Konferenz: Die Mauern um die gefangenen Frauen durchbrechen!

In Amed findet an diesem Wochenende mit internationaler Beteiligung die Konferenz „Kette des Schweigens: Die Mauern um politische gefangene Frauen durchbrechen“ der kurdischen Frauenbewegung TJA statt.

In der nordkurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) findet an diesem Wochenende eine von der Bewegung Freier Frauen (Tevgera Jinên Azad) organisierte Konferenz mit dem Titel „Kette des Schweigens: Die Mauern um politische Gefangene durchbrechen“ statt. Die Konferenz beschäftigt sich mit der Repression gegen politisch aktive Frauen und die Situation weiblicher politischer Gefangener. An der Konferenz nehmen Frauen aus Kurdistan, der Türkei und anderen Ländern teil, viele von ihnen sind selbst ehemalige politische Gefangene. Mit dabei sind unter anderem die Ko-Vorsitzende der Partei der Demokratischen Regionen (DBP), Çiğdem Kılıçgün Uçar, die Ko-Vorsitzende der Sozialistischen Neugründungspartei (SYKP), Canan Yüce, Vertreterinnen politischer Parteien und Abgeordnete, feministische Aktivistinnen aus verschiedenen Ländern, Aktivistinnen der Mahnwache für Gerechtigkeit, Friedensmütter, Journalistinnen, Schriftstellerinnen und Vertreterinnen von zivilgesellschaftlichen Organisationen.


Am ersten Konferenztag fanden Podiumsdiskussionen mit den Titeln „Ein Blick auf die Gefängnisse heute in der Türkei“, „Erfahrungen und Kämpfe weiblicher politischer Gefangener“ und „Politische Urteile und Inhaftierungen im Kontext nationaler und internationaler Gesetze“ statt.

Die TJA-Aktivistin Kader Uzun hielt die Eröffnungsrede der Konferenz und begrüßte die Teilnehmerinnen in mehreren Sprachen. Sie nannte Beispiele für den Widerstand von Frauen in Gefängnissen und erklärte, dass Frauen weiterhin überall Widerstand leisten werden.

Die kurdischen Frauen befinden sich seit Jahren im Widerstand“

Anschließend ergriff Hacer Özdemir das Wort. Die TJA-Aktivistin begann ihre Rede im Gedenken an Frauen, die im Gefängniswiderstand ihr Leben verloren haben. Sie wies auf die Isolation von Gefangenen in der Türkei hin und forderte die sofortige Beendigung der Isolation von Abdullah Öcalan, der seit 25 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert ist.

„Die Existenz, die Region, die Sprache und die Kultur des kurdischen Volkes werden nicht anerkannt“, sagte Özdemir und fügte hinzu, dass das kurdische Volk seit Jahren für seine Identität in allen vier Teilen Kurdistans kämpft. „Kurdische Frauen leisten seit Jahren in den Gefängnissen Widerstand. Wir alle wissen, was nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 im Kerker von Amed geschah. Hier gab es großen Widerstand, Mazlum Doğan wurde zur Symbolfigur dafür. Sakine Cansız und ihre Freundinnen sind durch ihren Kampf zum Symbol der kurdischen Frauen und der Frauen der Welt geworden.“


Diana Restrepo Rodriguez: „Wir müssen zuerst die Angst überwinden“

Diana Restrepo Rodriguez wurde über Zoom zugeschaltet und sprach in ihrem Beitrag über politische Verfahren und Inhaftierungen in Lateinamerika. Unter Bezugnahme auf den Widerstand in lateinamerikanischen Gefängnissen sagte Rodriguez, dass Frauen auch im Westen von der Justiz nicht als gleichberechtigt akzeptiert würden. Frauen seien in der Haft die ersten Opfer von Folter: „Überall auf der Welt wird die Folter zuerst an Frauen ausprobiert. Wenn sie erfolgreich war, wird sie auch in Männergefängnissen angewandt.“

Sie berichtete von regelrechter Willkür in den Gefängnissen und führte aus: „Das Schweigen schafft Einsamkeit. Es verstärkt die Angst. Das führt dazu, dass wir Entscheidungen treffen, mit denen wir uns selbst verraten. Zuerst müssen wir den richtigen Weg erkennen. Wir müssen auch erkennen, dass das Schweigen unter allen möglichen Deckmänteln daherkommen kann. Es ist Teil der Täuschung und der Assimilation. Es zieht uns weiter in sinnlose Kämpfe hinein. Es ist wichtig, dass wir das Schweigen in diesem Sinne brechen. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass wir nicht frei sein werden, wenn wir als Frauen das Repressionssystem nicht durchbrechen. Dazu müssen wir die Angst überwinden. Jin jiyan azadî.“

