Vor mehr als 40 Jahren machten politische, studentische, ethnische, Arbeiter- und allgemeine gesellschaftliche Gruppen, die die Nase voll von Unterdrückung, Armut und Klassenspaltung hatten, eine Revolution, um die politischen Verhältnisse zu verändern. Aber das Ergebnis der Revolution stand dem Willen der Protestierenden entgegen. Die Monarchie wurde von einer Islamischen Republik abgelöst. Mit Unterstützung westlicher Länder wie England und Frankreich und mithilfe der umfangreichen Propaganda, die für Khomeini betrieben wurde, eliminierte die eben erst entstandene Islamische Republik alle anderen politischen Organisationen und errichtete eine weitere zentrale Macht, diesmal auf der Grundlage des Islam. Die verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Gruppen, die sich gegen ihre Unterdrückung erhoben hatten, verstanden von Anfang an, dass es bei dem Regimewechsel nur um einen Macht- und Kapitaltransfer ging und der Kampf für die Freiheit weiterhin eine Notwendigkeit blieb. Die kurdische Bevölkerung wurde Zeugin der Beseitigung ihrer Existenz im neuen System. Sie sagte mit all ihren politischen Organisationen, ihren Parteien und ihrer Geschichte des zivilen und politischen Kampfes „Nein“ zur Islamischen Republik. Die doppelte Feindschaft dieses Regimes mit der Gesellschaft Kurdistans ist bis heute sichtbar.
Daraufhin begann das Regime seine Herrschaft wie andere diktatorische Regime durch Massenermordung seiner politischen Gegner:innen durchzusetzen. In der Zivilbevölkerung schürte dieses brutale Vorgehen Angst und brachte viele Menschen zum Schweigen. In den Anfangsjahren der Islamischen Republik fand das Blutvergießen auf unterschiedliche Weise statt. So zündeten Regimeschergen 1978 das Kino Rex Abadan an, während im Vorstellungsraum Zuschauer:innen einen Film ansahen. Mehr als 477 Menschen starben bei dem Brand. Das Verbrechen wurde den vermeintlichen Feinden der Islamischen Republik zugeschoben: die Menschen sollten von Unruhen abgehalten und davon überzeugt werden, die Islamische Republik zu akzeptieren.
Als die Opposition ihren Widerstand fortsetzte, startete das Regime 1988 eine Reihe von Attentaten auf politische Aktivist:innen, Schriftsteller:innen und Journalist:innen. Die Attentate sind als die größte Hinrichtungswelle politischer Gefangener im Iran bekannt, Tausende von Aktivist:innen wurden getötet. Die Ermordung von Dr. Abdurrahman Qasimlo und anderen Persönlichkeiten war auch in der Fortsetzung der Schaffung von Verzweiflung, Terror und Unterdrückung von Protestbewegungen begründet.
Seitdem die Islamische Republik an die Macht kam, hat die Unterdrückung von Redefreiheit, von Klassen und von ethnischer und religiöser Zugehörigkeit System. Ebenso systematisch war die Unterdrückung der Frauen. Sie fühlten mehr denn je die geschlechtsspezifische Unterdrückung durch den obligatorischen islamischen Hijab. Den Frauen, die für die Freiheit rebelliert hatten, wurden in dem neuen Regime ihre grundlegenden Rechte genommen: Die Diskriminierung von Frauen beschränkte sich dabei nicht nur auf die Kleiderwahl, sondern reglementierte die Ungleichstellung von Mann und Frau vor Gericht, beim Eigentums-, Erb- und Strafrecht und im erschwerten Zugang zu Abtreibungs- und Verhütungsmethoden. Der obligatorische Hijab ist eine sichtbare Bestätigung der Unterdrückung von Frauen und der Zensur ihrer Rechte. Die Frauen standen so seit Beginn der Islamischen Republik wieder vor der Wahl, sich entweder unterzuordnen oder erneut für ihre Rechte zu kämpfen.
