Silêmanî: Bewaffneter Angriff auf Geflüchteten aus Nordkurdistan

Ein Unbekannter hat in Silêmanî einen Geflüchteten aus Nordkurdistan angeschossen. Die Hintergründe sind bisher noch unklar, der Arbeiterverein Mesopotamien vermutet mit Blick auf Spitzelanwerbeversuche den türkischen Geheimdienst hinter der Tat.

Im südkurdischen Silêmanî hat ein Unbekannter einen Geflüchteten mit einem Gewehr angeschossen und dabei verletzt. Bei dem Opfer handelt es sich um den 33-jährigen Ferhat Barış Kondu aus Nordkurdistan. Am Donnerstagfrüh hatte er das Büro des Transportunternehmens Can Diyarbekir gerade aufgeschlossen, als sich ihm ein maskierter Mann von hinten näherte und unvermittelt mehrere Schüsse abgab. Kondu wurde am Arm getroffen, sagte der Vorsitzende des Vereins der Werktätigen aus Mesopotamien (Komeleya Karkerên Mezopotamyayê, KKM), Musa Çiftçi, am Abend bei einer Presseerklärung vor der Klinik. Der Täter sei unerkannt geflüchtet.

Die Hintergründe sind bisher noch unklar, die örtlichen Behörden ermitteln. Mit Blick auf Drohungen und Spitzelanwerbeversuche durch türkische Sicherheitsbehörden vermutet Çiftçi allerdings den türkischen Geheimdienst hinter dem Überfall. „Das war ein politischer Angriff“, sagte der Aktivist. Seit inzwischen drei Jahren würden nahezu alle Vereinsmitglieder von Sicherheitsbeamten aus der Türkei unter Druck gesetzt, belästigt und bedroht. „Alle unsere Freundinnen und Freunde werden nahezu täglich über diverse Nummern kontaktiert, weil man uns als Agenten anwerben will. Sollten wir uns dazu nicht bereiterklären, brächten wir unsere Familien in Nordkurdistan in Gefahr“, so Çiftçi.

Ferhat Barış Kondu ist ursprünglich aus Sêwreg (tr. Siverek) in der Provinz Riha (Urfa). Er lebt seit 2017 in Südkurdistan und ist anerkannter Flüchtling.

Im Verein KKM sind Menschen organisiert, die in Nordkurdistan politisch verfolgt werden und von den Vereinten Nationen als Flüchtlinge anerkannt worden sind. Viele von ihnen saßen bereits jahrelang in türkischer Haft, weil ihre legalen politischen Tätigkeiten von der Justiz kriminalisiert wurden. Oder ihnen drohen aktuell unter sogenannten Terrorvorwürfen langjährige Gefängnisstrafen. Çiftçi beziffert die Zahl der derzeit in der Türkei gegen die Vereinsmitglieder anhängigen Verfahren mit mehreren hundert. „Wir stehen im permanenten Fokus des türkischen Staates. Daher ist der Angriff auf Ferhat nicht unabhängig von der Repression, mit der wir auch hier überzogen werden“, erklärte Çiftçi und forderte die türkische Regierung auf, den staatlich organisierten Verfolgungsterror zu beenden. „Solche Methoden bringen keinen Erfolg. Die Verantwortlichen in der Türkei sollten sich in Erinnerung rufen, dass wir ihrer Unterdrückung stets mit Widerstand geantwortet haben. Wir werden an unserer kämpferischen Haltung festhalten.“

Mehr Engagement beim Schutz von politischen Flüchtlingen

Von den Vereinten Nationen und der Patriotischen Union Kurdistans (YNK) als dominierende Partei in Silêmanî fordert Musa Çiftçi mehr Engagement beim Schutz von politischen Flüchtlingen in der Region. Beide Organisationen müssten ihre Pflichten erfüllen und die Initiative ergreifen. Jetzt untätig zu bleiben würde bedeuten, eine Legitimation für weitere Angriffe zu schaffen.