Razzia im zwangsverwalteten Bezirk Esenyurt
In der westtürkischen Metropole Istanbul ist die Polizei gewaltsam in den Kreisverband der DEM-Partei im Bezirk Esenyurt eingedrungen und hat mehrere Bücher sowie Fotos beschlagnahmt. In dem Büro hielt sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung niemand auf, das Türschloss wurde aufgebrochen. Als Mitglieder die Parteivertretung öffnen wollten, fanden sie verwüstete Räumlichkeiten und von den Wänden gerissene Plakate sowie zerstreute Dokumente vor. Nach der Razzia wurden die Verbandsvorsitzenden Rojda Yılmaz und Abdullah Arınan auf das Polizeipräsidium im Stadtteil Fatih zitiert. Die Gründe sind noch unklar.
Der DEM-Vorstand in Esenyurt hat angekündigt, dass sie die Situation bewerten und zu einem späteren Zeitpunkt eine Erklärung abgeben werden. Vermutet hinter dem Vorgang werde jedoch ein Zusammenhang mit der Absetzung und Verhaftung des Bezirksbürgermeisters Ahmet Özer von der CHP. Für den unter vermeintlichem Terrorverdacht stehenden kurdischstämmigen Politiker, der bei der Kommunalwahl im vergangenen März zur Spitze des Stadtteils gewählt wurde, hatten im Rahmen einer Konsensentscheidung zwischen der CHP-Vertretung in Esenyurt und der DEM-Partei auch viele Kurdinnen und Kurden gestimmt.
Video: MA
Seither fabulieren Parteivertreter der regierenden AKP/MHP-Allianz und regimetreue Medien immer wieder über eine „verräterische Terrorallianz“ zwischen CHP und DEM. Wenige Tage nach der Absetzung Özers wurden mit Gülistan Sönük (Êlih), Ahmet Türk (Mêrdîn) und Mehmet Karayılan (Xelfetî) auch die Bürgermeister:innen von drei kurdischen Kommunen wegen vermeintlicher Verbindungen zu einer „Terrororganisation“ aus dem Amt entlassen.
Nicht die erste Durchsuchung
Die Vertretung der HDP-Nachfolgerin DEM in Esenyurt befindet sich im permanenten Fokus der türkischen Polizeibehörden. Das letzte Mal waren die Räumlichkeiten im Sommer vergangenen Jahres aufgebrochen und polizeilich durchsucht worden. Anfang 2023 machten mehrere Vorstandsmitglieder öffentlich, durch Bestechungs- und Erpressungsversuche zur Spitzeltätigkeit genötigt worden zu sein. Mehrfach wurden zudem Kundgebungen vor dem Gebäude gewaltsam aufgelöst, etwa im September 2022, als eine Erklärung mit der Forderung nach kurdischsprachigem Unterricht abgegeben werden sollte. 2021 war der damalige Verbandsvorsitzende Ercan Sağlam wegen Terrorismusanschuldigungen verhaftet worden. Als Grund wurde ein Wandbild von Abdullah Öcalan herangezogen.