Südkurdistan: MIT versucht mit Drohungen Agenten anzuwerben
Der türkische Staat setzt Flüchtlinge aus Nordkurdistan unter Druck, indem er ihre Familien bedroht. Auf diese Weise will der Geheimdienst MIT in Südkurdistan Spitzel anwerben.
Der türkische Staat setzt Flüchtlinge aus Nordkurdistan unter Druck, indem er ihre Familien bedroht. Auf diese Weise will der Geheimdienst MIT in Südkurdistan Spitzel anwerben.
Tausende Menschen sind vor der Repression des AKP-Regimes aus Nordkurdistan (Türkei) nach Südkurdistan geflohen. Unter ihnen befinden sich M. S. aus Şirnex (Şırnak) und K. D. aus Sêrt (Siirt). Beide berichten gegenüber ANF, wie der türkische Geheimdienst MIT zunächst über Kurznachrichten Kontakt zu ihnen aufnahm und ihnen Geld, die Einstellung ihrer Verfahren und die Aufhebung ihrer Haftbefehle anbot, falls sie als Spitzel tätig werden. Als sie dies nicht akzeptierten, begann der MIT damit zu drohen, ihren in der Türkei verbliebenen Familienangehörigen Schaden zuzufügen. Dennoch blieben die beiden standhaft und lehnten es ab, mit dem türkischen Geheimdienst zu kollaborieren.
M. S. aus Şirnex musste vor zwei Jahren nach Südkurdistan fliehen, da gegen ihn schon zur Studienzeit ein Verfahren wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ geführt wurde, in dem er zu 15 Jahre Haft verurteilt worden ist. In Südkurdistan begann er zunächst in einer Cafeteria zu arbeiten. Er berichtet zu dem Anwerbeversuch des MIT: „Am 23. November 2019 erhielt ich eine Nachricht von einem Telefon mit der Nummer 05061154728. In der Nachricht stand, sie käme aus Ankara und wäre von jemanden auf höchster staatlicher Ebene verfasst worden. Sie enthielt die Aufforderung, als Agent zu arbeiten. Zunächst glaubte ich, jemand würde sich einen Scherz erlauben, aber dann gab der Absender die genauen Daten meiner Familie und von mir an. Er erklärte, er würde mir in jeder Hinsicht materiell und auch anders helfen, wenn ich mit ihm zusammenarbeite. Wenn nicht, werde meiner Mutter und meinem Vater jeder nur mögliche Schaden zugefügt werden. Wenn ich für meine Familie Gutes wolle, dann müsse ich mit ihnen zusammenarbeiten. Er sagte, ich solle alles, was ich über die PKK und ihre Kader wisse, gesehen oder gehört habe, mit ihm teilen. Ich lehnte aber ab.
28 MIT-Einheiten in Südkurdistan
Mir wurde gesagt, es gebe 28 MIT-Einheiten in Südkurdistan und wenn ich mit ihnen arbeiten würde, dann würde ich Kontakt zu ihnen bekommen. Sie wollten vor allem, dass ich zu den PKK-Kadern ginge und Informationen über ihre Arbeit beschaffe. Wenn ich das täte, würden sie mir in Südkurdistan und im Norden behilflich sein. Sie sagten, meine Sicherheit stehe dabei im Mittelpunkt, sie hätten schon viele Agenten ausgebildet und ich bräuchte keine Sorgen zu haben. Sie erklärten, dass sie ihre Agentennetzwerke insbesondere in Silêmanî, Hewlêr, Zaxo, Duhok und Mexmûr ausweiten wollten und alle, die mit ihnen arbeiteten, ein sehr entspanntes Leben führten. Als ich wiederholte, dass ich das nicht machen würde, haben sie gedroht, meiner Familie Schaden zuzufügen und dass ich auch in Südkurdistan nicht sicher sein würde.
„Deine Familie und deine Lieben werden leiden“
Als ich fragte, wie sie mich erreicht haben, erklärten sie, dass sie einen langen Arm hätten und jeden Ort erreichen könnten. Sie versuchten mich mit den Worten ‚Als Staat kann ich jeden Ort erreichen, das bedeutet es, der Staat zu sein‘, zu überzeugen. Sie sagten, wenn mir das Leben meiner Eltern wichtig sei, dann solle ich mit ihnen arbeiten. Sie drohten: ‚Das ist deine Entscheidung, aber deine Familie und deine Lieben werden leiden. Wir geben dir eine Chance, wir lassen dein Verfahren fallen.‘ Auf diese Weise wird versucht, junge Kurden wie mich um den Finger zu wickeln. Jeder patriotische Kurde muss vorsichtig gegenüber diesen Anwerbeversuchen sein.“
Ein ähnlicher Fall
K. D. aus Sêrt war zwischen 2009 und 2010 fünfmal ohne jeden Beweis aufgrund seiner Arbeit für die BDP (Partei des Friedens und der Demokratie) wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ festgenommen worden. Er wurde bei den Festnahmen bedroht, erpresst und unter Druck gesetzt. In drei Verfahren wurde er verurteilt und sollte für Jahrzehnte ins Gefängnis kommen. Er floh vor vier Jahren nach Südkurdistan und berichtet: „Ich habe lange Zeit in einem Café gearbeitet. Am 10. Dezember 2019 bekam ich eine Kurznachricht. Sie sagten, sie hätten meine Nummer von einem Freund aus Südkurdistan und würden sich aus Ankara melden und wollten, dass ich als Agent arbeite. Zuerst nahm ich das nicht ernst und glaubte es nicht. Dann schickten sie mir die Nummer meiner Akte und ich glaubte ihnen, dass sie vom MIT waren. Sie sagten, sie könnten mir helfen, dass mein Verfahren fallengelassen würde und ich zu meiner Familie zurückkehren könnte. Alle meine Haftbefehle würden aufgehoben. Sie würden mir ein Auto, eine Wohnung, ein Telefon und Geld geben und mich den anderen MIT-Agenten in Südkurdistan vorstellen. Sie sagten, sie kennen meine Kinder und meine Familie, dann zählten sie ihre Namen und ihren Aufenthaltsort einzeln auf und drohten, ihnen zu schaden, falls ich ablehne. Dennoch habe ich das nicht hingenommen. Ich habe dieses unwürdige und unmoralische Verhalten nicht akzeptiert. Ich sagte ihnen, sie sollten mich in Ruhe lassen. Sie wollen uns durch diese Erpressungen zur Aufgabe zwingen und uns brechen. Kein Kurde darf so etwas akzeptieren.“