Zum Kämpfen ist es nie zu spät

Münevver Sönmez wurde mit ihrem Schwager verheiratet und war in ihrer Ehe systematischer Gewalt ausgesetzt. Erst nachdem sie Kontakt zu einem Frauenverein in Wan bekam, änderte sich ihr Leben.

Münevver Sönmez lebt in Wan. Über ihre eigene Geschichte erzählt sie:

„Meine Schwester wurde mit einem sehr viel älteren Mann verheiratet. In der Hochzeitsnacht kam der Mann schreiend zu uns nach Hause. Das Gesicht meiner Schwester war geschwollen. ‚Die ist gar keine Jungfrau‘, schrie der Mann. Meine Eltern wussten nicht, was sie tun sollten. Die Älteren aus der Familie kamen zusammen, um sich zu beraten. Uns ging es finanziell nicht gut. Die Gegenseite war hingegen gut betucht, sie war wohlhabend. Da ich diejenige war, die die Familie durchbrachte, hatte zunächst niemand daran gedacht, mich zu verheiraten. Dann sagte mein Vater: ‚Anstelle deiner Schwester wirst du heiraten.‘ Als ich ablehnte, sagte er, dass er dann meine jüngste Schwester verheiraten würde. Deshalb musste ich einwilligen. Es gab nichts, was der Mann, der bereits meiner Schwester Böses angetan hatte, nicht auch mir antat. Es war unausweichlich, dass er Gewalt ausübte. Erst jetzt begreife ich, dass sowohl meine Schwester als auch ich missbraucht worden sind. Erst Jahre später konnte ich verstehen, was uns angetan worden ist.“

Aus dem Krankenhaus zum Frauenverein

Aufgrund der Gewalt, der sie in ihrer Ehe ausgesetzt war, musste Münevver Sönmez im Krankenhaus behandelt werden. Eine Ärztin riet ihr, Kontakt zu dem Frauenverein VAKAD aufzunehmen. Dort bekam sie Unterstützung. „Ich fing an, häufig in den Verein zu gehen. Sieben Jahre lang arbeitete ich dort als Freiwillige. Während ich selbst noch damit beschäftigt war, mich gegen die Gewalt in meiner Ehe zu wehren, lernte ich viele andere Frauen kennen, denen es ähnlich ging. Ich erfuhr, dass ich nicht alleine bin. Dadurch habe ich Kraft gewonnen“, erzählt Münevver Sönmez weiter.

Im Rahmen der Arbeit des Frauenvereins war sie mit dabei, wenn in den Stadtteilen und Dörfern Gesundheitsseminare oder Fortbildungen stattfanden. Dieses Solidaritätsnetz habe ihr weitergeholfen, sagt sie.

Es ist nie zu spät, um zu kämpfen

Der Frauenverein VAKAD wurde nach der Ausrufung des Ausnahmezustands in der Türkei geschlossen. Anfragen von Frauen konnten nur noch inoffiziell entgegen genommen werden. Die Solidarität unter den Frauen sei jedoch so stark gewesen, dass sie sich über den Ausnahmezustand hinweggesetzt habe, sagt Münevver Sönmez.

„Ich war 25 Jahre lang Gewalt ausgesetzt. Dann habe ich die Scheidung eingereicht. Meine Kinder haben mich gefragt, was ich in meinem Alter als geschiedene Frau tun will. Ich bin jedoch der Meinung, dass es nie zu spät ist, um sich für den Kampf zu entscheiden. Man muss nur davon überzeugt sein.“ Diesen Rat gibt Münevver Sönmez auch anderen Frauen.