UTAMARA ruft zum Gedenken an Besma Akinci auf

Die Frauenbegegnungsstätte UTAMARA ruft anlässlich des zweiten Jahrestages des Femizids an Besma Akinci zum Gedenken und zur Teilnahme an einer Kundgebung zum Prozess auf.

In der Nacht vom 14. auf den 15. April 2020 wurde Besma Akinci von ihrem Ehemann Cemal erschossen. Er selbst rief nach der Tat die Polizei und beschrieb die Tat als ein Versehen im betrunkenen Zustand. Cemal A. wurde zunächst verhaftet, dann freigelassen und stellt damals der Polizei wie heute gegenüber dem Gericht die Tat als einen Unfall dar.

Im Juni 2020 wurde ein offener Brief veröffentlicht, den der Dachverband des Ezidischen Frauenrates (SMJE) gemeinsam mit der Frauenbegegnungsstätte UTAMARA e.V. und weiteren feministischen Initiativen, Frauenorganisationen und Einzelpersonen initiierte. Dieser ordnete die Tat gesellschaftlich als Femizid ein.

In einer aktuellen Pressemitteilung der Frauenbegegnungsstätte UTAMARA wird berichtet, dass Cemal A. wegen Mordes und unerlaubten Waffenbesitzes angeklagt sei, ein Prozessende wird nicht vor Juni 2022 erwartet. Im Zusammenleben mit Cemal A. habe Besma immer wieder Gewalt durch ihren Ehemann erlebt. „Es gibt nichts, was er mir nicht angetan hat", sagte sie in einer Sprachnachricht an ihre Familie. Bevor Cemal A. sie erschoss, habe sie bereits die Entscheidung gefasst, sich von ihm scheiden zu lassen, denn Besma sei eine „widerständige und starke Frau" gewesen.

Weiter heißt es in der Erklärung: „Wir gedenken und trauern um Besma und wiederholen unsere Bewertung aus unserem offenen Brief: Wir wissen, dass die Tötung der Ehefrau im eigenen Haushalt mit einer illegal erworbenen Waffe kein Versehen ist, und fordern weiterhin, die Hinweise darauf, dass Besma nicht aus Versehen von ihrem Ehemann erschossen wurde, ernst zu nehmen.“


Der Staat begünstigt Morde an Frauen“

Statistisch betrachtet ist der männliche Partner der gefährlichste Mensch im Leben einer Frau und damit ist und bleibt Gewalt an Frauen politisch. UTAMARA weist jedoch darauf hin, dass es im Fall Besma vor Gericht nicht um Gewalt an einer Frau gehe, sondern um die Evaluation, ob es sich um einen Schussunfall gehandelt habe. Der Prozess zeige auf, dass bei einem so offensichtlichen Feminizid eine hohe Beweis- und Bringschuld gefordert werde. Der Prozess im Allgemeinen sei ein Schauspiel der Entmenschlichung, die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerinnen werde immer wieder auf erniedrigende Art und Weise in Frage gestellt.

UTAMARA führt weiter aus: „Der Druck und das Leid, welche Betroffene und Angehörige bzw. Zeug:innen in solchen Gerichtsprozessen erleiden müssen, ist hingegen klar erkennbar. Die Verfahren bedeuten oft Verunsicherung, Einschüchterung und Retraumatisierung – weil sie unfreiwillig und häufig ohne räumliche Entfernung mit den Tätern konfrontiert sind, weil die Prozesse oft monate- und manchmal jahrelang dauern und die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die Täter schließlich mit milden Urteilen davonkommen“.

An der Prozessführung zeige sich deutlich, wie Staat und Justiz mit ihrer misogynen Rechtssprechung und die daraus resultierenden Urteile Zeugnisse der Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft seien. Es sei wichtig, Frauenhass und die Verneinung des weiblichen Subjektstatus in aller Klarheit zu benennen und gemeinsam dagegen zu kämpfen, denn männliche Dominanz und patriarchale Besitzansprüche führten in unserer Gesellschaft zu struktureller Gewalt gegenüber Frauen.


Die Frauenbegegnungsstätte UTAMARA ruft zur Unterstützung der Prozessbegleitung auf: „Wir unterstützen daher den Aufruf zur Gedenkkundgebung ‚Gerechtigkeit für Besma‘ am 14. April von 16.30 bis 17.30 Uhr am Gänseliesel-Brunnen am Kornmarkt in Göttingen. An diesem Tag ist ebenfalls der nächste Gerichtstermin im Mordprozess gegen Cemal A. am Göttinger Landgericht, Maschenmühlenweg 11, um 10.15 Uhr. Der darauf folgende Prozesstermin soll am 22. April stattfinden.“ Weitere Informationen zu der Prozessbegleitung gibt es am 14. April um 20.00 Uhr bei Çira Report, der deutschsprachigen Talkshow auf dem ezidischen Kanal Çira TV mit der Moderatorin Ayfer Özdogan.