Nach den Ende der 1990er Jahre in der Türkei einführten Isolationsgefängnissen vom Typ F wird jetzt das Modell S umgesetzt. Das Ziel dieser neuen Hochsicherheitsgefängnisse ist die Isolation politischer Gefangener, die ohne Aussicht auf Entlassung zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt sind. Nach Antalya, Iğdır (ku. Reşqelas) und Muğla wird das neue Modell jetzt auch in Erzurum (Erzîrom) eingeführt.
In den S-Typ-Anstalten werden die Gefangenen in Einzelzellen untergebracht. Die Durchschnittskapazität besteht aus 500 bis 550 Haftplätzen. Der Vollzug ist noch strenger als in den F-Typen geregelt. Neben den politischen „Lebenslänglichen“ sollen dort auch Gefangene untergebracht werden, die nach Gesetz Nr. 5275 Artikel 9/3 als gefährlich eingestuft werden.
Wie haben die HDP-Abgeordnete Muazzez Orhan und die Ko-Vorsitzende der Gefangenenhilfsorganisation TUHAY-DER in Van (Wan), Edibe Babur, nach ihrer Einschätzung des neuen Vollzugsmodells gefragt. Sie sind beide der Meinung, dass die auf der Gefängnisinsel Imrali begonnene Isolation auf sämtliche Haftanstalten der Türkei ausgeweitet werden soll.
Orhan: Mit dem S-Typ wird die Isolation legalisiert
Muazzez Orhan, Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) aus Van, bezeichnet die Gefängnisse in der Türkei als „Todeshäuser“. Es werde alles unternommen, damit politische Gefangene den Strafvollzug nicht mehr lebend verlassen, erklärt die kurdische Politikerin: „Mit dem S-Typ werden die Gefangenen vollständig isoliert. Auf sich allein gestellt wird ihnen jeder Bezug zum Menschlichen genommen. Psychisch können Gefangene so nicht weiterleben. Es wird zu Toten und psychischen Erkrankungen kommen. Die Isolation, die seit 1999 auf Imrali angewendet wird, verbreitet sich mit der Einführung der S-Typ-Gefängnisse auf die gesamte Türkei. Isolation wird legalisiert. Die physischen Umstände sollen die Isolationspolitik legitimieren und normalisieren. Diese Maßnahme richtet sich gegen politische Gefangene. Tausende Menschen werden aufgrund ihrer politischen Meinung isoliert dem Tod überlassen. Aus Strafhäusern werden Todeshäuser. Tausende kurdische politische Gefangene werden in diesem Gefängnis konzentriert werden.“
Babur: Wie Konzentrationslager
Edibe Babur weist auf den vermehrten Bau von Gefängnissen in der Türkei hin. Sie berichtet, dass Gefangene aus der Schwarzmeerregion nach Erzurum verlegt worden sind. Bisher seien sechzig Gefangene aus Trabzon, Gümüşhane, Giresun, Rize, Zonguldak und Istanbul nach Erzurum gebracht worden, so die Ko-Vorsitzende der Gefangenenhilfsorganisation: „Die beiden in Erzurum errichteten S-Typ-Gefängnisse sollen für die gesamte Region zuständig sein. Das erste Gefängnis vom Typ S wurde vergangene Woche eröffnet. Dort werden alle verlegten Freunde gesammelt. Alle diese Freunde sind zu lebenslänglichen Strafen verurteilt. Die S-Typen werden zu Konzentrationslagern für kurdische Gefangene werden. Diese Entwicklung ist sehr besorgniserregend.“
Babur geht von strengeren Maßregeln in dem neuen Gefängnismodell aus. Zwischen den Gefangenen soll eine Distanz aufgebaut werden: „Durch den Widerstand ist mit den F-Typ-Gefängnissen nicht das Gewünschte erreicht worden. Das soll jetzt mit den S-Typen umgesetzt werden. Es ist offensichtlich geworden, dass die Freunde ihre politischen Ideen nicht aufgeben. Deshalb sollen sie jetzt vereinzelt werden. Der S-Typ ist ein Modell einzelner Todeszellen. Dieses Modell wird für die kurdische Jugend und kurdische Politikerinnen und Politiker eingeführt. Ihre Meinung soll isoliert werden und es soll eine Distanz zu ihren Angehörigen entstehen. Erzurum ist als Standort ausgewählt worden, weil die Provinz für viele Angehörige schwer erreichbar ist. Die Kurdinnen und Kurden werden trotzdem weder ihre Meinung aufgeben noch auf ihre Würde verzichten. Wir fordern das Justizministerium auf, von dieser Politik Abstand zu nehmen. Die Menschlichkeit stirbt jeden Tag in den Gefängnissen, jeden Tag kommen Leichen aus den Gefängnissen. Das wird mit den S-Typen weiter zunehmen. Die Öffentlichkeit muss bei diesem Thema aufmerksam sein.“