Kalkan: Erdoğan bettelt um Unterstützung

Deutschland ist die NATO-Macht, die in der Türkei regiert. Niemand hat die Verbrechen am kurdischen Volk so sehr mitgemacht, unterstützt und gefördert wie der deutsche Staat. Wozu Erdoğan nicht fähig ist, tut Deutschland, um ihm beizustehen.

Einschätzungen von Duran Kalkan (PKK)

Duran Kalkan hat sich als Mitglied des PKK-Exekutivrats in einer TV-Sondersendung bei Medya Haber zu aktuellen Entwicklungen geäußert. In seiner langen und detaillierten Bewertung sprach Kalkan unter anderem über einen möglichen Invasionsangriff der Türkei auf die Medya-Verteidigungsgebiete in Südkurdistan und die deutsche Unterstützung beim Vernichtungsfeldzug gegen die kurdische Freiheitsbewegung. Es folgen Ausschnitte von Kalkans Einschätzungen:

Militäroperation und psychologische Kriegsführung

Es heißt, dass eine neue Operation vorbereitet wird und dass sie in naher Zukunft eingeleitet werden soll. In den türkischen Medien wird ständig darüber diskutiert und es wird geschätzt, wo die Operation stattfinden könnte. Die Erdoğan-Regierung will diese Debatte für ihre psychologische Kriegsführung nutzen. Das Hauptthema der von Erdoğan kontrollierten Medien ist die Frage, wohin er reist und von wem er Unterstützung erhält, um neue Angriffe und Operationen durchführen zu können. Aber niemand stellt die Frage, warum der türkische Staat so abhängig von der Unterstützung anderer geworden ist. Ist dies eine Entwicklung oder ein Zeichen der Überlastung und des Zusammenbruchs? Letzteres ist eher richtig. Die Erdoğan-Regierung wurde durch die Aktionen der Guerilla in diesen Zustand gebracht. Der Kampf unseres Volkes, angeführt von Frauen und Jugendlichen, hat den türkischen Staat in diesen Zustand gebracht. Er kann seine Existenz nicht länger aufrechterhalten. Er kann sich weder zurückziehen noch vorrücken. Wie wir gesagt haben, steckt er im Zap fest. Er steckt in einem Sumpf und erstickt. Tatsächlich kämpft er darum, von hier wegzukommen, aus dem Sumpf herauszukommen. Das ist die einzige Erklärung für den entstandenen Aufruhr. Er ist das Ergebnis der Niederlagen und Misserfolge des türkischen Staates.

Die Erdoğan-Regierung hat sogar Schwedens NATO-Mitgliedschaft ausgenutzt, um Unterstützung von der NATO und den USA zu bekommen. Aber das war immer noch nicht genug, sie wandte sich an Europa und direkt an die USA, ohne zu wissen, ob sie wirklich die nötige Unterstützung erhalten würde. Auch das war nicht genug, jetzt gehen sie in den Iran und versuchen gleichzeitig, den Irak und die YNK einzubeziehen. Die USA, die NATO und die PDK sind ohnehin bereits involviert. Die Botschaft lautet also, dass die Erdoğan-Regierung nur dann davon träumen kann, sich gegen die Guerilla zu stellen und ihren eigenen Zusammenbruch zu verzögern, wenn sie derartig viele Staaten und Parteien anfleht. Wir müssen das als einen Rückschlag werten.

Sie kriechen für einen Deal gegen die PKK zu Kreuze

Ja, sie bereiten sich auf eine Offensive vor, aber diese Vorbereitung ist eine Folge der schwierigen und erfolglosen Situation, in die sie geraten sind. Sie kriechen allen in den Hintern. Sie kriechen zu Kreuze. Dann propagieren sie: Wir haben uns mit so-und-so getroffen, so-und-so hat uns dies gesagt, so-und-so wird uns das-und-das geben. Sie sind in einem Zustand des Bettelns. Man sieht deutlich, was aus dem faschistischen kolonialistischen System geworden ist, was die antikurdische Mentalität und Politik daraus gemacht haben. Es gibt keine Tür, an die sie nicht geklopft haben, keinen Ort, an dem sie sich nicht vermarktet haben, keine Macht, niemanden, den sie nicht um Unterstützung gebeten haben, niemanden, mit dem sie nicht versucht haben, einen Deal gegen die Kurden und die PKK zu machen.

