Frauendemonstration in Amed

Anlässlich des Jahrestages der Ermordung von Jina Mahsa Amini kamen auch im nordkurdischen Amed viele Menschen zu einer von Frauen angeführten Protestaktion zusammen.

„Jin Jiyan Azadî“

Anlässlich des zweiten Jahrestags der Ermordung von Jina Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei kamen am Montagabend in der nordkurdischen Stadt Amed (tr. Diyarbakir) viele Menschen angeführt von Frauen zusammen, um ihre Forderungen nach einem Ende des systematischen Sexismus und des vom Staat geförderten Patriarchats zu fordern. Aufgerufen hatten die Frauenplattform Dicle-Amed (DAKAP) und das Netzwerk zur Bekämpfung von Gewalt. Sie zogen vom Gerichtsgebäude in Diyarbakır zum Dağkapı-Platz. Vertreter:innen zahlreicher Institutionen, politischer Parteien und Nichtregierungsorganisationen, Friedensmütter, Abgeordnete der DEM-Partei und viele weitere Menschen nahmen an der Demonstration teil.

Die Teilnehmenden trugen Fotos von Jina Amini. Thematisiert wurde auch die Ermordung der achtjährigen Narin Güran in Amed. Ihre Leiche wurde 8. September entdeckt. Seitdem gibt es immer wieder Proteste aufgrund der Straflosigkeit für patriarchale Gewalttäter. Das zeigten auch die Transparente mit der Aufschrift „Schützen, Aufklären, Verurteilen“ und „Wir kennen die Mörder von Jina Amini bis Narin“. Gleichzeitig wurde der Austritt des Erdogan-Regimes in der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt scharf kritisiert.

Polizeiabsperrung überwunden

Die Polizei behinderte die Demonstration von Anfang an und umstellte die Aktivist:innen. Die Frauen antworteten mit Parolen wie „Keine Hindernisse für Frauen, sondern für Mörder“ und „Es lebe der Widerstand der Frauen“. Gleichzeitig wurde die Rolle des Staates thematisiert, so wurde gerufen „Männer schlagen zu und der Staat schützt sie“. Aufgrund des heftigen Widerstands der Frauen musste sich die Polizei ein Stück zurückziehen.

Die Frauenrevolution wird immer größer, wir sind zum Widerstand entschlossen“

Als die Frauen den Platz erreichten, wurden unter Beifall, Sprechchören und Parolen Redebeiträge vorgetragen. Die DAKAP-Sprecherin Filiz Kaydu wies in einer Rede darauf hin, dass während der Beerdigung von Jina Amini die kurdischen Frauen und die Gesellschaft mit dem Slogan „Jin, Jiyan, Azadî“ die Stimme des Widerstands gegen das reaktionäre Regime des Irans erhoben haben. Jina Amini sei zu einem Symbol der sich auf dem ganzen Erdball verbreiteten Proteste geworden. Kaydu erinnerte daran, wie die Frauen die ihnen aufgezwungenen Kopftücher abnahmen und revolutionäre Lieder auf Kurdisch und Persisch sangen.

„Wie unsere historischen Vorgängerinnen wissen wir, dass die frauenfeindliche Politik, die das Regime seit 45 Jahren verfolge, auf den Kampf der Frauen für freies Denken, freien Willen und freies Leben abzielt. Die Angst vor der Organisierung einer freien weiblichen Identität wächst jeden Tag. Wir wissen, dass das Mullah-Regime nur ein Teil der Finsternis ist, die sich über den Nahen Osten ausbreitet. Die Frauen, die der Gewalt der Taliban in Afghanistan ausgesetzt sind, die Frauen, die im Israel-Hamas-Krieg massakriert wurden, die kurdischen Frauen, die durch den Militarismus und die Kriegspolitik in der Türkei getötet wurden, sind der gleichen Mentalität, einem frauenfeindlichen Weltregime ausgesetzt. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass sich Frauen im Laufe der Geschichte gegen die Unterdrückung und Beherrschung der Gesellschaft durch die Benutzung von Religion als ein Instrument der patriarchalen Herrschaft aufgelehnt und gewehrt haben. Diejenigen, die die Geschichte verzerren und vergessen machen wollen, sind diejenigen, die durch den Widerstand von Konca Kuriş, Jina Amini, Ferhunde Melîkzade und vielen anderen Frauen besiegt wurden. Diejenigen, die die Welt in der Dunkelheit des religiösen, familienorientierten und frauenfeindlichen IS ertränken wollten, haben durch die Frauenrevolution in Rojava eine Niederlage erlitten."

Der wichtigste Punkt auf der Agenda der Frauenbewegung sei der Kampf gegen Gewalt an Frauen, sagte Filiz Kaydu und warf den Behörden Verschleierung im Mordfall Narin Güran vor. Sie unterstrich, dass die Verschleppung der Ermittlungen deutlich zeigten, wie ein Beziehungsgeflecht aus Narins Familie, dem Staat, dem Dorf und parastaatlicher Killertruppen jedes Vorgehen gegen die Mörder blockiere. Dies sei ein Grund zum Kämpfen für alle Frauen. Sie fuhr fort:

„Während diese Regierung, die jeden Teil des Landes mit Überwachungskameras ausgestattet hat, sich ihres Geheimdienstes rühmt, konnte Narin tagelang nicht gefunden werden. Dokumente aus der Akte wurden der Presse zugespielt, als ob man den Verdächtigen eine Nachricht zukommen lassen wollte, und alle gesetzlichen Vorschriften wurden missachtet, um das Verbrechen zu vertuschen. Erst aufgrund des anhaltenden Drucks der Gesellschaft und der Frauen wurde Narins lebloser Körper gefunden, aber ihr Tod wurde nicht aufgeklärt. Die im Dorf gefundene Munition, die Verwandtschaft der Familie und die strategische Lage des Dorfes erwecken Verdachtsmomente. Heute noch suchen Kurdinnen und Kurden nach verschwundenen Angehörigen aus den 1990er Jahren. Das Verschwindenlassen von Kindern ist ein Versuch, diese Finsternis wieder aufleben zu lassen. Das werden wir nicht zulassen.

Wir sind hinter den Mördern von Narin und denen, die sie schützen, her. Wir sind hinter den Mördern von Sıla her, die im Alter von zwei Jahren vergewaltigt und ermordet wurde. Wir sind hinter den Tätern von Hilal Kar her, die am 23. Juni ermordet wurde und deren Mörder noch immer nicht gefasst ist, und hinter den Mördern von Sudenaz, die gestern in Amed ermordet wurde. Wir sind hinter denen her, die Jina Amini ermordet haben und hinter den Mördern derjenigen, die gegen die Ermordung von Jina protestiert haben. Wir sind auf der Straße, um für Gerechtigkeit zu sorgen und Rechenschaft für alle ermordeten Frauen zu fordern. Der Kampf der Frauen gegen eure reaktionären Regime wächst weiter. Unsere Frauenrevolution breitet sich vom Iran bis nach Amed aus. Die Rufe von ‚Jin, Jiyan, Azadî‘ erheben sich einstimmig.“