Die Antwort des iranischen Regimes auf die sich erhebenden Proteste war eine immer intensivere Repression. Der Protest der kurdischen Gesellschaft gegen die Eliminierung anderer politischer Parteien zu Beginn der Revolution führte zur Bombardierung der Stadt Sine (Sanandaj) und der Verhaftung und Hinrichtung von Aktivist:innen. Die Antwort auf den Protest von Schriftsteller:innen und Kritiker:innen war Terror und Massenmord. Die Antwort auf die Proteste von Frauen gegen die Verletzung ihrer Rechte bestand darin, die Frauen in den häuslichen Bereich zurückzudrängen und sie aus der Öffentlichkeit zu entfernen.
Das Regime der Islamischen Republik ist das Regime einer Sprache, einer Religion, einer Partei und einer Identität. Es betrachtet alle Unterschiede mit den Augen eines Feindes, behandelt sie wie Feinde und versucht, sie in jeder Hinsicht und mit allen Mitteln zu schwächen.
Eine strategische Diskriminierung der ethnischen Bevölkerungen Irans bestand darin, die natürlichen Ressourcen der kurdischen, arabischen, belutschischen, gilakischen Bevölkerung zu rauben und sie ins Zentrum zu verlegen. Dadurch machte das Regime alle nicht-persischen Nationen ärmer und beschränkte die Sorge eines großen Teils verschiedener Nationen auf den Versuch, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Intellektueller und politischer Fortschritt wurden verhindert.
Aber dieselben Menschen, die systematische Diskriminierung und Unterdrückung erfuhren, haben in historischen Ereignissen gezeigt, dass ihr Kampfpotential umso größer wird, je mehr die Unterdrückung zunimmt. Ein klares Beispiel dafür ist der Kampf und Widerstand der Gesellschaft Kurdistans und Belutschistans in den aktuellen Protesten.
Kurdistan und Belutschistan verfügen über natürliche Ressourcen, die für das Gedeihen ihrer Wirtschaft notwendig sind. Durch den Diebstahl ihrer Ressourcen sind sie verarmt. Das Regime hat diesen Gemeinschaften nicht erlaubt, eine eigene wirtschaftliche Infrastruktur aufzubauen. Wir wissen, dass der Aufstand in diesen Tagen in Ostkurdistan begonnen hat und seine Fortsetzung auch auf die Organisation des Aufstands durch die Menschen in Kurdistan zurückzuführen ist. Diese Organisation zeigt sich in den weit verbreiteten Streiks und dem Straßenkampf in Ostkurdistan und in der Bildung von Nachbarschaftskomitees. Im gesamten Iran spiegelt sich der Glaube, dass Kurdistan ein Wegbereiter ist, in Slogans wider.
In den dreiundvierzig Jahren der Islamischen Republik war die Zahl der in Kurdistan festgenommenen, verurteilten und hingerichteten Aktivist:innen immer höher als in den Zentren Irans. Aber auch der politische und zivile Widerstand hat sich dort intensiviert. Je kohärenter der Kampf in Kurdistan ist, desto gewalttätiger wird heutzutage die Repression gegen die Gesellschaft. Dabei begeht das Regime jedoch den Fehler, zu denken, dass es die Proteste durch massive Gewalt und Unterdrückung ersticken kann. Das Regime verkennt, dass sich für jede Person, die getötet wird, eine neue Welle des Aufstands bildet. Eine besondere Rolle zur Verstärkung der Proteste spielen hier die Trauerfeiern am 7. und 40. Tag nach der Beerdigung einer ermordeten Person.
Die viermonatigen Proteste im Iran bezeugen, dass eine Verstärkung der Unterdrückung nur zu einer Verstärkung der Kämpfe und Widerstände der Bevölkerung führt. Dieser Widerstand und Befreiungskampf wird heute von Frauen angeführt. Wenn das Herrschaftsprinzip der Islamischen Republik auf der Unterdrückung von Frauen und ethnischen Minderheiten wie Kurd:innen und Belutsch:innen beruht, so wird es heute durch die Parole „Jin, Jiyan, Azadî“ in seinen Grundfesten erschüttert.