TJA: Der Mut der Frauen macht ihnen Angst

Die Repressionswelle gegen den Verein Rosa in Amed hat bei der Frauenbewegung Wut und Empörung ausgelöst. Die TJA hat angekündigt, ihren Kampf gegen die männliche Vorherrschaft und staatliche Gewalt auszuweiten.

Die Bewegung Freier Frauen (Tevgera Jinên Azad, TJA) hat mit Blick auf die Repressionswelle gegen Frauenstrukturen in Amed eine Ausweitung des Kampfes gegen die männliche Vorherrschaft und staatliche Gewalt in der Türkei angekündigt. Mit den Festnahmen werde bezweckt, den „Willen der Frau“ in Handschellen zu legen. Der Widerstand für Frauenbefreiung werde aber entschlossen weitergehen. Das gab der Vorstand der TJA mit einer Presseerklärung in den Räumlichkeiten der HDP-Bezirkszentrale Bajarê Nû bekannt. Unterstützt wurden die TJA-Aktivistinnen von Mitgliedern des HDP-Frauenrats, dem Rat sozialistischer Frauen (SKM) und der stellvertretenden ESP-Vorsitzenden Beycan Taşkıran.

„Terrorismus unter dem Deckmantel legaler Strukturen“

Seit Montag steht die kurdische Frauenbewegung in Amed (tr. Diyarbakir) wieder im Fokus der staatlichen Repression. Binnen eines Tages wurden in der gesamten Provinz 22 namhafte Persönlichkeiten, darunter Aktivistinnen, Politikerinnen und Künstlerinnen, unter absurden Vorwürfen festgenommen. So ließ die Generalstaatsanwaltschaft verlauten, die Beschuldigten würden „unter dem Deckmantel legaler Strukturen“ Terrorismus betreiben und Versammlungen, Demonstrationen sowie Treffen organisieren. Weitere elf Frauen stehen auf einer Fahndungsliste. Nähere Informationen sind noch unklar, da eine Geheimhaltungsverfügung über die Ermittlungsakte verfügt wurde.

Eigentliches Ziel: Einzige Anlaufstelle für Frauen, die Gewalt erfahren

Im Zuge des Repressionsschlags wurde auch der Frauenverein Rosa wieder polizeilich gestürmt und durchsucht. Etliche Dokumente, Speichermedien, Zeitungen und diverse andere Gegenstände sind eingezogen worden. Bei Rosa handelt es sich um eine 2018 gegründete Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Frauen. Der Verein stellt nach der zwei Jahre zuvor staatlich verordneten Schließung aller städtischen Fraueneinrichtungen mittlerweile die einzige Institution in Amed dar, an die Frauen sich bei Beratungs- und Unterstützungsbedarf wenden können. Nicht zum ersten Mal konzentriert sich die breite Palette an Unterdrückungsmechanismen türkischer Behörden gegen den Verein.

Frauenbewegungen tragende Kraft für gesellschaftlichen Wandel

An der Pressekonferenz nahm auch die HDP-Abgeordnete und Ärztin Semra Güzel teil. „Der Mut der Frauen und ihr Kampf machen dieser Regierung Angst“, hob Güzel hervor. „Das spiegelt sich unter anderem in der Tatsache wider, dass sie Täter von Femiziden freilässt, die entschiedensten Gegnerinnen und Bekämpferinnen patriarchaler Gewalt aber aufs Korn nimmt.“ In Nordkurdistan und der Türkei sind die Frauenbewegungen eine tragende Kraft für den gesellschaftlichen Wandel. Längst funktioniert die staatliche Repression gegen Frauenstrukturen als Katalysator für den gemeinsamen Kampf für Frauenrechte und Frauenbefreiung und gegen patriarchale – unabhängig von ethnischer Herkunft, Religion, Ideologien und politischen Differenzen. Das ist auch der Regierung klar.

Semra Güzel (v.r.)

Güzel: Frauen können soziale Spaltung überwinden

„Wir schaffen das, was die Herrschenden verachten: mit unserer vereinigenden Kraft gelingt es uns, die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden und an derselben Front zu kämpfen“, führte Güzel weiter aus. Zwar gehöre es mittlerweile zum jährlichen Programm der Regierung, Repressionswellen gegen die Frauenbewegung einzusetzen und Frauen festzunehmen. „Das hinterlässt bei uns aber keinen Eindruck. Jede von uns hat ihren Widerstand auf freiem Fuß wieder fortgesetzt.“ In diesem Sinne sei es gleich, wie hart die Angriffe gegen die Frauenbewegung ausfielen, so Güzel. „Das Ende der antidemokratischen Methoden dieser Regierung werden wir Frauen herbeiführen. Wir werden auch weiterhin auf den Straßen und Plätzen kämpfen, denn unsere Maxime lautet: Unsere beste Verteidigung ist unsere Organisierung.“

Kirici: Maskulinistische Politik richtet sich gegen Existenz von Frauen

Sümeyye Kirici als Ko-Vorsitzende des HDP-Bezirksverbands Rezik (Bağlar) prangerte an, dass die maskulinistische Politik der AKP/MHP-Regierung Frauenfeindlichkeit in allen Formen und Aspekten umfasse: „Die Angriffe richten sich gegen die Existenz der Frauen und ihren Kampf, insbesondere dem der Kurdinnen, gegen ihre politische Identität, ihren Willen und ihre Lebensräume. Die jüngsten Festnahmen demonstrieren erneut nur das erklärte Ziel, dem freien Frauenwillen Ketten anzulegen. Ansätze zur Bekämpfung patriarchaler Gewalt hingegen sucht man beim Staat vergebens. Einzig das Unrecht an Frauen, die diesen Widerstand austragen, ist unübersehbar. Das abhängige Justizsystem wird als Rutenbündel benutzt, die Frauen ihren Kämpfen zu entreißen und sie zu zermürben.“

Jederzeit und überall kämpfen

Aufgeben kam aber noch nie in Frage, fuhr Kirici fort. Der Befreiungskampf der Frauen, deren Lebensräume sich nach den Wünschen der Regierung auf die eigenen vier Wände beschränken sollen, und die von der Politik isoliert werden wollen, werde weitergehen, sagte Kirici. „Jederzeit und überall.“

Liste der festgenommenen Frauen

Unter den bisher festgenommenen Frauen befinden sich: Zelal Bilgin (TJA), Sevim Biçici (TJA), Necla Tamriş (Ko-Bürgermeisterin von Çinar), Zeynep Üren (Exekutivrat der DBP), Seval Gülmez (Ko-Provinzverbandsvorsitzende der DBP), Gurbet Özel (Pressesprecherin der HDP-Abgeordneten Remziye Tosun), Beritan Canözer (Korrespondentin von JinNews), Nezahat Teke (Initiative der Friedensmütter), Figen Aras (Mitglied der Frauenakademie Amed), Besile Narin (Ex-Vorsitzende der HDP-Payas), Şilan Kann (Ko-Vorsitzende von MED-DER), Satiye Ok (Exekutivrat der SKM), Nurşen Akbal, Ayşan Kanuş Zengin, Leyla Akgül sowie die Stadtratsverordneten Bahar Karakaş Uluğ, Şehriban Zoğurli und Ruken Bekalp.