Sie sind nicht die einzigen, die sich vorbereiten

Es ist Krieg. Um den Völkermord an den Kurd:innen voranzutreiben, tut die derzeitige Diktatur von Tayyip Erdoğan und Devlet Bahçeli alles, was sie kann. Sie mobilisiert alle Mittel der Türkei, und sie wird dies bis zum Ende tun. Sie werden angreifen, bis sie vernichtet sind. Das ist klar. Wir wissen und verstehen das. Aber ich möchte hier auch sagen, dass nicht nur sie Vorbereitungen treffen. Auch wir schlafen nicht. Wir sehen nicht tatenlos zu, wir bereiten uns vor. Wir sind eine Partei in diesem Krieg. Die Ergebnisse des Krieges sind offensichtlich. Die Realitäten liegen so offen zutage, dass niemand sie verbergen kann. Wir bereiten uns auf mehr vor. Wir bereiten uns darauf vor, alle Arten von Angriffen auf die wirksamste Weise abzuwehren, indem wir alle Elemente berücksichtigen.

PKK-Verbot im Irak?

Die Realität der PKK ist offensichtlich. Sie hat die Würde des Irak gegen den IS verteidigt. Sie hat diese Würde in Şengal, Mexmûr und Kerkûk verteidigt. Andernfalls hätte der IS diese Gebiete eingenommen. Die irakische Regierung hat sich offiziell bei der PKK bedankt. Sie sagte: ,Ihr habt uns vor etwas Großem bewahrt, ihr seid der Stolz der Menschheit.' Jetzt hat die irakische Regierung offenbar beschlossen, diese Organisation zu verbieten. Wir wissen nicht, inwieweit das stimmt. Wenn der Irak beschließt, die PKK zu verbieten, widerspricht er damit seinen eigenen Entscheidungen. Er hat eine Kurdistan-Region im Nordirak geschaffen. Es würde dem Verständnis und der Politik des Irak widersprechen. Der türkische Staat droht dem Irak mit Wasser und Besatzung. Er will besetzen, und die Besatzung hat kein Ende. Wenn er Kurdistan einnimmt, kann er leicht Arabien einnehmen. Die Kurden haben bisher für ihre eigene Freiheit gegen die türkischen Besatzungsangriffe gekämpft, aber sie schützen auch Arabien. Das sollte der Irak deutlicher sehen und verstehen. Es wäre unklug, davon auszugehen, dass die türkische Invasion nicht vor der eigenen Haustür stattfinden wird, weil die Kurdinnen und Kurden ohnehin Widerstand leisten.

Deutschland agiert wie die Regierung in Ankara

Erdoğan bittet alle um Unterstützung. Er reist durch ganz Europa; er geht nach England, Deutschland, Frankreich. Er vermarktet alles, was die Türkei hat. Die gesamte NATO unterstützt ihn. Er erhält auch Unterstützung von den USA, aber vor allem Deutschland nimmt bei diesem Thema eine führende Rolle ein. Deutschland arbeitet genauso wie die Regierung in Ankara. Mehr noch, es stellt sich hinter die antikurdische, faschistische, völkermordende, kolonialistische Mentalität und Politik in Ankara. Das reicht dem türkischen Staat nicht, deshalb unternimmt Deutschland noch mehr Anstrengungen. Wir wissen das. Beim Düsseldorfer Prozess [1989-1994] haben wir die Richter und Staatsanwälte gefragt: Wird die Türkei in Ankara regiert oder in Bonn? Sagen Sie uns das, und wir werden entsprechend mit Ihnen reden. Sie verhielten sich, als ob sie die Regierung der Türkei seien. In Deutschland gibt es den Paragraf 129b, mit dem angeblich Terrorismus bekämpft wird. Dieser Paragraf ist ein wesentliches Instrument für den Kampf gegen Kurdinnen und Kurden geworden.

Die deutsche Regierung tut, was die Türkei nicht tun kann

Der AKP/MHP-Faschismus kann nicht zu allen Beziehungen aufbauen, er kann nicht von allen bekommen, was er will. Zum Beispiel bekommt er nicht die Gefangenen, die er will, weil sie nicht an die Türkei ausgeliefert werden. In solchen Fällen tut die deutsche Regierung, was die Türkei nicht tun kann. Sie lässt Menschen in Zypern, Schweden oder Frankreich verhaften und an Deutschland ausliefern. Und Deutschland verurteilt sie. Wozu Erdoğan nicht fähig ist, tut Deutschland, um diesem kurdenfeindlichen Regime beizustehen. Deutschland unterstützt die Türkei mehr als die Türkei sich selbst unterstützt. Es gibt Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und der deutsche Staat erhält im Gegenzug verschiedene Vorteile. Deutschland ist immer noch die NATO-Macht, die die Türkei regiert. Niemand hat die Verbrechen am kurdischen Volk so sehr mitgemacht, unterstützt und gefördert wie der deutsche Staat.