„Jin, Jiyan, Azadî“ im Zeichen der Neuorientierung
Der Verband kurdischer Frauen in der Schweiz (YJK-S) hat am Sonntag seinen 9. Kongress in Zürich abgehalten. Unter dem Motto „Mit Jin, Jiyan, Azadî demokratische Politik weben“ wurde die Veranstaltung zu einem Forum für politische Analyse, Selbstverständnis und strategische Weichenstellungen der kurdischen Frauenbewegung – insbesondere vor dem Hintergrund der auf dem 12. PKK-Kongress verkündeten organisatorischen Neuausrichtung.
Im Veranstaltungszentrum des Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrums Zürich versammelten sich zahlreiche Delegierte aus fünf regionalen Räten, Kommunen und Initiativen, die innerhalb der YJK-S aktiv sind.
Gedenken und Neuausrichtung
Der Kongress begann mit einer Schweigeminute im Gedenken an die Gefallenen des kurdischen Befreiungskampfes, insbesondere an die PKK-Mitbegründer Ali Haydar Kaytan und Rıza Altun, deren Tod erst kürzlich bekanntgegeben worden war. Im Anschluss wurde der Kongressvorstand gewählt und zentrale programmatische Texte verlesen.
In einem schriftlichen Grußwort der Koordination der Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (KJK) wurde der Kongress als Teil eines umfassenden politischen Neuaufbruchs beschrieben. Die Bewegung befinde sich nicht in einem klassischen Friedensprozess, vielmehr gelte es, mit eigenständiger Organisierung und Widerstand den Wandel selbst voranzutreiben. Sollte der türkische Staat keine Schritte einleiten, werde man sich – so die Erklärung – weiterhin auf die Prinzipien der Selbstverteidigung stützen.
Ayten Kaplan: „Organisierung ist der Schlüssel“
In ihrer Rede betonte Ayten Kaplan, Sprecherin der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E), die zentrale Rolle von Frauen im aktuellen Transformationsprozess. Mit Blick auf Abdullah Öcalans Paradigma sprach Kaplan von der Notwendigkeit, das demokratische Gesellschaftsmodell im Sinne eines inklusiven Systems für alle ethnischen, kulturellen und religiösen Gruppen umzusetzen. Rojava sei dabei ein gelebtes Beispiel, wie dieses Modell verwirklicht werden könne.
Kaplan appellierte an alle Aktivistinnen, sich nicht durch Polarisierung oder gezielte Desinformation entmutigen zu lassen: „Wenn Frauen wollen, versetzen sie Berge. Der Erfolg dieser Bewegung trägt eine weibliche Handschrift – und es liegt an uns, ihn weiterzuführen.“
Zugleich kritisierte sie die Untätigkeit des türkischen Staates. Nur durch breite gesellschaftliche Organisierung werde dieser gezwungen sein, politische Schritte einzuleiten.
Sicherheitspolitik versus strategischer Wandel
Die TJK-E-Aktivistin Şükran Sincar unterstrich, dass die derzeitige Phase nicht als taktischer Rückzug, sondern als strategischer Paradigmenwechsel zu verstehen sei. Die Beendigung der bewaffneten Organisierung sei dabei nur ein Teilaspekt. „Selbstverteidigung ist nicht nur militärisch zu verstehen, sondern als Existenzrecht in Sprache, Identität und Gesellschaft“, so Sincar. Die Verantwortung, die von Abdullah Öcalan angestoßene Veränderung weiterzutragen, liege insbesondere bei den Frauen, die über Jahrzehnte hinweg tragende Säulen der kurdischen Freiheitsbewegung gewesen seien.
Abschluss und Perspektiven
Nach Berichten über die Aktivitäten und die Finanzen des letzten Jahres wählte der Kongress eine neue Leitung für die bevorstehende Arbeitsperiode. Die Veranstaltung endete mit den Rufen „Jin Jiyan Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit) und „Bijî Serok Apo“ (Es lebe der Vorsitzende Apo).