Kobanê: Tausende erweisen getöteten Frauen letzte Ehre

Unter Anteilnahme tausender Menschen wurden die kurdischen Aktivistinnen Zehra Berkel, Hebûn Mele Xelîl und Amina Waysî in Kobanê beigesetzt. Am Ende hallte unaufhörlich die Parole „Gefallene sind unsterblich“ durch die kleine Stadt mit großer Bedeutung.

Tausende Menschen versammelten sich am Donnerstag im nordsyrischen Kobanê, um Zehra Berkel, Hebûn Mele Xelîl und Amina Waysî die letzte Ehre zu erweisen. Die extralegale Hinrichtung der Aktivistinnen der Frauenbewegung durch einen türkischen Drohnenangriff auf ein Wohnhaus im Dorf Helîncê hat vor drei Tagen Entsetzen ausgelöst. Weltweit gingen Menschen auf die Straße und protestierten gegen Gewalt an Frauen durch die Besatzungstruppen.

Die Trauergäste trafen am späten Nachmittag auf dem Gefallenenfriedhof „Şehîd Dîcle“ ein, wo sie an den Särgen ihre Anteilnahme zeigten, bevor eine Trauerzeremonie stattfand. Anwesend waren neben Repräsentant*innen aller Einrichtungen und Organisationen der Selbstverwaltung auch Menschen aus den anderen Regionen des nordostsyrischen Autonomiegebietes. Die Leichname waren zuvor mit einem langen Konvoi zur Begräbnisstätte gebracht worden. Unter Trillern und Parolen wurden die Särge auf den Schultern von Menschen jeden Alters zur Totenbahre getragen.

Nach einer Schweigeminute ergriff zuerst Mihemed Şahîn als Ko-Vorsitzender des Exekutivrats der Euphrat-Region das Wort. Der Politiker gedachte allen Gefallenen der Revolution von Rojava und sagte, die gezielte Tötung der kurdischen Aktivistinnen sei ein „Racheakt“ der Türkei für die Niederlage der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Kobanê ist eine kleine Stadt mit großer symbolischer Bedeutung: am 19. Juli 2012 wurde dort die demokratische Autonomie ausgerufen. Zweieinhalb Jahre später, am 27. Januar 2015, steckte der IS in Kobanê seine erste Niederlage ein, die den Anfang des Endes seines selbst ernannten Kalifats darstellte. Die 134 Tage andauernde Verteidigung der Stadt hat für die kurdische Gesellschaft einen immensen Wert. Denn Kobanê ein Symbol des Widerstands gegen den IS, der maßgeblich von Frauen angeführt wurde.

Auch Heyva Erebo von der Koordination von Kongreya Star hielt eine Rede: „Wir haben uns heute hier versammelt, um drei Frauen zu verabschieden, die ihr Leben für die Freiheit gaben. Der Feind hat in der Person dieser drei Revolutionärinnen einen Angriff auf die gesamte Menschheit verübt. Wir werden diese Tat niemals vergessen.“

Heyva Erebo

Ramazan Mele Xelîl, der im Namen des Angehörigenrats von Gefallenen einige Worte an die Anwesenden richtete, sagte: „Die Feinde des kurdischen Volkes und der Menschheit sollten wissen, dass unsere Verbundenheit dem Weg derer gilt, die gefallen sind. So wie wir in Kobanê bereits den IS vertrieben haben, werden wir auch Erdoğan in die Flucht schlagen.“ Nach weiteren Redebeiträgen wurden die Gefallenenurkunden verlesen und den Angehörigen der Aktivistinnen ausgehändigt. Im Anschluss wurden die Frauen beigesetzt.

Ramazan Mele Xelîl

Zehra Berkel, die zum Zeitpunkt ihres gewaltsamen Todes Koordinationsmitglied des Frauendachverbands Kongreya Star für die Euphrat-Region war, kam 1987 als Tochter einer aus Kobanê stammenden Familie zur Welt und studierte Jura in Aleppo. 2013 schloss sie sich der Frauenbewegung an und arbeitete zunächst im „Mala Jin“ (Haus der Frauen) und später für den kurdischen roten Halbmond (Heyva Sor a Kurd). Sie war im Volksrat von Kobanê aktiv und wurde zur Ko-Bürgermeisterin gewählt. Danach war sie Ko-Vorsitzende der Gerechtigkeitskommission von Kobanê. Seit 2018 arbeitete sie als Koordinationsmitglied von Kongreya Star. Bei der Organisation handelt es sich um den Dachverband aller Frauenstrukturen, -initiativen, -organisationen, -räte und -kommunen in Nord- und Ostsyrien, die sich für den Aufbau einer geschlechterbefreienden, ökologischen, pluralistischen Gesellschaft einsetzen.

Hebûn Mele Xelîl war ebenfalls Mitglied von Kongreya Star. Sie ist im Dorf Pêndir bei Kobanê geboren und litt unter einer Krebserkrankung. Amina Waysî wohnte in dem Haus, das von der türkischen Killerdrohne angegriffen wurde. Sie ist 1965 in Helincê geboren und war Mutter von fünf Kindern. In ihrem Umfeld war sie für ihre Liebe zu Kurdistan bekannt. Sie nahm an allen Aktivitäten der Frauenbewegung teil und widmete ihre gesamte Energie der Revolution.