Kundgebung von Woman-Life-Freedom-Kollektiv in Hamburg

Gleichzeitig in 13 europäischen Städten haben am Samstag Solidaritätskundgebungen mit den Kämpfen in Iran stattgefunden. In Hamburg hatte das Woman*-Life-Freedom-Kollektiv zum Protest auf St. Pauli eingeladen.

Zeitgleich in dreizehn europäischen Städten haben am Sonnabend Solidaritätskundgebungen mit den Kämpfen in Iran stattgefunden. „Gegen Unterdrückung und für Widerstand“ lautete das Motto der Veranstaltungen, die von linken und sozialistischen Initiativen mit Bezug zu Iran und Ostkurdistan (Rojhilat) unter anderem in Berlin, Manchester und Paris mit dem Untertitel „Selbst wenn sie alle Blüten abreißen, können sie den Frühling nicht aufhalten“ organisiert wurden. Auch in Hamburg gab es eine Kundgebung. Dort hatte das lokale Woman*-Life-Freedom-Kollektiv zum Protest auf St. Pauli eingeladen. Das Kollektiv versucht die Stimme des progressiven Diskurses in Iran zu sein, die fortschrittlichen Kräfte miteinander zu vernetzen und die Kämpfe zu stärken.

Zunächst begrüßte Roya, eine der Aktivist:innen des Komitees, die Teilnehmenden der Kundgebung. Sie erklärte, dass das iranische Regime in den Köpfen der Menschen bereits tot sei und dass auch Einschüchterung, Drohung und Gewalt es nicht mehr retten könnten. Wichtig war ihr zu betonen, dass monarchistische Fahnen auf der Kundgebung nicht erwünscht seien.


Vielfältige Beiträge 

Die Beiträge auf der Kundgebung waren sehr vielfältig. Meythem Al-Mehdi, ein arabischer Aktivist aus der Arbeiter:innenbewegung, erklärte per Audionachricht, dass die revolutionäre Bewegung in Iran es nach vielen Jahren des Schmerzes endlich geschafft habe, sich zur reorganisieren. Dabei wies er auf die Kämpfe in Kurdistan hin, die für alle ein Vorbild seien.

Ein Sprecher der Freiheitspartei Kurdistans (PAK) beschrieb die Unterdrückung des iranischen Regimes in Kurdistan und ging dabei auch auf persönliche Erfahrungen ein. So sei er als Kind aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit von den Regimebehörden nicht eingeschult worden. „Jeder Kurde und jede Kurdin wurde als ‚Terrorist‘ abgestempelt.“

Cansu Özdemir nun Patin von Zeynab Jalalian

Cansu Özdemir, die Ko-Vorsitzende der Linksfraktion in Hamburg, verurteilte die Hinrichtungen in Iran. 80 Abgeordnete ihrer Partei hätten Patenschaften für politische Gefangene und von der Todesstrafe bedrohte Menschen in Iran übernommen, um Aufmerksamkeit für das Unrecht dort zu schaffen. Sie erinnerte an Zeynab Jalalian, eine politische Gefangene aus dem ostkurdischen Makû, die sich seit 2008 in iranischer Haft befindet und die einzige weibliche „Lebenslängliche“ im Land ist. Jalalian sitzt wegen vermeintlicher „Feindschaft zu Gott“ im Gefängnis und gilt als eines der prominentesten Beispiele für die vom Regime angewandte Methode der „Zerstreuung“. Statt ihr eine heimatnahe Strafverbüßung zu ermöglichen, wird sie seit Jahren in Haftanstalten in teils 1400 Kilometer Entfernung vom Wohnort ihrer Familie festgehalten. Aufgrund dieses Umstands war es der Mutter von Jalalian noch nie möglich, ihre Tochter zu besuchen. Cansu Özdemir ist nun ihre Patin. Die Politikerin steht in Kontakt mit der Familie Jalalians und will in Deutschland Öffentlichkeit für ihren Fall herzustellen.

Instrumentalisierung der Protestbewegung und ihrer Parole

Kritisch äußerte sich Özdemir über eine „Instrumentalisierung“ der Revolutionsbewegung in Iran und Scheinsolidarisierung mit den Protesten seitens deutscher Politiker:innen. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang die Ausbeutung des Slogans „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit) durch politische Verantwortliche, die mit dem Regime jahrelang zusammengearbeitet und es gestärkt haben. Zum Ende ihrer Ansprache lud Cansu Özdemir alle Anwesenden zum diesjährigen Newrozfest im Hamburger Rathaus am 19. März ein.

Zaman Masudi von der „Demokratischen Plattform der Frauen aus dem Iran“ kritisierte, dass westliche Länder den Aufstand in ihrer Heimat symbolisch unterstützen würden, während sie weiter gute Geschäfte mit dem Regime machten. Sie forderte, dass die sogenannten Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU gesetzt werden müssten.

Sama Baluch von der Bewegung „Free Baluchistan Movement“ erklärte, Kurd:innen und Belutsch:innen würden dasselbe Schicksal teilen, da beide Nationen gewaltsam durch Staaten geteilt seien und unterdrückt würden. Der iranische Staat habe Belutschistan 1928 besetzt. Seither werde die Gesellschaft einem rassistischer Repressionsregime unterworfen. Diese Diskriminierung finde in jeder Hinsicht statt, sagte Baluch. So gebe es große Rückstände, was zum Beispiel Bildung und Ökonomie betreffe. Die belutschische Bevölkerung sei ohne Rechte, kämpfe aber an vorderster Front.

Die Hamburger Ethnologin und Aktivistin Anja Flach

Deutschland europaweit größter Handelspartner Irans

In einem Redebeitrag vom Frauenrat Rojbîn und „Gemeinsam Kämpfen“ wurde auf die Situation in Kurdistan und das Zehn-Punkte-Programm der Gemeinschaft der freien Frauen von Rojhilat (KJAR) hingewiesen. Dabei handelt es sich um ein von der Frauenbewegung Ostkurdistans ausgearbeitetes Projekt für den revolutionären Umbruch in Iran (ANF berichtete).

Außerdem forderte die Rednerin, Druck auf die „heuchlerische Bundesregierung“ auszuüben. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteile zwar das iranische Regime, hieß es. Sie verschleiere jedoch, dass die Frauen Irans keine liberalen Freiheitsrechte, sondern einen Systemwechsel forderten. „Deutschland ist nach wie vor der größte Handelspartner des Iran in Europa und der drittgrößte weltweit. Diese Handelsbeziehungen finanzierten den iranischen Repressionsapparat. Wie das faschistische Regime in der Türkei kann sich auch das Mullah-Regime in Iran aufgrund dieser finanziellen Stärkung auf den Beinen halten“, betonte die Aktivistin.

Deutschland sei auch das erste NATO-Land gewesen, das 1984 wieder diplomatische Beziehungen zum Mullah-Regime aufgenommen hätte und Frank Walter Steinmeier habe sogar 2019 dem Klerus in Teheran zum vierzigjährigen Bestehen gratuliert. Die Opposition und die Revolutionsbewegung fordere aber ein Ende der diplomatischen Beziehungen, die Schließung von Botschaften, die Ausweisung sogenannter Diplomaten und das Einfrieren des Vermögens der Revolutionsgarden. Die wenigen bisherigen Sanktionen hätten nur einen Symbolcharakter.