Die Aktivistin der kurdischen Frauenbewegung TJA (Tevgera Jinên Azad), Sevil Rojbin Çetin, ist am 26. Juni in Amed (türk. Diyarbakır) unter dem Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation” festgenommen worden. Bei ihrer Festnahme wurde sie von der Polizei gefoltert. Das belegen Fotos, die ihre Rechtsanwältin bei einem Mandantengespräch anfertigen konnte. Die Folterprozedur dauerte dreieinhalb Stunden an. Nachdem die Tür von der Polizei aufgebrochen wurde, wurden zunächst zwei Hunde auf Rojbin Çetin gehetzt. Die Aktivistin wurde in beide Beine gebissen. Die Polizisten hielten ihr eine Schusswaffe an den Kopf, traktierten sie mit Schlägen und Fußtritten, zogen sie halbnackt aus und fotografierten sie.
Blutverlust führt zu Anämie und Eisenmangel
Anschließend wurde die bereits an Gebärmutterkrebs erkrankte Rojbin Çetin im E-Typ-Gefängnis von Mardin (kurd. Mêrdîn) inhaftiert. Sie leidet seit sechs Monaten unter schweren Darmblutungen. Ihr Bruder Erman Çetin ist Neurologe. Er warnt, dass die Blutungen auf einen möglichen Darmkrebs hindeuten können und dass daher eine Darmspiegelung dringend geboten sei. Der Neurologe erzählt: „Wir hatten mit der Behandlung von Rojbins Beschwerden gerade beginnen wollen. Sie sollte zu einer Darmspiegelung nach Êlih gebracht werden. Aber sie wurde inhaftiert und so war keine Behandlung möglich. Im Moment benutzt sie daher Präparate gegen Eisenmangel und Anämie. Eine Darmspiegelung ist dringend notwendig. Sie hatte schon zuvor Probleme mit der Gallenblase und war operiert worden.“
„Wegen der Pandemie bringen sie uns nicht ins Krankenhaus“
Rojbins Çetins Mutter erklärt: „Ich kann es nicht akzeptieren, dass meine Tochter inhaftiert ist und nicht behandelt wird, obwohl sie so krank ist. Bei einem Telefongespräch erklärte meine Tochter: ‚Wegen der Pandemie bringen sie uns nicht ins Krankenhaus. Wir haben Gesundheitsprobleme. Jemand muss sich mit unserer Lage befassen.‘ Meine Tochter berichtet außerdem von einer Augenverletzung aufgrund eines Schlages, den sie bei der Folter erhalten hatte. Wenn sie nicht behandelt wird, kann sie das Augenlicht verlieren. Die Bedingungen im Gefängnis sind sehr schlecht. Ich mache mir Sorgen um mein Kind.“
„Was sollen Mütter sagen, wenn ihre Kinder in den Gefängnissen sterben?“
Die Mutter fährt fort: „Was sollen die Mütter sagen, wenn ihre Kinder in den Gefängnissen sterben? Ihre Kinder werden unschuldig in den Knast geworfen. Sie lassen unsere Kinder nicht frei, weil sie für ihre Rechte gekämpft haben. Wenn Erdoğan ein Gewissen hätte, dann würde er sagen, ‚Ich habe auch Kinder‘ und würde die Gefangen freilassen. Er kennt die Sorge um diese Kinder nicht, er kann es nicht begreifen. Er soll nur endlich unsere Kinder freilassen.“
Rojbîn Çetin – Aktivistin und HDP-Politikerin
Rojbin Çetin ist Aktivistin der kurdischen Frauenbewegung TJA und gleichzeitig Mitglied im kommunalpolitischen Ausschuss der Demokratischen Partei der Völker (HDP). Zwischen 2014 und 2016 war sie Bezirksbürgermeisterin von Êrdmed (auch Ertemêtan, türk. Edremit) in der Provinz Wan (Van).