Kriegsverbrechen der Türkei
Der türkische Staat hat mit seinen massiven Angriffen seit Oktober letzten Jahres große Teile der zivilen Infrastruktur von Rojava zerstört. Krankenhäuser, Energieversorgungseinrichtungen und Nahrungsspeicher wurden unterschiedslos getroffen. Der gezielte Angriff auf die zivile Infrastruktur stellt ein Kriegsverbrechen dar. Vor Beginn der Angriffswelle hatte der türkische Außenminister Hakan Fidan am 5. Oktober angekündigt: „Alle Infrastrukturen und Energieanlagen, die der PKK und YPG im Irak und in Syrien gehören, sind von nun an legitime Ziele unserer Sicherheitskräfte.“ Was hier mit PKK und YPG assoziiert wird ist klar, die zivile Verwaltung. Denn weder PKK noch YPG benötigen Heiz- und Stromkraftwerke. Solche Angriffe sind Kriegsverbrechen, sollten sie vorsätzlich ausgeführt werden. Das stellten die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages in einem von der Abgeordnete Gökay Akbulut (DIE LINKE.) in Auftrag gegebenen Gutachten zur völkerrechtlichen Perspektive auf die türkischen Militäroperationen in Nord- und Ostsyrien fest.
Im Anschluss an dieses Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste stellte die Abgeordnete der Bundesregierung am Mittwoch folgende Frage: „Inwieweit sieht die Bundesregierung in den türkischen Militärangriffen, u.a. mit Kampfflugzeugen und Drohnen, auf die zivile Infrastruktur Nord- und Ostsyriens – insbesondere in der Zerstörung des Kobane Medical Centers, einer zivilen medizinischen Einrichtung – unter Berücksichtigung der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags WD 2 – 3000 – 010/24 (https://goekay-akbulut.de/wp-content/uploads/WD-2-010-24_Kriegsverbrechen-in-Nordsyrien.pdf) Kriegsverbrechen, und welche Konsequenzen zieht sie daraus insbesondere mit Blick auf Waffenlieferungen (inklusive einzelner Bestandteile für Waffen) an die Türkei?“ Eine Frage, die die Bundesregierung eindeutig mit einem „Ja“ oder „Nein“ oder möglicherweise auch mit einem „vielleicht“ beantworten hätte können.
Ein Spott auf jede außenpolitische Verantwortung
Die schriftliche Antwort der Bundesregierung spottet jedoch erneut jeder außenpolitischen Verantwortung. So verfolgte die Bundesregierung zunächst die übliche Zerstreuungstaktik und verwies auf eine andere Antwort auf eine Frage vom 4. Januar 2024. In der Frage damals hatte Akbulut die Regierung um Stellung zu den Angriffen auf die Zivilbevölkerung und Infrastruktur in Rojava gebeten. Die Antwort ließ tief blicken. So heißt es darin: „Dabei ist sich die Bundesregierung der legitimen Sicherheitsinteressen der Türkei im Kampf gegen Terrorismus bewusst und hat deutlich ihre Erwartung ausgedrückt, dass die Türkei bei ihrem militärischen Vorgehen in Syrien die Einhaltung des humanitären Völkerrechts sicherstellt.“ So stellt sich die Bundesregierung hinter die türkische Mär, die erfolgreiche Guerillaaktion gegen das Innenministerium in Ankara, welche die Türkei zum Vorwand für Angriffe auf die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien genutzt hat, sei von Rojava ausgegangen und legitimiere die Angriffe. In Anbetracht dessen wirkt der Verweis auf das humanitäre Völkerrecht geradezu lächerlich.
Allianz mit dem türkischen Faschismus ist deutsche Staatsdoktrin
Besonders zynisch ist, dass die Bundesregierung nachschiebt: „Zivile Infrastruktur, wie Krankenhäuser und Einrichtungen zur Wasser- und Elektrizitätsversorgung, unterliegt im Rahmen des Völkerrechts besonderem Schutz. Die Bundesregierung verfolgt daher die Auswirkungen der türkischen Luftschläge auf die Versorgungslage der Bevölkerung in Nordostsyrien mit besonderer Aufmerksamkeit.“
Während also Kornspeicher brannten, Millionen Menschen ohne Strom waren, Zivilist:innen aufgrund von Angriffen und Zerstörung der medizinischen Versorgung starben, verfolgte die Bundesregierung „die Auswirkungen der türkischen Luftschläge auf die Versorgungslage der Bevölkerung mit besonderer Aufmerksamkeit“. Offensichtlich so aufmerksam, dass sie in ihrer Antwort auf die aktuelle Frage fortfahren kann: „Zum in der Fragestellung genannten Angriff auf das Kobane Medical Centre liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor.“
Dabei wäre es einfach, Informationen einzuholen, und es ist davon auszugehen, dass diese der Bundesregierung vorliegen, man jedoch aufgrund der Beziehungen zur Türkei keine Stellung zu den Verbrechen beziehen möchte. Während das Vorgehen Russlands in der Ukraine einen Aufschrei bei der Bundesregierung erzeugt und Bundeskanzler Scholz es sogar schaffte, den engen Alliierten Israel für sein Vorgehen in Gaza zu kritisieren, sind die Völkerrechtsbrüche des NATO-Partners Türkei in Rojava offensichtlich uninteressant. Die Allianz mit dem türkischen Faschismus ist offenbar nicht nur Staatsräson, sondern Staatsdoktrin.
Komplizenschaft bereitet neuen Massakern den Boden
So lässt sich ob der vom türkischen Regimechef Erdoğan für 2024 mit den Worten „Wir haben unsere Sicherheitskräfte damit beauftragt, alle terroristischen Elemente, die sie feststellen können, zu eliminieren, unabhängig davon, wer sich neben ihnen, in ihrer Nachbarschaft oder hinter ihnen befindet“ angekündigten Massaker in Rojava und Südkurdistan Schreckliches erwarten.