Banner-Drop als Terrorismus ausgelegt
Wegen einer Banner-Drop-Aktion gegen Femizid sehen sich drei Personen aus der kurdischen Stadt Silopiya (tr. Silopi) Terrorismusvorwürfen ausgesetzt. Betroffen von der Anschuldigung sind Özlem Fındık, Aktivistin der Bewegung freier Frauen (TJA), sowie die Ko-Vorsitzenden des Kreisverbands der DEM-Partei, Elif Oruç und Adnan Kaplan. Sie hatten am 16. September, dem zweiten Todestag der in Iran von der Sittenpolizei getöteten Kurdin Jina Mahsa Amini, ein Transparent mit ihrem Bild an einer Brücke ausgerollt. Ein zweites Banner zeigte das Gesicht der achtjährigen Narin Güran, die im August mutmaßlich von ihrem Onkel in Amed (Diyarbakır) ermordet wurde. Die Staatsanwaltschaft Silopi sieht darin offenbar den Verdacht der „Propaganda für eine Terrororganisation“ und ließ Fındık, Oruç und Kaplan von der Polizei verhören.
Rund fünf Stunden habe die Befragung im Polizeipräsidium Silopi gedauert, schilderte Özlem Fındık im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA). „Sie wollten wissen, warum und auf wessen Weisung hin wir die Bilder von Jina Mahsa Amini und Narin Güran ausgerollt haben.“ Im Kern sei es um die Kriminalisierung der kurdischen Frauenbewegung gegangen. „Sie dulden nicht einmal, dass wir einer Frau und eines Kindes gedenken, für deren Tod die patriarchale Mentalität verantwortlich ist. Mit dieser Mentalität und der Angst vor dem Kampf von Frauen wird alles getan, um Frauen daran zu hindern, auf die Straße zu gehen und ihre Stimme zu erheben“, sagte Fındık.
Diese Angst spiegelt sich auch im Zeitpunkt der Ermittlungseinleitung wider, betonte die Aktivistin. Laut den Dokumenten, die Fındıks Rechtsbeistand einsehen konnte, wurde die Akte noch am Abend der Aktion in Silopiya angelegt. „Warum sonst – als wegen der Angst vor dem Frauenbefreiungskampf – leitet eine Staatsanwaltschaft in Windeseile ein Terrorverfahren ein? Natürlich fürchten sie sich vor uns und unserem organisierten Widerstand. Sie glauben, uns mit solchen Verfahren einschüchtern und Frauen unterdrücken zu können. Dieses Vorgehen zeigt, wie wichtig und richtig unser Kampf ist. Diese Windeseile hätten wir uns im Übrigen bei der Aufklärung des Mordes an Narin gewünscht.“ Sollte es zu einer Anklageerhebung und zur Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen Fındık und ihre Mitstreiter:innen kommen, drohen ihnen mehrere Jahre Gefängnis.