Philippinen: Aktivist:innen werden als „Terroristen“ diffamiert

Maria Kristina Conti sprach über philippinische Frauen, die in Konflikt mit der Justiz geraten sind. Sie wies darauf hin, dass das spanische System auf den Philippinen übernommen wurde, nannte Beispiele für diskriminierende Gesetze gegen Frauen und berichtete von Frauen, die aufgrund verschiedener Vorwürfe verhaftet wurden. In Bezug auf das Anti-Terror-Gesetz auf den Philippinen sagte Conti: „Eine Frau, die gegen die Regierung ist, wird als Aktivistin abgestempelt, eine Aktivistin als Kommunistin und eine Kommunistin als Terroristin. Wir sollten daran arbeiten, Druck auf die Institutionen aufzubauen. Dieser Druck kann dazu führen, dass einige Gefangene freigelassen werden. Jin jiyan azadî ist für uns alle wichtig.“

70 Prozent der inhaftierten Frauen erleidet sexualisierte Gewalt

Die katalanische Anwältin Altamira Guelbenzu Gonzalo nahm online an der Konferenz teil und erinnerte an die vielen Frauen, die aufgrund von Demonstrationen während des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums inhaftiert wurden. Manche von ihnen wurden zu über zehn Jahren Haft verurteilt. Zum Gefängnissystem sagte sie: „Aus meiner Sicht sind Gefängnisse Orte der Folter und des Leids. Was mit den Frauen in den Gefängnissen geschieht, ist für die allgemeine Bevölkerung von geringer Bedeutung. Die Gefängnisse sind patriarchale Institutionen, in denen weiblichen Gefangenen zur Unterwerfung gezwungen werden sollen.“ Gonzalo berichtete von schlechten Haftbedingungen, durch die Gefangene krank würden, und sagte, dass etwa 70 Prozent der inhaftierten Frauen im Gefängnis sexualisierter Gewalt ausgesetzt seien: „Wir müssen gemeinsam eine Welt ohne Gefängnisse aufbauen.“


Wenn der Frauenkampf wächst, nimmt auch die Belästigung durch die Justiz zu“

Die Rechtsanwältin Ebru Akkal von der Juristenvereinigung ÖHD sagte, wenn man die letzten 40 Jahre der Türkei betrachte, sehe man eine systematische richterliche Diskriminierung von Frauen: „In dem Maße, wie die Frauenbewegung wächst, nimmt die Gewalt der Justiz zu.“ Ebru Akkal thematisierte insbesondere die Angriffe auf die kurdische Frauenbewegung und die Verfolgung und Inhaftierung tausender Aktivist:innen. Die Kriminalisierung des Modell des Ko-Vorsitzes zeige, welche Haltung die Regierung gegenüber Frauen habe: „Die Schließung von Organisationen und Vereinen der kurdischen Frauenbewegung in den Kommunen sowie die Inhaftierung von Aktivistinnen spiegeln das Frauenbild der AKP/MHP wider. Wir haben gesehen, dass Frauen aus Organisationen wie der TJA, KJA, DÖKH, dem Frauenverein ROSA vor Gericht gestellt wurden. In allen Fällen führten unkonkrete Anschuldigungen wie die Teilnahme an Demonstrationen zum 8. März und 25. November, der Protest gegen die Morde an Frauen, die Verteidigung des Ko-Vorsitzes usw. zu einer langfristigen Inhaftierung der Frauen. Das Resultat davon ist, dass das bestehende System seine politisierte Justiz als Werkzeug zur Einschüchterung der Gesellschaft benutzt.Dennoch haben Frauen ihren eigenen Kampf gestärkt und weiterentwickelt.“

Akkal sprach von besonderen Schikanen gegen Zeuginnen und weibliche Angeklagte, sie würden in den Verfahren immer wieder auch zu privatesten Details befragt. Die Misogynie der Justiz zeige sich auch im Vorgehen gegen Anwältinnen. Akkal erinnerte an die politischen Verteidigungen von Frauen, insbesondere im Kobanê-Verfahren hätten die weiblichen Angeklagten für die Frauenbewegung sehr wichtige Erklärungen abgegeben. Akkal erinnerte außerdem an die im Gefängnis ermordete politische Gefangene Garibe Gezer und die vielen Gefangenen, die trotz Ablauf ihrer Haftdauer nicht freikommen. Dies verletze auch das im europäischen Recht verankerte Recht auf Hoffnung.

Die erste Konferenztag endete mit einer Rede der DEM-Abgeordneten Ceylan Akça.