolle des türkischen Außenministers Hakan Fidan stehen.
Sudani-Regierung ist nun offizieller Teil der Besatzungspläne
Die Sudani-Regierung, die zuvor immer behauptete, sie sei an den türkischen Operationsplänen nicht beteiligt, hat mit dem Gipfel in Ankara ihre Beziehungen zur Regierung Erdoğan formalisiert. Mit dem aktuellen „Memorandum of Understanding“ gibt es nun keinen Raum mehr für Interpretationen. Der Irak tritt in eine kritische Phase ein.
Die PDK als Wurmfortsatz von Ankara
Unmittelbar nach dem Abkommen trat der irakische Außenminister Fuad Hussein von der PDK gemeinsam mit dem antikurdischen Kriegsverbrecher und türkischen Außenminister Fidan vor die Kameras und machte sich zum offiziellen Gesicht der Aufgabe von Souveränität durch den Irak. Während Hussein mit einer „würdevollen Haltung“ erklärte, was für einen „Dienst“ man damit Südkurdistan und Irak erwiesen habe, blieb nicht verborgen, dass die mit großen Opfern in Südkurdistan errungenen kurdischen Institutionen und die Autonomie Scheibchen für Scheibchen an die Türkei abgegeben werden.
Seit den ersten Monaten des Jahres hat die PDK sowohl regional als auch international Lobbyarbeit für die türkische Besatzung betrieben; diese Lobbyarbeit reichte von ihrem Vorsitzenden Mesûd Barzanî bis zu Außenminister Hussein. Man könnte sagen, dass die Türkei die irakische Regierung mithilfe der PDK unterwandert hat.
Kaum politische Opposition gegen Aufgabe der Souveränität
Nun ist der Irak durch seine starken schiitischen Kräfte auch ein wichtiger Interessenraum iranischer Politik. Ein schiitischer Block von Teheran über Bagdad, Damaskus und Libanon sollte die Einflusssphäre Teherans stärken. Gruppen wie die Huthi, aber auch die Hisbollah oder die Haschd al-Schabi waren dabei immer die Akteure im Feld. Allerdings liefern sich Iran und Türkei hier einen Konkurrenzkampf. Dieser zeigt sich in der gemeinsamen Unterstützung der Hamas ebenso wie traditionell im Kampf um die Hegemonie im Irak. Angesichts des aktuellen Expansionismus der Türkei im Irak zeigen sich der Iran und seine schiitischen Verbündeten erstaunlich passiv. Welche politischen Interessen und Machtbalancen dahinterstecken, bleibt zu analysieren. Möglicherweise hat der Iran seine politischen Ambitionen im Jemen, in Palästina, Israel, im Libanon, Syrien und im Irak überdehnt. Unabhängig vom Iran lässt das Verhalten der Opposition im Irak mehr als zu wünschen übrig. Insofern mehrt sich in der Bevölkerung der Unmut über die politischen Eliten und ihre Unterwerfung unter den türkischen Imperialismus und insbesondere in der irakischen Hauptstadt wächst die Anspannung.