Seit dem 20. Dezember demonstrieren tausende Belutschinnen und Belutschen mit verschiedenen Aktionen in Islamabad. Zuvor gab es einen 1600 Kilometer langen Marsch, der angeführt von Frauen von Turbat im Südwesten des Landes bis in die Hauptstadt Pakistans führte. Auslöser dieses „March Against Baloch Genocide“ war die extralegale Tötung eines jungen Mannes durch sogenannte Antiterroreinheiten Ende November nach mehreren Wochen in Gewahrsam unter Heranziehung des Selbstverteidigungsrechts. Menschenrechtsgruppen sprechen dabei von Fake Police Encounters oder Encounter Killings – vorgetäuschte Auseinandersetzungen mit der Polizei zur Begründung staatlicher Morde.
Insbesondere dem pakistanischen Geheimdienst und der Polizei werden immer wieder vorgeworfen, kritische Stimmen in der Provinz Belutschistan mundtot zu machen. Über 5.000 Angehörige der belutschischen Minderheit sind in den vergangenen Jahrzehnten ohne Spur verschwunden gelassen worden. Ähnlich wie die Opfer des „Verschwindenlassens“ im Kurdistan der neunziger Jahre wurden auch sie von staatlichen Kräften verschleppt, gefoltert und viele von ihnen ermordet.
Der March Against Baloch Genocide fordert das Ende dieser Praxis in Belutschistan, eine Aufklärung über den Verbleib der Vermissten und die Bestrafung der Täter. Dieser Forderung schließt sich auch das von der kurdischen Frauenbewegung ins Leben gerufene, inzwischen aber internationalistisch aufgestellte Netzwerk „Women Weaving the Future“ an und solidarisiert sich mit den Protesten der belutschischen Minderheit in Pakistan. In einer Botschaft erklärte das Netzwerk am Montag:
Vor dem National Press Club (NPC) in Islamabad haben die Protestierenden ein Streiklager aufgeschlagen, wo sie Sit-ins und Informationsveranstaltungen durchführen © Baloch Yakjehti Committee
„Als Women Weaving the Future erklären wir unsere Solidarität mit dem Langen Marsch der Belutschinnen und Belutschen. Auf einer Strecke von über 1.600 Kilometern, von Turbat nach Islamabad, haben sie einen historischen Protest gegen die Gräueltaten des pakistanischen Staates geführt, darunter das Verschwindenlassen von Personen, außergerichtliche Tötungen und Militäroperationen, die Tausende von Belutsch:innen unerträglichen und gewalttätigen Bedingungen aussetzen. Gemeinsam mit den belutschischen Frauen und dem Volk von Belutschistan fordern wir ein Ende der staatlichen Entführungen, der Tötungen bei vorgetäuschten Zusammenstößen und der Militäroperationen. Wir unterstützen die Forderungen des Langen Marsches der Belutsch:innen, einschließlich der Forderung nach sofortiger Freilassung aller gewaltsam ‚Verschwundenen‘. Wenn sie in der Haft getötet wurden, fordern wir, dass ihre Leichen an ihre Angehörigen ausgehändigt werden, damit sie in Würde bestattet werden können. Wir verlangen die Abschaffung der ‚Todesschwadronen‘ und der Abteilung für Terrorismusbekämpfung, die von unseren belutschischen Schwestern und Freundinnen als Haupttäter des Verschwindenlassens ausgemacht wurden. Auch fordern wir ein Ende der Praxis, Begegnungen mit der Polizei vorzutäuschen, um die extralegalen Tötungen mit Notwehr zu rechtfertigen, und eine sofortige Einstellung der militärischen Razzien. Wir verlangen Rechenschaft und Gerechtigkeit für die vom pakistanischen Staat begangenen Gräueltaten.
Als der lange Marsch am 20. Dezember 2023 Islamabad erreichte, gingen pakistanische Sicherheitskräfte gewaltsam gegen die Demonstrierenden vor. Hunderte Teilnehmende des Protests gegen die Verfolgung der belutschischen Minderheit wurden festgenommen, darunter auch zahlreiche Frauen, Kinder und ältere Menschen.
Women Weaving the Future verurteilt, dass gewaltsames Verschwindenlassen, extralegale Tötungen und Militäroperationen nach wie vor ein zentrales Instrument staatlicher Unterdrückung sind. Opfer dieser Praxis in Pakistan sind nicht nur Angehörige des belutschischen Volkes, sondern auch andere marginalisierte Gruppen wie Paschtunen, Sindhi, Schiiten, Muhajir sowie politische Gegner wie Mitglieder der letzten Regierungspartei in Pakistan. Wir schließen uns den Frauen und dem Volk von Belutschistan an, die sich dagegen wehren, zum Schweigen gebracht zu werden, und die sich gegen den staatlichen Terror zur Wehr setzen. Wir teilen ihren Schmerz als Menschen, die ähnlichen Gräueltaten durch gewalttätige und patriarchalische Staaten ausgesetzt waren. Die Angriffe von Staaten gegen Menschen, die ihre Unterdrücker überall auf der Welt herausfordern, müssen ein Ende haben, damit eine lebenswerte und gerechtere Welt entstehen kann.
Frauen mit den Fotos ihrer vermissten Angehörigen im Protestcamp in Islamabad © Baloch Yakjehti Committee
Wir senden diese Solidaritätserklärung an unsere belutschischen Schwestern und Mitstreiter, um zu betonen, dass Unterdrückung und Widerstand überall miteinander verbunden sind. Von Kurdistan bis Belutschistan, von Palästina bis Kaschmir, von antirassistischen und indigenen Bewegungen auf der ganzen Welt sind wir überzeugt, dass wir stärker sind, wenn wir zusammenstehen. Wir laden alle Menschen - insbesondere Frauen- und feministische Bewegungen sowie abolitionistische, antirassistische, antikoloniale und antikapitalistische Strukturen auf der ganzen Welt - ein, sich mit unseren belutschischen Genossinnen und Genossen zu solidarisieren, wenn sie marschieren und protestieren und die Abschaffung des Verschwindenlassens, der außergerichtlichen Tötungen und der Gräueltaten der Armee fordern. In Solidarität!“